Protocol of the Session on May 24, 2007

Ja, aber dann verlängert sich die Redezeit für alle.

Gut, dann verlängert sich die halt.

(Heiterkeit – Beifall von der CDU)

Wir müssen uns auch um die 4 Millionen Migranten in Nordrhein-Westfalen kümmern. Ein Drittel von ihnen – das sind rund 1,3 Millionen Menschen – lebt in einkommensschwachen Haushalten. Besonders problematisch ist die Situation der türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Bei ihnen sind fast 44 % von Armut bedroht. Die Landesregierung sorgt deshalb für bessere Teilhabechancen von Kindern mit einer Zuwanderungsgeschichte.

Wenn man das sieht, ist doch richtig, was Herr Kollege Laschet und die Schulministerin jetzt machen. Wir müssen gucken: Was können wir tun, damit die Kinder mit vier Jahren sprechen können? Dann gilt es, sie zu fördern, damit sie im sechsten Lebensjahr auch einen Unterricht in deutscher Sprache an einer Schule verstehen können und ihm folgen können. Es kann doch keine falsche Politik sein,

(Beifall von CDU und FDP)

wenn man gerade bei diesen Kindern eine Veränderung erreichen will.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Das war in Ihrem Armutsbericht auch so. Was haben Sie gemacht? – Sie haben sich darum einfach nicht gekümmert,

(Beifall von CDU und FDP)

weil es Ihrer Multikultivorstellung nicht entsprach, sich darum zu kümmern. Deswegen finde ich auch, dass wir in diesem Punkt auf einem richtigen Weg sind.

Das Problem der Armutsgrenzen – deswegen kommen Sie gleich nicht sofort mit diesem Argument – lässt sich über Mindestlöhne nicht lösen. Denn selbst wenn es die gesetzlichen Mindestlöhne gäbe, wie es zurzeit diskutiert wird, befände sich eine Familie mit einem Lohn von 7,50 € immer noch in Armut. Also nehmen wir doch nicht falsche Instrumente in die Hand, um in einer öffentlichen Debatte zu versuchen, ein Problem zu lösen, das man damit gar nicht lösen kann.

Genauso bitte ich Sie darum, genau hinzusehen, was mit unseren Erwerbsverhältnissen passiert ist. Im Jahre 2000 arbeiteten in NordrheinWestfalen noch 66,8 % der Erwerbstätigen in einem normalen Arbeitsverhältnis. Damit meine ich sozialversicherungspflichtig und Vollzeit. Das ist auf 63,7 % zurückgegangen. Aber da wird von vielen Folgendes gemacht: Man packt 400-€Verträge, Teilzeitbeschäftigung und befristete Arbeit zusammen und sagt, das seien prekäre Arbeitsverhältnisse.

Zumindest bei der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitarbeit bin ich nicht der Meinung, dass das ein prekäres Arbeitsverhältnis ist. Denn wir haben ja gerade die Ausweitung von Teilzeitarbeit gewollt, damit Menschen Familie, Kinder und Beruf besser unter einen Hut bringen können. Deswegen hat man ja auch ein Gesetz gemacht, nach dem Eltern einen Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung in diesem Land haben.

Wenn das von den gleichen Leuten jetzt als prekär dargestellt wird, die damals genau dieses neu in das Arbeitsrecht eingeführt haben – ich denke an die Gewerkschaften –, dann muss man zumindest in diesem Punkt sehr differenziert diskutieren, weil man sonst nur Schlagzeilen macht, aber nicht in der Lebenswirklichkeit ankommt.

Einen weiteren Punkt möchte ich als letzten ansprechen, Herr Präsident.

Herr Minister, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihre Redezeit zu Ende ist. Sie haben ja Gelegenheit, nachher in der Debatte noch einmal das Wort zu ergreifen.

Nach diesem Sozialbericht müssen wir auch eine Debatte darüber führen, was in einigen Jahren mit der Altersarmut passiert, wenn bis dahin nichts geschieht. Gut ist, dass wir heute wenige über 65-Jährige in der Armut haben. Aber das, was im Rentenrecht heute Gesetz ist, wird dazu führen, dass das in einigen Jahren anders aussieht. Wer 7 € verdient, erwirbt sich in einem Jahr nach der jetzigen Rentenformel noch einen Rentenanspruch von 14 € und muss 44 Jahre arbeiten, um eine Rente oberhalb der Armutsgrenze zu haben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Existenzsichern- de Löhne!)

7 € wären doch der Mindestlohn. Herr Schmeltzer, reden Sie doch nicht so ein dummes Zeug, wenn wir über ein Problem reden, das wir lösen müssen.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Der Mindestlohn ist eine gute Grundlage gegen Altersarmut!)

Wenn Ihre dummen Sprüche Ihre Sozialpolitik sind, dann werden die armen Leute mehr und nicht weniger.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie sind der Blo- ckierer!)

Ja, ist ja gut. Bei 7 € erreichen Sie in einem Berufsleben keine Rente oberhalb der Armutsgrenze mehr. Deswegen müssen wir doch gucken: Hilft die Riester-Rente bei Einkommensschwachen? Dies sind nach allem, was wir wissen, diejenigen, die sie nicht machen, sondern diejenigen, die gut verdienen, machen eine Geldumwandlung. Müssen wir im Rentensystem etwa wie im katholischen Rentenmodell nicht über solche Fragen reden, damit wir es im Rentensystem lösen? Müssen wir über Rente nach Mindesteinkommen reden? Ich will auf keinen Fall, dass sich ein Lagerarbeiter, der 45 Jahre lang für 7,50 € arbeitet, an den Staat wenden muss, sobald er in Rente geht, und dann bedürftig und von einem System abhängig ist.

(Beifall von der CDU)

Wir sollten einfach dafür kämpfen, das auch Herrn Müntefering deutlich zu machen. In diesem Sinne wünsche ich mir eine faire Diskussion über diesen Sozialbericht.

(Anhaltender Beifall von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Da haben Sie aber keine gute Grundlage für eine faire Diskussion ge- legt!)

Vielen Dank, Herr Minister. – Der Herr Minister hat seine Redezeit um fast fünf Minuten überschritten. Entsprechend großzügig werden wir auch die Redezeit der Fraktionen behandeln.

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Killewald das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich weiß nicht, wie man nach einer solchen Rede eine faire Diskussion fordern kann.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU)

Um das einmal zu sagen: Herr Kollege, der Titel dieses Tagesordnungspunktes lautet: „Teilhabe gewährleisten – Konsequenzen aus der Sozialberichterstattung ziehen“.

(Zuruf von der CDU)

Lassen Sie mich einfach zu Wort kommen; danach werden Sie vielleicht ein Urteil fällen können.

(Weitere Zurufe von der CDU)

Werte Kolleginnen und Kollegen, der Minister hat so getan, als ob im Jahr 2004 mit der Sozialberichterstattung in Nordrhein-Westfalen begonnen

worden wäre. Sie haben anscheinend eine mehr als gesunde Fähigkeit, zu verdrängen, Herr Minister, denn in NRW gibt es eine lange Tradition der Sozialberichterstattung.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Er hat sich gera- de selbst verdrängt! Er ist nicht mehr hier!)

Jetzt geht er flöten, der Sozialminister.

Sozialdemokraten und sozialdemokratisch geführte Landesregierungen haben sich seit 1992 nicht davor gescheut, sich mit unbequemen Wahrheiten auseinanderzusetzen.

(Christian Lindner [FDP]: Aber vorher!)

Herr Minister, die Zahlen und Fakten in jedem Bericht bestätigten die Zustände, die der Politik so nicht schmecken konnten. Zumindest waren sie stets eine sehr schwer zu verdauende Kost.

Herr Minister, in dieser Tradition stehend legen Sie nun erstmals einen Sozialbericht vor. Sie haben die wesentlichen – erschütternden – Zahlen schon genannt: 2,57 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen, das heißt jede siebte Person, leben in einkommensarmen Verhältnissen, darunter jedes vierte Kind – Sie haben die Zahl genannt: 815.000 Kinder – und 230.000 Menschen über 65 Jahre. Diese Zahl haben Sie nicht ganz korrekt genannt. Allein diese drei Zahlen schreien nach nachhaltigem politischen Handeln.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das machen wir ja!)

Der Herr Minister erwartet von uns laut der Pressekonferenz und den entsprechenden Sprechzetteln – er hat es heute wiederholt – ein reflexartiges Verhalten, mit dem Ruf nach mehr Geld. Herr Minister, ich empfehle Ihnen, die Pressemitteilungen ganz zu lesen, denn dann würden Sie nämlich sehen, dass dort keine Summe angegeben ist. Aber Sie wollten das hören, und Sie haben anscheinend etwas gelesen, was dort nicht stand.

Ich muss Sie an dieser Stelle enttäuschen! Sie haben das wohl aus der Perspektive Ihres politischen Handelns als Bundestagsabgeordneter betrachtet, denn dort haben Sie in der Tat etwas mit Sozialberichterstattung zu tun, auch – spätestens seit 2001 – mit der Armuts- und Reichtumsberichterstattung. Insofern sind die Armutsrisiken, die Sie hier aufzählen, nicht neu für Sie.

Man kann in einem Protokoll nachlesen, dass Sie genau die Armutsrisiken, die dieser Sozialbericht beschreibt, bereits in einer im Jahr 2001 vor dem Bundestag gehaltenen Rede erwähnt haben. Man muss sich das einmal vergegenwärtigen: Sie ha

ben das beschrieben, bevor Sie die Kompromisse bezüglich des SGB II eingegangen sind. Sie sind diese Kompromisse also in dem Bewusstsein, dass es diese Armutsrisiken gibt, eingegangen. Aber heute kritisieren Sie das alles.

(Zuruf von Minister Karl-Josef Laumann)

Außerdem müssen wir feststellen: Sie behaupten hier ständig, die alte Landesregierung habe nichts getan. Wieso haben Sie denn dann in den letzten zwei Jahren nichts gemacht? Wieso nicht, Herr Minister?

(Beifall von der SPD – Minister Karl-Josef Laumann: Das ist doch eine Gemeinheit!)