Ich eröffne die Beratung und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Börschel das Wort. Bitte schön.
(Volkmar Klein [CDU]: Der kann eigentlich nur zustimmen! – Gegenruf von der SPD: Warten Sie einmal ab!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister! Helmut Linssen, der ehrliche Kaufmann.
Der eiserne Helmut, der mit der Pickelhaube gegen die Begehrlichkeiten der Kollegen im Kabinett zu Felde zieht und, wie wir gerade gelernt haben, nach der Beförderung des Kabinettkollegen Laschet auch noch zum König erhoben wird. Der große Strahlemann des Kabinetts! Herr Linssen, was haben Sie sich nicht für eine Mühe gegeben, ein solches Bild von sich selbst zu zeichnen oder zeichnen zu lassen!
Das ging – das muss man Ihnen zugestehen – fast zwei Jahre lang einigermaßen gut. Sie konnten Ihr Glück kaum fassen. Ich kann mir durchaus
vorstellen, dass Sie die eine oder andere Kerze aufgestellt und dem lieben Gott für die wirklich unverhofften Steuermehrmilliarden gedankt haben, mit denen Sie selbst so gar nichts zu tun haben, sondern die einfach über Sie hereingebrochen und Ihnen zugute gekommen sind.
Überhaupt nicht! Im Rheinland sagt man: Man muss auch jönne könne! Das gilt selbstverständlich auch für den Finanzminister, wenn er denn seinem selbst gebastelten Image gerecht würde.
Auch die geneigte Öffentlichkeit war ja bereit, diese mühsame Eigenwerbung vom ehrlichen Kaufmann zu glauben – ganz nach dem Motto: Wer so viel Glück hat, der wird es irgendwie verdient haben. – Auch das gehört zur rheinischen Mentalität, dies so zu goutieren.
Aber, Herr Finanzminister, Sie hätten besser den alten Grundsatz der Werbewirtschaft bedacht, nach dem auf Dauer Werbung für ein Produkt nur dann etwas nützt, wenn das Produkt hält, was es verspricht.
Man muss zugeben, dass Sie in den letzten Wochen schlicht und einfach keinen guten Lauf hatten. Das kann jedem einmal passieren und ist in Ihrem Fall besonders unangenehm.
Im Haushalts- und Finanzausschuss müssen Sie sich, Herr Finanzminister, des Eindrucks erwehren, Sie hätten dem Ex-Geheimagenten Mauss in einer Steuersache Vorteile verschafft.
(Lachen von der CDU – Christian Weisbrich [CDU]: Du lieber Himmel! – Gisela Walsken [SPD]: Dumm gelaufen! – Weitere Zurufe)
Dann kommen – das zum eigentlichen Thema – zwei scheinbar völlig belanglose Nachtragshaushalte, die endgültig und schonungslos offenlegen, dass Ihr schönes Image dahinschmilzt wie Eis in der Mittagssonne.
Schon Ihren ersten Nachtragshaushalt 2005, Herr Finanzminister, haben Sie völlig vergeigt. Das Verfassungsgericht des Landes NordrheinWestfalen musste Ihnen ins Stammbuch schreiben, dass Sie glatten Rechtsbruch begangen haben, und es musste diesen Nachtragshaushalt 2005 schlicht und einfach für nichtig erklären.
Herr Kollege Weisbrich, ich weiß gar nicht, warum Sie sich aufregen, Sie haben doch die Verfassungsrichter des Landes mit gewählt. Das waren doch fast einstimmige Wahlen. Wenn die Ihnen und dem Finanzminister eine solche Klatsche geben, können Sie das nicht dem Redner ankreiden, der die Botschaft verkündet,
Es bleibt schlicht und einfach festzuhalten: wieder ein dicker Kratzer an diesem schönen Image! Denn Verfassungsbruch will so gar nicht zu einem ehrlichen Kaufmann, wie Sie einer sein wollen, passen.
Statt vorsichtiger zu werden, unterläuft Ihnen mit diesem Nachtragshaushalt 2007 der nächste Lapsus. Eigentlich – das haben Sie gerade darzulegen versucht – gibt es einen schönen Anlass, nämlich etwas mehr als 1,4 Milliarden € Steuermehreinnahmen. Was tut man damit?
Das fragen wir uns nicht nur in diesem Hause, sondern das fragen sich auch die Menschen draußen im Land. Man tut am besten das, was man vorher angekündigt hat. In Ihrem Fall, Herr Finanzminister, heißt das: Rüstung anziehen, sanieren und Schulden abbauen! Dazu passt Ihre Einbringungsrede im Plenum zum Nachtragshaushalt des Jahres 2006. Ich darf mit Ihrem Einverständnis, Herr Präsident, zitieren. Sie haben am 16. November vergangenen Jahres folgende, im Ergebnis wegweisende Sätze gesagt:
Ja, bitte sehr. Aber das wird Ihnen im Halse stecken bleiben. Sie werden zu einer ruhigen Hand zurückkehren, Herr Kollege Dr. Petersen, wenn Sie nämlich die weiteren Sätze hören.
Erstens. Die Steuermehreinnahmen und die Minderausgaben beim Länderfinanzausgleich werden vollständig zur Absenkung der Nettoneuverschuldung eingesetzt.“
„Zweitens. Die zwangsläufigen Mehrausgaben werden in vollem Umfang durch Minderausgaben beziehungsweise durch nicht steuerliche Mehreinnahmen gedeckt.“
Was tun Sie heute, gemessen an dem, was Sie damals gesagt haben? Sie verfahren nach dem Adenauerschen Motto: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? Wer Ihnen eben bei der Rede, wie ich es für mich in Anspruch nehme, genau zugehört hat, wird nicht nur zwischen den Zeilen, sondern recht ausdrücklich einen ziemlich deutlichen Kurswechsel wahrgenommen haben, den Sie für die Landesregierung und wahrscheinlich auch für die sie tragenden Koalitionsfraktionen verkündet haben. Denn von dem, was Sie noch beim Nachtrag 2006 gesagt haben, ist nicht mehr viel übrig geblieben.
So stecken Sie – das haben Sie gerade angekündigt – 680 Millionen € in die Versorgungsrücklage des Landes.