Protocol of the Session on May 4, 2007

Ein dritter Punkt ist in diesem Zusammenhang deutlich zu nennen. Sie sagen immer: Die Menschen im Vollzug, die Jugendlichen, müssen mitmachen. Natürlich! Aber jedem Pädagogen, jedem Erzieher wird ständig gesagt: Du musst auch motivieren. – Wir wissen: Es gibt eine Menge Menschen, die erst dazu bewegt werden müssen mitzumachen. Ich kann diese Chance angesichts des Erziehungsgedankens nicht aufgeben, indem ich diejenigen aussortiere, die nicht mitmachen wollen – wie beim sogenannten Chancenvollzug. Das ist ja wie die sogenannte DDR. Das ist gar kein Chancenvollzug, was die Niedersachsen da machen. Ich muss die Möglichkeit der Motivation ausdrücklich mit einbeziehen und kann nicht sagen: Wer von Anfang an nicht mitwirkt, der bekommt die Endstrafe. Das widerspricht dem Erziehungsgedanken.

Dann haben Sie, Frau Düker, sozusagen gesagt: Einverständnis für den geschlossenen Vollzug. Es ist aber auch heute nach dem Erwachsenenstrafvollzugsgesetz so, dass offener Vollzug letztlich nur mit Einverständnis des Gefangenen erfolgen kann. Wenn jemand sich das nicht zutraut, sollte man zumindest überlegen, ob man dann sagt: Aber du gehst jetzt dahin! Das war gemeint. Insofern bitte ich Sie, dies auch als Argument zur Kenntnis zu nehmen.

Zu den Weisungen: Hier sind wir bei Konkretisierung und Transparenz. In einem Gesetz, das sich immerhin mit absoluten Institutionen beschäftigt, in die man nicht ohne Weiteres hineinschaut, muss das Ganze auch konkret bezeichnet werden. Man kann nicht einfach Weisungen erteilen,

sondern muss auch begründen, warum man eine Weisung erteilt.

Heute gibt es schon den klassischen Ansatz, dass jemandem, der Probleme mit Alkohol hat, für seinen Urlaub ein Alkoholverbot ausgesprochen wird. Das halte ich für gerechtfertigt. Dies hat aber auch einen Anhaltspunkt. Dieser Anhaltspunkt muss gegeben sein, um Willkür möglichst zu vermeiden.

In Bezug auf weibliche Gefangene ist inzwischen eine Korrektur erfolgt.

Bezüglich des Besuchsrechts, lieber Herr Giebels, mache ich Sie nur auf die augenblickliche Praxis im Strafvollzug aufmerksam. Schauen Sie sich landauf, landab um. Sehr häufig wird die Mindestbesuchszeit eingeräumt. Es gibt Ausnahmen in beide Richtungen; ich will jetzt nicht alle 37 Anstalten durchgehen.

Neuerdings werden auch Einschränkungen vorgenommen. So sagt man beispielsweise in der JVA Bielefeld-Brackwede I: Wir bekommen weniger Personal; also räumen wir auch geringere Besuchszeiten ein. – Wir haben im Rechtsausschuss darüber gesprochen. Sie, Frau Ministerin, haben uns zugesagt, das zu prüfen; denn daraus ergeben sich möglicherweise auch andere Konsequenzen, die man ebenfalls beachten sollte.

Insofern ist es schon wichtig – das sagt ja auch das Bundesverfassungsgericht –, eine entsprechende Besuchszeit ins Gesetz zu schreiben. Darüber hinaus sollte man Familienbesuche davon ausnehmen, damit der grundgesetzlich garantierte Schutz von Ehe und Familie auch hier seine besondere Berücksichtigung findet.

Herr Giebels, an einer Stelle haben Sie sich auf ganz gefährliches Eis begeben. Der Vollzug entscheidet nicht darüber, ob man Kinder vor ihren Eltern schützen muss oder nicht. Das ist nach Bundesrecht Aufgabe des Jugendamtes. So sollte es auch bleiben. Darauf müssen wir achten. In diesem Zusammenhang muss man – das ist auch ganz wichtig – schon während des Vollzugs zur Vorbereitung auf die Entlassung mit dem Jugendamt zusammenarbeiten.

Damit habe ich in der Hälfte der Zeit sehr wesentliche Punkte angesprochen. Wir werden im Ausschuss darüber reden, sehen aber schon jetzt, dass es grundlegende Unterschiede zwischen Konservativ-Gelb und uns gibt. – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Sichau. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Dr. Orth das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Der Strafvollzug, insbesondere der Jugendstrafvollzug, hat uns in der letzten Zeit recht häufig beschäftigt.

Frau Kollegin Düker, Ihren Gesetzentwurf kann man mit zwei Worten beschreiben: zum einen „große Fleißarbeit“ und zum anderen „große Regelungswut“. Mit diesem Entwurf verfolgen Sie sicher ein hehres Ziel, treffen die Realität im Vollzug aber nicht ganz. Denken Sie einmal daran, wer denn in den Gefängnissen einsitzt. Das sind ja nicht die Jungs, die irgendeiner CDU-Wählerin auf die roten Schuhe getreten haben und wegen Herrn Wüst dafür ins Gefängnis müssen,

(Heiterkeit von der CDU)

sondern eher diejenigen, die wirklich etwas Hartes hinter sich haben. Wenn man Ihren Gesetzentwurf liest, bekommt man allerdings ein wenig den Eindruck, dass Sie damit im Kern einen Hotelbetrieb ins Leben rufen wollen.

(Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

In dem von uns vorgesehenen Gesetzentwurf haben wir uns ganz klar zum offenen Vollzug bekannt. Wir haben aber deutlich gesagt, dass wir den offenen Vollzug dort wollen, wo die Menschen dafür geeignet sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass diejenigen, die ungeeignet sind, weiterhin im geschlossenen Vollzug bleiben.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP] – Monika Dü- ker [GRÜNE]: Das steht doch in unserem Gesetzentwurf!)

Sie tun aber immer so, als wollten wir den offenen Vollzug infrage stellen. Ich habe das Gefühl, dass Sie draußen den Eindruck vermitteln wollen, wir wollten alle einsperren und Sie ließen alle raus. Das ist die falsche Botschaft, Frau Düker.

Das ist auch die falsche Botschaft an diejenigen, die vom Vollzug persönlich betroffen sind. Vollzug hat doch auch die Aufgabe der Abschreckung vor einem Gefängnisaufenthalt. Ich bin dafür, dass die Allgemeinheit auch gerade durch den Abschreckungsgesichtspunkt geschützt wird.

Daneben möchte ich diejenigen, die sich im Vollzug befinden, entsprechend ausbilden sowie ihre Persönlichkeit fördern und entwickeln, damit sie hinterher besser herauskommen, als sie hineingegangen sind.

(Beifall von FDP und CDU)

Wenn der Gesetzentwurf der Landesregierung in die Realität umgesetzt wird, werden wir sehen, dass gerade dieser Schwerpunkt auf Ausbildung und Erziehung in Zukunft Früchte tragen wird. An dieser Stelle haben Sie in den vergangenen Jahren viel zu wenig getan. Rot-Grün hat die Leute einfach nur weggesperrt. Rot-Grün hat eben nichts geändert.

Rot-Grün hat auch nicht die Besuchszeiten ausgeweitet. Das wollen wir jetzt tun. Es hilft doch nicht, wenn Sie an dieser Stelle von starren acht Stunden – oder wie vielen Stunden auch immer – reden. Wichtig ist, dass die jungen Menschen zukünftig am Wochenende mehr Sport machen und dass sie auch mehr Besuch empfangen. Das alles müssen wir angehen. Dabei hilft aber kein Dirigismus mit einer Stechuhr, den Sie in Ihrem Gesetzentwurf verbreiten wollen. Das ist jedenfalls nicht unsere Vorstellung von einem modernen Vollzug.

(Beifall von FDP und CDU)

In Bezug auf Siegburg müssen wir zugeben, dass alle vier Fraktionen des Landtags in der Vergangenheit nicht genug auf die Unterbringung der jungen Menschen geachtet haben. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir – jedenfalls die Regierungsfraktionen – zukünftig eine Einzelunterbringung vorsehen wollen.

Frau Düker, wenn Sie die Presse aufmerksam gelesen hätten, hätten Sie festgestellt, dass wir in den nächsten Jahren 200 Millionen € in den Strafvollzug bzw. in Gebäude investieren. Vor diesem Hintergrund davon zu sprechen, dass wir nur redeten und nichts täten, ist einfach zu kurz gesprungen. Wir investieren unglaublich viele Mittel.

(Monika Düker [GRÜNE]: Personal!)

Es ist doch klar, dass in den neu geschaffenen Gebäuden nicht nur Gefangene sein können und wir dabei auch an das Personal denken müssen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das steht aber nicht in Ihrem Gesetzentwurf!)

Mit der Zeit wird sich sicherlich zeigen – dieser Punkt ist uns Liberalen übrigens vielleicht ein bisschen wichtiger als den Christdemokraten –, dass wir das notwendige weitere Personal nicht ausschließlich aus dem öffentlichen Bereich rekrutieren können und bei Drogentherapie, Ärzten, Fahrern und Küchen viel stärker als bisher auf die Dienste Privater zurückgreifen müssen. Das werden wir in der praktischen Umsetzung des Gesetzes sehen. Ich jedenfalls freue mich auf die De

batte im Ausschuss und wünsche mit, dass wir dann die Debatte verbunden mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung fortführen können. Insofern, Frau Düker, herzlichen Dank für Ihren Fleiß, ich teile Ihre Auffassung aber nicht ganz.

Herr Kollege, es gibt noch eine Zwischenfrage. Möchten Sie diese zulassen?

Nein, wir können im Ausschuss gerne weiter diskutieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Orth. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Müller-Piepenkötter das Wort.

(Zuruf von der SPD: Noch-Ministerin!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sie wissen – Herr Giebels und Herr Dr. Orth haben es erwähnt –, dass die Landesregierung einen Gesetzentwurf für ein Landesjugendstrafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen vorgelegt hat. Dieser befindet sich derzeit in der Verbändeanhörung. Es liegen zahlreiche Stellungnahmen vor. In diesen Tagen prüfen wir gewissenhaft, ob die positive und negative Kritik, die vielen Anregungen Anlass geben, den Gesetzentwurf in dem einen oder anderen Punkt zu ergänzen oder zu ändern. Das Ergebnis wird Ihnen in Kürze vorliegen, wenn der Gesetzentwurf förmlich eingebracht sein wird.

Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Regelung des Jugendstrafvollzugs in Nordrhein-Westfalen, mit dem Sie sich heute befassen, versteht sich offenbar als Gegenentwurf zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung.

Ich fasse vorab zusammen: Der Gegenentwurf stimmt in einer Reihe von Regelungen mit meinem Gesetzentwurf überein, auch wenn Frau Düker zum Beispiel bei Konfliktregelungsmechanismen, aber auch in anderen Punkten, Gegensätze sehen und die Opposition mit Schlagworten oder verkürzten Darstellungen Politik betreiben will.

Als verkürzte Schlagworte erwähne ich zum einen die Kosten. Herr Dr. Orth hat bereits darauf hingewiesen, was wir in den nächsten Jahren für den Strafvollzug aufzuwenden gedenken. Das sind natürlich auch zum überwiegenden Teil Kosten für die Verbesserung des Jugendstrafvollzugs.

Ein weiteres Schlagwort ist Regelvollzug. Dies kann ich wirklich bald nicht mehr hören.

(Frank Sichau [SPD]: Leider!)

Nach unserem Gesetzentwurf soll jeder Jugendliche, jeder Inhaftierte, der für den offenen Vollzug geeignet ist, in den offenen Vollzug. Bei jedem Inhaftierten, der noch nicht für den offenen Vollzug geeignet ist, besteht die Aufgabe der Vollzugsanstalt und des Inhaftierten darin, gemeinsam daran zu arbeiten, dass er demnächst für den offenen Vollzug geeignet ist. So steht es in unserem Gesetzentwurf. Regel hin, Regel her, daran lässt sich nichts deuteln.

(Frank Sichau [SPD]: So steht es nicht drin!)

Der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen weist zahlreiche Schwachstellen auf und bietet deshalb in der Gesamtschau keine geeignete Grundlage für einen modernen Jugendstrafvollzug. Ich möchte einige Beispiele anführen; im Übrigen werden wir dies im Rechtsausschuss diskutieren können.

Ich beginne mit § 1 des Gesetzentwurfs. Mit ihm soll der Anwendungsbereich des Gesetzes auf den Vollzug der Jugendstrafe beschränkt werden. Nach § 114 des Jugendgerichtsgesetzes kann aber auch eine nach Erwachsenenstrafrecht verhängte Freiheitsstrafe in einer Jugendstrafvollzugsanstalt vollzogen werden, wenn die Verurteilten das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sich für den Jugendstrafvollzug eignen. Da ich davon ausgehe, dass auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diese Altersgruppe nicht ausschließlich im Erwachsenenstrafvollzug untergebracht haben möchte, nehme ich an, dass es sich um einen handwerklichen Fehler handelt, der sicher noch behoben werden kann.

Eindeutig anders ist das aber im folgenden Beispiel: Der Gesetzentwurf sieht in § 4 vor, dass die Bereitschaft der Gefangenen zur Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels und der Gestaltung des Vollzuges nur – das nehme ich vorweg – zu wecken und zu fördern sei. Diese aus dem Erwachsenenstrafvollzug übernommene Regelung wird den besonderen Anforderungen im Jugendstrafvollzug nicht gerecht.

Eine nur auf Freiwilligkeit und Einsicht beruhende Kooperationsbereitschaft der jungen Gefangenen kann selbst bei entsprechender Motivationsarbeit häufig nicht erreicht werden. Deshalb dürfen vollzugliche Maßnahmen nicht bloß Angebotscharakter haben, und die Annahme dieser Angebote kann nicht dem Belieben der jungen Gefangenen überlassen bleiben. Dementsprechend sieht mein