Protocol of the Session on May 4, 2007

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Jahrelang waren die von Ihnen eingebrachten Haushalte von Anfang an verlogen. Jahrelang haben Sie Kängurupolitik betrieben nach dem Motto: Nichts im Beutel, aber große Sprünge wollen wir schon machen.

(Beifall von der CDU – Martin Börschel [SPD]: Sie sitzen doch auf einer kw-Stelle, Herr Weisbrich!)

Erinnern Sie sich: Selbst 2006 noch wollten Sie die Gestaltungsfähigkeit des Gesetzgebers mit Luftnummern auf der Einnahmenseite in Höhe von mehr als 500 Millionen € aufbessern.

(Hannelore Kraft [SPD]: Sie legen Spar- strümpfe an!)

Wenn ich im Lichte dieses Urteils an die Diskussion im Finanzausschuss denke, dann dreht sich mir heute noch der Magen um. Mit Engelszungen haben wir seinerzeit versucht, Ihnen klarzumachen, dass man Leistungen nicht versprechen darf, wenn man kein Geld hat. Frau Altenkamp ist leider nicht mehr da. Sie sollte sich am besten an die Diskussionen um den Landesjugendplan und um die Förderung von Kindertagesstätten erinnern.

(Hannelore Kraft [SPD]: Sie haben den Lan- desjugendplan versprochen!)

Wir haben gesagt: So geht das nicht. Man darf nichts versprechen, wenn man kein Geld hat.

(Hannelore Kraft [SPD]: Geschichtsklitte- rung!)

Mit Schaum vor dem Mund haben Sie reagiert wie einst die Grünen: Strom kommt aus der Steckdose, Geld kommt von der Bank. Das ist schon immer so gewesen!

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Frau Kraft, wir nehmen zur Kenntnis, dass der Verfassungsgerichtshof die Überschreitung der Regelkreditgrenze an strengste Voraussetzungen knüpft: Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts oder Beseitigung unvorhersehbarer Katastrophenschäden. Ihre Finanzpolitik war kein unvorhersehbarer Katastrophenschaden, es war nur ein Katastrophenschaden. Es mangelt an dem Unvorhersehbaren.

Meine Damen und Herren, und das bestärkt den Finanzminister und auch die Koalitionsfraktionen in ihrem strikten Konsolidierungskurs. Herr Dr. Linssen hat ihn vorgetragen. Wir haben die Verfassungsmäßigkeit, anders als Sie in den vergangenen Jahren, als das Verfassungsgericht Ihre Haushaltspolitik moniert hat, längst wieder hergestellt, weil wir den Mut hatten, Begehrlichkeiten, die von Ihnen geweckt wurden, flächendeckend zurückzuweisen. Kommen Sie uns ja nicht noch einmal mit der Forderung nach ungedeckten Schecks! Wir werden so etwas nicht ausstellen.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Wir ziehen aus dem Urteil eine weitere Lehre: Keynes funktioniert nicht unter allen politischen Konstellationen. Die volkswirtschaftlich orientierte Steuerung des Gesamthaushalts scheitert an der menschlichen Psyche, genauer gesagt, am sozialistischen Hang zu verteilen, was gar nicht erwirtschaftet ist. Im Hinblick auf das Bemühen, die Staatsverschuldung künftig wirksam zu bekämpfen, werden wir deshalb prüfen müssen, ob wir nicht wieder zum objektbezogenen Deckungsgrundsatz des alten Art. 83 der Landesverfassung zurückkehren, nach dem Kredite nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Investitionen aufgenommen werden dürfen. Hätten Sie das beachtet, würden wir heute nicht in der Misere stecken, in der wir uns befinden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Doch, eine persönliche Erklärung von Herrn Sagel!)

Doch. Das hatten Sie mir nicht gesagt, Herr Kollege. Ich wäre dankbar, wenn ich ab und zu einen Hinweis bekäme. – Herr Sagel, Sie haben das Wort nur zu einer persönlichen Erklärung. Bitte schön.

Ich möchte in einer kurzen persönlichen Erklärung dazu Stellung nehmen, was Kollege Weisbrich gerade über mich gesagt hat. Ich habe in meinem Büro gerade eingeben lassen „Sagel und Sachverstand“: 221 Einträge, „Weisbrich und Sachverstand“: 187 Einträge.

(Heiterkeit – Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, damit schließen wir die Debatte ab.

(Erhebliche Unruhe)

Manchmal hat man den Eindruck, dass die Tatsache, dass wir Vollmond haben, auch auf dieses Plenum abfärbt.

(Beifall von CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, die Debatte können Sie an anderer Stelle fortsetzen.

Ich rufe den nächsten Tagesordnungspunkt auf:

2 Bildungsreform konsequent weiterführen – Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Schulabschlüssen steigern!

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/4245

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion dem Abgeordneten Recker das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte diese Debatte mit einer persönlichen Anmerkung beginnen. Ich bin in der Nachkriegszeit aufgewachsen, in einer Zeit, als die finanzielle und materielle Situation in vielen Häusern, auch in meinem Elternhaus, äußerst dramatisch war.

Nach dem Tod meines Vaters lebten wir mit einer Rente von unter 200 DM pro Monat. Das bedeutete, dass sich alle extrem einschränken mussten. Finanzielle Unterstützung während der Schulzeit oder des Studiums gab es nicht. Auch von BAföG als Unterstützung war noch lange nicht die Rede. Das kam später.

Meine Damen und Herren, eines hat mir mein Elternhaus ermöglicht, nämlich den Weg zu einem qualifizierten Schulabschluss einzuschlagen. Es war eine verdammt harte Zeit. Aber diese Möglichkeit, einen qualifizierten Schulabschluss zu erwerben, ist ein so hohes Kapital, das man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Für viele junge Menschen ist es die entscheidende Chance für ihr ganzes Leben, gerade für die jungen Menschen, die unter schwierigen Bedingungen ihre Kinder- und Jugendzeit erleben müssen.

Meine Damen und Herren, das Erschütternde an den PISA-Berichten war, dass fast 25 % der getesteten jungen Menschen im Alter von 15 Jahren nicht ausbildungsfähig sind. Da sind Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit vorprogrammiert.

Fakt ist: In Nordrhein-Westfalen lag der Anteil der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss auf einem konstant hohen Niveau. Waren es im Jahre 1995 noch 10.500 Schüler ohne Hauptschulabschluss, so waren es im Jahre 2005 sogar 14.691, meine Damen und Herren: in zehn Jahren ein Plus von fast 40 %. Hinter jeder dieser Zahlen steht ein Einzelschicksal.

Meine Damen und Herren, ich frage: Trug da nicht eine Landesregierung die Verantwortung, die den

Menschen immer wieder erzählt hat, dass sie mit ihrer Bildungspolitik auf einem guten Weg gewesen sei? Übrigens ist für mich der eigentliche Skandal in der Bildungspolitik der letzten Jahrzehnte die Tatsache, dass Sie Tausende von Jugendlichen in die Perspektivlosigkeit entlassen haben.

(Beifall von der CDU – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Der Skandal ist, dass Sie die Wahrheit nicht wahrhaben wollen!)

Wir alle wissen: Unsere junge Menschen sind mindestens genauso begabt wie die in anderen Ländern und unsere Kolleginnen und Kollegen genauso engagiert. Also muss es Rahmenbedingungen geben, die die Politik gewährt oder nicht gewährt hat.

Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel nennen: Im Jahre 2003 hat Frau Schäfer als Ministerin in einer Pressemitteilung zum damaligen Schulrechtsänderungsgesetz erklärt, dass es nun sogenannte Lern- und Förderempfehlungen geben solle. Nun, wir hatten Konsens darüber, dass das gut und wichtig ist.

Das Problem ist allerdings, dass es eine reine Ankündigungs- und Symbolpolitik war. Nicht eine zusätzliche Lehrerstelle haben Sie damals dafür zur Verfügung gestellt. Nicht eine Stelle in Ihrem gescheiterten Stufenplan „Verlässliche Schule“ war für die notwendige individuelle Förderung da.

Der VBE hat es damals zutreffend beschrieben: „Das setzt voraus, dass die Schulen personell in die Lage versetzt werden, entsprechende Förderangebote einzurichten.“ – Genau das haben Sie nicht getan.

Wir alle wissen, dass jeder Jugendliche ohne Schulabschluss nicht nur ein Einzelschicksal ist. Vielmehr wissen wir, dass die sozialen Sicherungssysteme in einem Maße belastet werden, das einfach nicht mehr verkraftbar ist.

Dieses können und wollen wir nicht mehr zulassen, meine Damen und Herren. Wir stellen uns dieser Herausforderung, und wir haben seit diesem Schuljahr endlich ein Schulgesetz auf den Weg gebracht, welches eine Antwort auf diese drängenden Fragen gibt. Wir haben seit 2005 eine Landesregierung, die Bildungspolitik eben nicht als Experimentierfeld, sondern als klare Priorität ihrer Arbeit ansieht.

Wenn es eine Lehre aus PISA gibt, dann ist es doch diese: Wir müssen die individuelle Förderung verbessern und die Qualität von Unterricht steigern.

Was aber machen Sie, meine Damen und Herren? – Sie verfallen wieder einmal in unselige Strukturdebatten. Mehr fällt Ihnen leider nicht ein.

(Beifall von der CDU)

Sie wollen Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und vielleicht sogar Gesamtschulen abschaffen und eine sogenannte Gemeinschaftsschule, also eine „Lernfabrik von morgen“, etablieren.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, nehmen Sie doch zur Kenntnis, dass gerade nicht so begabte junge Menschen die individuelle Förderung benötigen. Gerade sie brauchen ein überschaubares, auf die Begabung der Kinder ausgerichtetes System. Sie brauchen kein Massensystem. Denn da gehen sie unter.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)