Die Landesregierung muss sich so in die bundesweite Diskussion um die Neugestaltung des Gentechnikrechts einmischen, dass die strengen Vorgaben erhalten bleiben und gegebenenfalls noch verstärkt werden. Die Möglichkeit muss eröffnet werden, tatsächlich gentechnikfreie Zonen auszuweisen, die sich vielleicht sogar auf ganze Bundesländer erstrecken.
Diese Aufgabe, meine Damen und Herren, liegt jetzt vor uns. Dies ist die Chance für NordrheinWestfalen, und diese Chance muss die Landesregierung jetzt ergreifen. Wenn diese Aktuelle Stunde dazu einen kleinen, aber wesentlichen Beitrag liefern würde – das würden wir uns zumindest wünschen –, hätten wir unsere Zeit heute Morgen nicht vertan. – Herzlichen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lassen Sie mich heute Morgen einmal den Versuch unternehmen, bei der Diskussion, die Herr Remmel gerade begonnen hat, Gesichtspunkte von Sommersprossen zu trennen. Dazu müssen wir ein bisschen in die wissenschaftliche Diskussion einsteigen. Man sollte eben nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern ein bisschen tiefer.
Die augenblickliche Diskussion um die Gentechnik zeigt sich alleine schon in der Semantik bzw. im Wortgebrauch: Der eine spricht von „gentechnisch manipuliert“, von „mit GVO kontaminiert“, der andere spricht von „gentechnisch optimiert“ oder „ungewollten Verunreinigungen“. Beide Male ist das Gleiche gemeint. Vielleicht sage ich dem Verbraucher, der jetzt zuhört, dass er aufpassen muss, sich nicht alleine schon durch den Wortgebrauch in eine Situation bringen zu lassen, die ihn emotional in eine falsche Richtung schickt.
In Borken gibt es den Versuchsanbau und eine Wertprüfung, in der Nähe von Köln ebenfalls. MON810 wird gestoppt, weil der Mindestabstand nicht eingehalten ist. Sie finden mich an Ihrer Seite: Wenn gesetzliche Vorschriften oder angedachte gesetzliche Vorschriften nicht eingehalten werden, finde ich auch, dass das eingehalten werden muss, und möchte, dass das regelkonform geschieht. Ansonsten riskieren wir ein Ziel, das wir haben, nämlich die friedliche Koexistenz von gentechnischem Anbau, den wir vielleicht für die Zukunft brauchen, und dem nicht gentechnischen Anbau. Das Zusammenleben ist also gefragt. Dazu gehört auch eine gewisse Toleranz.
Ich liebe es, in Beispielen zu sprechen. Herr Remmel, vielleicht hören Sie zu; das Beispiel könnte Sie persönlich betreffen. Nulltoleranz widerspricht sich vom Wort her. Es braucht einen Augenblick, bis sich das gesetzt hat. Ich will Ihnen das einmal erklären: Auch Sie haben sicherlich einen Lebenspartner, mit dem Sie vielleicht die Nacht im selben Zimmer verbringen. Das ist meist durchaus sehr angenehm. Aber Sie müssen akzeptieren, dass dieser Partner in der Nacht eine gewisse Ausscheidung von sich gibt. Trotzdem akzeptieren Sie das.
Damit will ich nur sagen: Eine gewisse Akzeptanz in der Toleranz für bestimmte Dinge müssen Sie haben. Jetzt vollziehe ich dieses Beispiel einmal mit Blick auf die Gentechnik.
Hören Sie einmal zu! Es geht darum, ob es eine Nulltoleranz auch bei der Gentechnik gibt. Das ist doch das, was Sie fordern. Diese Nulltoleranz gibt es aber nicht. Könnten und würden wir die Toleranz- und Schwellenwerte einhalten, so lägen diese bei 0,9 % und 0,1 %. Dann wäre das möglich.
Jetzt komme ich zum Faktum MON810. Es geht um den Bt-Mais, den Bacillus thuringiensis. Übrigens ist dieser Bacillus thuringiensis seit über 20 Jahren als ökologische Maßnahme gegen den Maiszünsler und den Maiswurzelbohrer zugelassen. Auch in ökologischen Betrieben werden Tüten mit dem Bacillus thuringiensis per Hand in
Maisbeständen ausgehängt, damit der Maiswurzelbohrer und der Maiszünsler nicht aktiv werden können. Wenn Sie von „Toxizität“ sprechen, müssen Sie das natürlich auch auf diesen Bereich übertragen.
Sie müssen sich mit der Materie schon beschäftigen. An der Oberfläche zu kratzen reicht nicht. – Beim MON810 geht es um eben diese Resistenz. Die erste Zulassung ist im Jahre 1998 durch die EU erfolgt und wurde anschließend von uns in Deutschland akzeptiert. Der Antrag auf Erneuerung der Zulassung, der jetzt gestellt worden ist, umfasst unter anderem einen Monitoringplan zur Beobachtung erwarteter oder unerwarteter Umweltauswirkungen, der den Erfordernissen der Verordnung in vollem Umfang entspricht.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit prüft den Antrag derzeit auf europäischer Ebene. Nichtsdestotrotz hat das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Bescheid erlassen, diese Zulassung für Deutschland zunächst einzugrenzen.
Das ist auch erfolgt. Warum? – Vermutlich geht es dort um den Eintrag in Honig, über den man sich uneinig ist. Denn parallel dazu gibt es drei Gerichtsverfahren in Deutschland, in denen drei Imker aus unterschiedlichen Regionen beklagen, dass wir Einträge von MON810 – gentechnisch veränderte Organismen – im Honig oder in Pollen haben.
Nur sind die Gerichte unterschiedlicher Auffassung: Während ein Gericht in Augsburg sich gegen die herrschende Meinung des Europäischen Gerichtshofs und der bisherigen Zulassungsbehörden ausspricht und das Urteil erlassen hat, dass man den Mais dort nicht zur Blüte gelangen lassen darf, haben andere Gerichte in Leipzig und in Frankfurt/Oder das bei dem gleichen Hintergrund abgelehnt. Übrigens ist das Urteil in Augsburg noch nicht rechtskräftig.
Die Frage stellt sich: Wohin wollen wir angesichts dieser Sachlage eigentlich hin? – Übrigens gibt es in der Wissenschaft mittlerweile die fast einhellige Argumentation, dass dieser Pollen seine Lebensfähigkeit und damit seine Zweckbestimmung, nämlich die Fertilität, verloren hat, sobald er im Honig ist. Er ist weder vermehrungsfähig noch ist er in der Lage, Erbgut an andere Lebewesen weiterzugeben. Damit erfüllt er nicht mehr die in der
Freisetzungsrichtlinie nach dem Gentechnikgesetz definierten Kriterien eines Organismus. Insofern gehen diese Dinge fehl.
Die argumentative Grundlage für das BVL ist die Entscheidung, dass es angeblich neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt. Das Problem dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse ist aber, dass es ihnen an jeglicher experimenteller Wiederholbarkeit mangelt und diese Dinge damit eigentlich nicht wissenschaftlich sind.
Ich versuche einmal, das Ganze zusammenzufassen: Das Ziel dieses Antrages ist, eine gentechnikfreie Zone in Mitteldeutschland oder in Nordrhein-Westfalen oder in der Mitte von Deutschland zu erreichen. Ich glaube, dieses Ziel geht fehl, denn auf Dauer werden wir dies nicht durchhalten können, da die Welt an uns vorbeirast, zumindest für fünf Jahre. Nach einem Moratorium zwischen 1992 und 2002 verlangen Sie jetzt zum Teil ein weiteres fünfjähriges Moratorium. Im Übrigen gibt es keinen direkten flächendeckenden Anbau von Bt-Mais in NordrheinWestfalen, weil wir klimatisch bedingt keinen Befall durch Maiszünsler haben.
Herr Remmel, lassen Sie sich eines sagen: Es ist auch in Zukunft sicherlich das größere Risiko im Leben, ohne jegliches Risiko leben zu wollen. Das ist in dieser Welt nicht möglich. Lassen Sie mich zum Schluss Theodor Fontane zitieren: „Leicht zu leben ohne Leichtsinn, heiter zu sein ohne Ausgelassenheit, Mut zu haben ohne Übermut, das ist die Kunst des Lebens!“ Ich glaube, das beherrschen Sie noch nicht. – Danke.
Meine Damen und Herren! Wir müssen uns heute wieder einmal mit einem Thema beschäftigen, das sowohl für die Verbraucher als auch für die Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen sehr wichtig ist. Im Auftrag des Konzerns Monsanto experimentiert die Landwirtschaftskammer auf Versuchsfeldern in NRW mit genetisch veränderten Organismen. Das ist unter anderem in Borken so. Es geht um den Mais MON810.
Was ist das für ein Mais? – Dieser Mais produziert ein spezielles Gift, das durch eine genetische Veränderung in der Pflanze entsteht, für Schädlinge tödlich ist und dessen Wirkung wohl unklarer ist, als in der Öffentlichkeit bisher verbreitet wur
de. Wenn wir einen Verbraucherschutzminister in Nordrhein-Westfalen hätten, hätte er sich schon längst um dieses für die Verbraucher wichtige Thema gekümmert.
Aber, Herr Minister Uhlenberg, Sie schweigen, von Ihnen gibt es keine Position. So kann man mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Nordrhein-Westfalen und mit der Umwelt nicht umgehen.
Erstens: Sie reden in Ihrem Arbeitsprogramm „Vitales NRW“ davon, dass Sie die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen gewährleisten wollen. Wenn es aber konkret wird, dann kneifen Sie. Am 27. April hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit angeordnet, dass die erteilte Genehmigung, diesen MonsantoMais in den Verkehr zu bringen, bis auf Weiteres ruht. Das Bundesamt hat das aus guten Gründen getan; Johannes Remmel ist eben schon darauf eingegangen.
Die europäische Ebene sagt: Das sind Richtlinien. Monsanto sagt: Dem kommen wir nicht nach, das machen wir nicht. – Der Bescheid ist eindeutig. Das Bundesministerium hat uns mitgeteilt, dass es eine berechtigte Annahme gibt, dass der Anbau von Monsanto eine Gefahr für die Umwelt darstellt, und Sie handeln nicht. Wenn das selbst Ihrem Parteifreund Seehofer zu weit geht, sollten auch Sie Ihren Teil dazu beitragen, dass die Umwelt und die Verbraucher in Nordrhein-Westfalen geschützt werden. Seit vier Wochen gibt es die Anweisung, diesen Mais zu entfernen, zu vernichten, und Sie tun nichts!
Mein zweites Argument: Sie reden von Koexistenz und wissen noch nicht einmal, welche Gefahren von der Freisetzung dieser gentechnisch veränderten Pflanzen ausgehen. Sie setzen Pflanzen in die Umwelt und wissen nicht, was damit passiert. Wir wissen inzwischen aus zahlreichen Studien – auch das Bundesamt für Verbraucherschutz verweist auf neue Studien –, dass Genmais negative Auswirkungen auf Organismen hat. Wir wissen das inzwischen ganz genau von Fliegen, Wespen, Spinnen und Schmetterlingen; wir wissen aber noch nicht, welche Auswirkungen es auf die Menschen hat.
Monsanto nimmt das alles billigend in Kauf, will weiter forschen und weitermachen, da sie viel Geld investiert haben. Sie, Herr Minister Uhlenberg, hindern sie in Nordrhein-Westfalen nicht
daran. Sie tun nichts für die Verbraucher und die Umwelt. Ich mache mir große Sorgen darüber. Was passiert für uns in NRW? Seehofer engagiert sich, und Sie setzen es nicht um. So kann man doch nicht Politik machen!
Ich mache mir auch große Sorgen, wenn ich mir die Studien, die jetzt im Umlauf sind, genauer ansehe. Greenpeace hat zum Beispiel festgestellt, dass der Giftanteil in den Pflanzen massiv schwankt. Das sagen uns nicht nur Umweltschützer, sondern auch Wissenschaftler aus BadenWürttemberg und viele andere. Was bedeutet es, wenn der Giftanteil in einer Pflanze massiv schwankt? Was bedeutet das für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die das am Ende zu sich nehmen sollen? So kann man doch mit den Menschen in Nordrhein-Westfalen nicht umgehen.
Das Verwaltungsgericht in Augsburg ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Maissorte nicht mehr angebaut werden soll. Jetzt müssen Sie in Nordrhein-Westfalen handeln.
Mein drittes Argument: Es gibt seit vier Wochen die Anordnung einer Bundesbehörde. Sie, Herr Minister Uhlenberg, schweigen und sorgen nicht dafür, dass sie umgesetzt wird. So kann es in Nordrhein-Westfalen nicht laufen. Sie sagen dem Bürger nichts, sondern man muss Sie schon wieder im Parlament dazu zwingen, endlich Farbe zu bekennen und Rede und Antwort zu stehen! Allein das ist schon ein Skandal.
Sie kümmern sich nicht um das Thema, Sie schweigen wieder. Wie stellen Sie sicher, dass der Mais wirklich untergepflügt oder entfernt wird? Wie wollen Sie in Zukunft sicherstellen, dass das keine Auswirkungen auf die Umwelt und die Verbraucherinnen und Verbraucher in NordrheinWestfalen hat? Das ist alles völlig unklar.
Eine Journalistin aus meiner Region hat bei Ihnen einmal nachgefragt, ob das Verbraucherministerium in Nordrhein-Westfalen dafür zuständig ist. Daraufhin bekam sie die Antwort: Wir sind im Prinzip zuständig, aber die ausführende Behörde ist die Bezirksregierung. Bei der Bezirksregierung wurde ihr allerdings gesagt: Nicht wir sind zuständig, sondern das Landesministerium ist zuständig.