Frau Walsken, die Erblastdebatte ist damit nicht beendet. Sie wird nicht enden, weil jeder in diesem Land weiß, dass Sie uns eine Erblast von 112 Milliarden € Schulden hinterlassen haben.
Diese Erblast, meine Damen und Herren, hat es in tatsächlicher Hinsicht unmöglich gemacht, die Verfassungsgrenze für die Nettokreditaufnahme einzuhalten.
Hätten die Regierungen der Vergangenheit die Buchstaben der Verfassung zu ihrer Zeit beherzigt und nach den Grundsätzen gehandelt, die der
Verfassungsgerichtshof jetzt noch einmal bestätigt hat, dann wäre diese Situation gar nicht eingetreten.
(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Was Sie hier demonstrie- ren, ist Ignoranz gegenüber dem Verfas- sungsgericht!)
Frau Walsken, zitieren Sie bitte nicht nur Überschriften. Gerade die von Ihnen zitierte „Westfalenpost“ schreibt in ihrem Kommentar:
„Auch Rot-Grün hatte seit 2001 ununterbrochen die Verfassungsgrenze in NRW gebrochen. Deshalb fühlen sich manche an den Ruf des Brandstifters nach der Feuerwehr erinnert,“
„wenn die Opposition heute Linssens Verfassungsbruch geißelt. Die Etat-Tricks früherer SPD-Finanzminister waren auch kein Ruhmesblatt für praktizierte Verfassungstreue.“
Insofern trifft der Fall, den das Verfassungsgericht benennt, genau auf unsere Lage im Jahre 2005 zu – ich darf zitieren –, dass
„die neue Landesregierung sich aufgrund der vorgefundenen Haushaltssituation nicht in der Lage sieht, die von ihr als zwingend notwendig erachteten Ausgaben ohne Überschreitung der Kreditgrenze zu tätigen.“
„jeder neugewählte Haushaltsgesetzgeber mit der Notwendigkeit konfrontiert ist, von den jeweils konkret für ihn gegebenen Bedingungen auszugehen und sein Handeln danach auszurichten. Dies muss selbst dann gelten, wenn ein neugewählter Haushaltsgesetzgeber eine Haushaltssituation vorfindet, die ihm keinen finanziellen Gestaltungsspielraum lässt.“
Genau in dieser Situation haben wir uns gesehen. Genau mit dieser Lage mussten wir umgehen. Genau unter diesen Voraussetzungen haben wir unsere tatsächlichen Entscheidungen getroffen.
Die Bestandsaufnahme hat allerdings ergeben, dass wir den erheblichen Korrekturbedarf von 2,2 Milliarden € – Sie haben richtig gehört – im laufenden Haushaltsjahr nicht einfach auffangen konnten. Schließlich war das Jahr 2005 bereits weit fortgeschritten. Daher sahen wir uns schlicht außerstande, mit unmittelbar wirkenden Maßnahmen die Kreditverfassungsgrenze einzuhalten. Gleichwohl haben wir sofort mit dem Sanierungspfad ein aktives Konsolidierungsprogramm aufgesetzt. Es ist ja unbestritten: Die ganze Bevölkerung weiß, dass wir endlich konsolidieren, dass wir endlich solide Finanzen im Lande befürworten.
Ich komme zum Schluss. – Heute ist der Landeshaushalt durch die daraus resultierenden Maßnahmen, die Sparmaßnahmen, die Sie in diesem Plenum immer vehement bekämpft haben, und natürlich auch durch die konjunkturellen Impulse in einer deutlich besseren Verfassung als im Jahr 2005. Es ist uns gelungen, die Landesfinanzen wieder auf den richtigen Kurs zu bringen.
Diesen werden wir fortsetzen, um dauerhaft solide Landesfinanzen an die kommenden Generationen weiterzureichen. Die Notwendigkeit dazu hat der Verfassungsgerichtshof einmal mehr unterstrichen. Das begrüßen wir, und so handeln wir.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Linssen, der ehrbare Kaufmann hätte sich wahrscheinlich als Allererstes in aller Ausdrücklichkeit entschuldigt.
Der hätte hier wahrscheinlich mit roten Ohren gestanden, wenn ein Verfassungsgericht seinen Haushalt für nichtig erklärt hätte. Und was machen Sie? Sie treten hier unisono mit Ihren Fraktionen auf und meinen, diese Tatbestände mit Angriffen überdecken zu können.
Herr Weisbrich, das wird für Sie jetzt eine Lehrstunde. Passen Sie gut auf! – Blicken wir doch einmal zurück. Am 26. Oktober 2005 wurde hier im Saal Parlamentsgeschichte geschrieben. Es wurde nämlich dieses Denkmal enthüllt.
Der im Vorfeld als „eiserner Helmut“ gefeierte Finanzminister wurde nun endgültig auf den Sockel des ehrbaren Kaufmanns gehoben. Bei der Einbringung des zweiten Nachtragshaushaltes wurde seitens der Regierungsfraktionen in höchsten Tönen vom Finanzminister gesprochen. Beispielsweise Herr Stahl kommentierte Ihre Rede wie folgt:
Aber dem nicht genug: Der Finanzminister selbst kam mit einem großen Sack von Epauletten hier hin und heftete sie sich ans Revers, indem er mit Begriffen hantierte wie: Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, klare und übersichtliche Bilanz, Offenheit und Transparenz.
Und dann kam Münster. Mit einem einzigen, einem vollkommen nüchternen, emotionslosen Satz wurde dieses Denkmal abgeräumt: Art. 1 Nr. 2 des Nachtragshaushaltes 2005 verstößt gegen die Verfassung Nordrhein-Westfalens und ist nichtig. – Peng!
Es handelte sich also wohl weniger um Ehre als vielmehr um Chuzpe. Muss nicht die Vermutung aufkommen – auch nachdem Sie diesen Stil meinen jetzt fortsetzen zu können, Herr Linssen –, dass wir es bei diesem Finanzminister mit einem erstklassigen Schönwettersegler zu tun haben,
der mit dem starken Rückenwind von zusätzlichen Steuereinnahmen brilliert und auf dem Baldeneysee seine Kurven segelt, bei dem man aber schon jetzt, vor allem nach dieser Art und Weise der
Haushaltsführung, Angst haben muss, dass Gegenwind aufkommt, dass Wolken kommen und der lang erwartete Regen fällt? Was machen Sie denn dann?
Die damaligen Erwartungen an den zweiten Nachtragshaushalt waren immens, denn alle warteten darauf: die Presse, die Öffentlichkeit. Über Wochen und Monate war die Stange, wie Sie jetzt Haushaltspolitik machen, immer höher gelegt worden. Jeder erwartete nun: Die werden sich anstrengen und in dem zugegebenermaßen schwierigen Dreieck von vorgefundenen fixen Kosten, variablen Kosten – die einerseits politischen Gestaltungswillen nach sich ziehen, andererseits aber auch politische Sensibilitäten verbergen – und Einnahmen endlich einmal zeigen, wie man das macht. – Hinterher guckt man sich um, wie der Sprung war, und stellt fest: Da ist gar keiner angelaufen. Sie sind ganz bequem unter der Stange durchgelaufen, haben sich umgedreht und gesagt: Das habe ich aber toll gemacht. – Das kann jeder, Herr Linssen, das kann wirklich jeder.