Wir handeln dagegen. Das ist heute noch nicht hinreichend zur Sprache gekommen. Vergangenen Dienstag hat das Landeskabinett den Gesetzentwurf des Kinderbildungsgesetzes verabschiedet. Durch dieses Gesetz wird schon im kommenden Jahr die Anzahl der Betreuungsplätze für unter Dreijährige gegenüber dem Stand von heute verdoppelt. Bis zum Jahre 2010 werden für die unter Dreijährigen 90.000 Plätze geschaffen worden sein. Das ist in der Steigerung der Faktor 9. Das ist familienpolitisches Handeln, nicht familienpolitische Show.
Dafür brauchen wir das Engagement des Bundes nicht. Dafür benötigen wir auch keinen Rechtsanspruch. Das können wir auch so, und das unterscheidet uns von Ihnen: Wir brauchen keine Gesetze, sondern wir können ganz konkret handeln und dadurch das tägliche Erleben, die tägliche Lebenswirklichkeit der Familien, der Eltern und Kinder in Nordrhein-Westfalen verbessern.
Gleichwohl werden wir innerhalb der Koalition beratschlagen, ob durch das Engagement des Bundes jetzt eine Platzgarantie nicht doch möglich werden kann. Wir als FDP vertreten die Auffassung, dass wir den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz vom dritten auf den zweiten Geburtstag ab dem Jahr 2010 vorziehen sollten. Diese Platzgarantie gibt Eltern die Gewissheit, dass sie dann, wenn sie und wo sie einen Platz benötigen, sicher sein können, dass es ein solches Angebot gibt.
Die Landesregierung geht in ihren Planungen davon aus, dass wir im Jahr 2010 für 40 % der Zweijährigen einen Platz vorhalten können. So ist das auch etatisiert.
Sachsen-Anhalt hat bereits einen Rechtsanspruch. Dort nehmen 50,4 % der Familien einen solchen Platz in Anspruch. 40 % planen wir, 50 % Rechtsanspruch in Sachsen-Anhalt. Gehen wir von 60 % in Nordrhein-Westfalen aus, die den
Platz auch in Anspruch nehmen würden, dann bräuchten wir über die Planungen der Landesregierung hinaus etwa 30.000 zusätzliche Plätze.
Das Land fördert im Pauschalen-Modell des KiBiz jeden einzelnen Platz mit etwa 3.000 €. Das heißt: Wir haben als Land für die Platzgarantie ab zwei Jahre ein Finanzierungsvolumen von etwa 90 Millionen € zu schultern. Dem stehen aber avisierte Bundesmittel in einer Größenordnung von 800 Millionen € für Nordrhein-Westfalen gegenüber, verteile ich der Einfachheit halber die 4 Milliarden € nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder.
Das bedeutet: Unter der Voraussetzung, dass sich der Bund engagiert – da dürfen wir uns nach der rot-grünen Regierungszeit aber leider nicht sicher sein –, ist die Platzgarantie ohne Belastung des Landeshaushaltes finanzierbar. Unter dieser Voraussetzung werden wir in der Koalition ergebnisoffen und, wie ich hoffe, mit gewisser Sympathie darüber beraten.
Meine Damen und Herren, in Berlin wird gegenwärtig in der großen Koalition auch noch ein weiterer Aspekt diskutiert, zu dem sich die Freien Demokraten positionieren werden. Dabei geht es um die Frage des Betreuungsgeldes. Wir glauben, dass dieses Betreuungsgeld überflüssig wie ein Kropf ist.
Das ist ja auch keine Forderung gewesen, die vordringlich von der CDU vorgebracht worden ist, sondern von ihrer bayrischen Schwesternpartei. Die CDU ist offenbar und Gott sei Dank etwas weiter. Das zeigt sie auch in Nordrhein-Westfalen.
Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass durch Ehegattensplitting, im Übrigen aber auch die beitragsfreie Mitversicherung der Ehefrau in der gesetzlichen Krankenversicherung, das Modell der Einverdienerehe so stark subventioniert wird wie keine andere familienpolitische Leistung, kein anderes Lebensmodell in Deutschland. Deshalb sind wir der Auffassung: Auf dieses Betreuungsgeld sollten wir zugunsten einer weiteren qualitativen wie quantitativen Verbesserung der Kinderbetreuung verzichten.
finanzminister ursprünglich beabsichtigt hatten, den Ausbau der Kinderbetreuung zu finanzieren: nämlich durch eine Reduzierung des Kindergeldes.
Eine Aussetzung weiterer Erhöhungen kommt doch auf dasselbe heraus. Den Familien ist es doch egal, unter welchem Namen Sie ihnen das Geld wegnehmen. Sie wollten durch eine Reduzierung des Kindergeldes gegenfinanzieren. Sie wollten den Eltern in die linke Tasche greifen, um ihnen etwas in die rechte zu schieben. Das ist Ihre soziale Gerechtigkeit.
Wen hätten Sie denn damit getroffen? Hätten Sie damit die Spitzenverdiener getroffen? Nein, Sie hätten den Familien geschadet, die knapp kalkulieren müssen. Das ist Ihre soziale Gerechtigkeit. Deshalb haben Sie hier keinen familienpolitischen Führungsanspruch mehr geltend zu machen. Deshalb sind Sie zu Recht abgewählt worden. – Vielen Dank.
(Carina Gödecke [SPD]: Lassen Sie uns einmal darüber reden, wer dafür verantwort- lich ist, dass in Gelsenkirchen die Kindergar- tenbeiträge steigen!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine Aktuelle Stunde. Wir müssen in der Diskussion darauf achten, dass das keine virtuelle Stunde wird. Dass man über Dinge redet, die im Jahr 2013 einmal passieren sollen, kann man ruhig der Berliner Koalition überlassen. Die haben vielleicht andere Möglichkeiten, zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Wir wollen, dass sich jetzt recht schnell etwas an der Betreuungssituation ändert. Das ist unser Ansatz
Ich will nicht die ganze Leier wiederholen, weil Sie dann immer unruhig werden und wir das oft genug gesagt haben: Wir kommen von einer Ausgangs
position, die schlecht ist. Es ist nicht angenehm, an einem Familiengipfel teilzunehmen und immer wieder gefragt zu werden, warum man auf Platz 16 von 16 Ländern steht.
Aber lassen wir das einmal der Vergangenheit angehören. Wir haben das oft genug erörtert. Fragen wir uns, wie wir von dieser Position wegkommen. Was können wir jetzt ändern, damit wir schneller werden? Die gesamte Diskussion um einen Rechtsanspruch, die auch hier und heute die Debatte geprägt hat, ist eine Scheindebatte. Was hilft Eltern ein Rechtsanspruch im Jahr 2013? Die Kinder, die dann in die Krippe gehen, sind heute noch nicht einmal erdacht geschweige denn geboren. Sie diskutieren über virtuelle Fragen, statt Eltern heute zu helfen.
Deshalb haben wir gesagt: Wir nehmen uns im Koalitionsvertrag als Ziel 20 % bis zum Jahre 2010 vor. Anders als alle anderen deutschen Bundesländer nehmen wir uns das im Übrigen so vor, dass sich das Land mit 30 % an den Kosten beteiligt. Das war einmal anders vorgesehen. Im Tagesausbaubetreuungsgesetz hatte Rot-Grün vorgesehen, die Kommunen müssten das machen. Sie könnten das aus den Gewinnen mit Hartz IV bezahlen. So sah die Rechnung aus: Das Land könnte sich dort völlig heraushalten, Frau Löhrmann. Drei Viertel aller deutschen Länder halten sich an dieser Stelle auch heraus; sie geben vielleicht 10 % Zuschuss. Wir zahlen für jeden Platz 30 % an die Kommunen, weil uns dieses Anliegen wichtig ist.
So wollen wir die 20 % erreichen. Im nächsten Jahr werden wir mit dem neuen Gesetz von 16.000 auf 34.000 Plätze kommen. Diese 18.000 zusätzlichen Plätze helfen Eltern schon im Jahre 2008. Sie helfen ihnen mehr als jeder fiktive Rechtsanspruch, den Sie hier verkünden.
Gestatten Sie mir außerdem einige Bemerkungen zu der Debatte über das Betreuungsgeld. Vor allem den von Frau Löhrmann in ihrer Rede dargestellten Ansatz halte ich für ein wenig verräterisch. Das ist keine Wahlfreiheit. Zu dem durch Ehegattensplitting vorgegebenen und unterstützten Modell sagen Sie
ich habe das mitgeschrieben –: Dieses Familienmodell wollen wir überwinden. Dahinter steht die Idee, dass wir als Politik sagen, wie Familien leben sollen. Und das ist nicht unser Ansatz!
Ich setze mich dafür ein, Wahlfreiheit zu schaffen. Derzeit gibt es keine Wahlfreiheit, weil wir zu wenige Betreuungsplätze haben. Bis zu diesem Punkt sind wir einig. Wenn Eltern im 21. Jahrhundert entscheiden, dass jemand Familienarbeit leisten will, brauchen wir keine Politiker, die dieses Familienmodell überwinden, sondern Politiker, die ihnen diese Freiheit geben. So weit ist die gesellschaftspolitische Debatte heute.
Nun ist die Frage, was diesbezüglich vereinbart ist. An dieser Stelle ist die Koalition in Berlin in der Tat eigenartig. Herr Stoiber und Herr Beck stehen wie die begossenen Pudel unter dem Regenschirm und erklären der deutschen Öffentlichkeit, was denn gerade in der Koalitionsrunde vereinbart wurde. Beide sagen unter anderem, man habe das Betreuungsgeld vereinbart.
Liebe Frau Kraft, wenn es sich dabei um einen solchen Unsinn handelt, wie Sie hier dargestellt haben, hätte die SPD als Koalitionspartner sagen müssen: Wir prüfen das erst gar nicht; denn es ist familienpolitisch falsch. – Sie haben es aber geprüft. Sie haben sogar einen Zeitpunkt genannt, wann es kommen soll. Insofern sind Sie mit in der Haftung dafür, dass jetzt über dieses Geld gesprochen wird.
Ich sage nur: Es ist die falsche Prioritätensetzung. Wir müssen auch Familienarbeit mittelfristig wieder stärker anerkennen. In den 80er-Jahren gab es einmal die von Heiner Geißler und Rita Süssmuth eingeführte Errungenschaft, dass man wirklich wählen konnte.
Bei dem vielen Geld, das wir jetzt dringend brauchen, liegt die Priorität heute auf der Schaffung von Plätzen für unter Dreijährige. Insofern kann man im Jahr 2013 über eine Verlängerung des Elterngeldes und über andere Formen der Anerkennung von Familienarbeit nachdenken. Jetzt brauchen wir Krippenplätze für unter Dreijährige. Alles Geld, das wir haben, müssen wir für diese Priorität einsetzen.