Protocol of the Session on September 1, 2005

Verehrter, geschätzter Herr Kollege Bischoff, das, was Sie hier über das Verhältnis von Sozialminister und Finanzminister vorgetragen haben, ist genau der programmatische Ansatz, der ins Verderben führt; der Ansatz, der da heißt: Wenn man nur ein soziales Herz hat und sich nur für soziale Belange einsetzt, genügt das; dann braucht man auf Geld keine Rücksicht zu nehmen, sondern kann im Prinzip Versprechungen und Ankündigungen machen -

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

im rheinischen Karneval würde man vielleicht sagen: Kamelle verteilen -, solange man Kraft dazu hat; aber die Frage, wie das hinterher finanziert wird und woher das Geld kommt, spielt keine Rolle.

Dieses Geld aber muss erarbeitet werden. Es muss von Menschen aufgebracht werden, die es wahrscheinlich lieber für irgendeinen Zweck ausgeben würden, den sie selber bestimmen. Aber der Staat muss über Steuermittel seine Aufgaben finanzieren.

Jetzt muss man sich mit der Frage befassen: Was wäre Ihre Pflicht gewesen, verehrte Frau Ministerin a. D. Fischer? - Ihre Pflicht wäre es gewesen, entweder das eine oder andere zu tun:

Sie hätten entweder Rücklagen schaffen, Rücklagen in den Haushalt einstellen und dafür sorgen müssen, dass das Land nicht bis an die Halskrause verschuldet ist, sondern Sie einen Haushalt übergeben, in dem Rücklagen für die bereits ausgesprochenen Verpflichtungsermächtigungen vorhanden sind. Das hieße, dafür zu sorgen, dass die Wechsel, die man ausgestellt hat, auch gedeckt sind, so wie das jeder, der ein Konto führt, machen muss. Das wäre die eine Möglichkeit gewesen.

(Zuruf von Birgit Fischer [SPD])

Oder es hätte eine andere Möglichkeit gegeben. Damit bin ich bei den Haushaltsberatungen für 2001 und 2002 und dem Jahr 2001; Frau Kollegin Steffens hat uns freundlicherweise noch einmal die Stunden des Ringens damals in Erinnerung und in Präsenz gerufen; dafür bin ich dankbar.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Gerne!)

Was war das für eine Zeit, Frau Steffens? - Das war die Zeit, als hier der Vorgänger des abgewählten Ministerpräsidenten, also Herr Clement, saß. Er war der Ministerpräsident, der mit der Parole durch das Land gezogen ist: Wir werden innerhalb von fünf Jahren die Arbeitslosigkeit in

Nordrhein-Westfalen halbieren. Das waren damals Ihre Ankündigungen.

Auf diesen Ankündigungen basierend haben Sie den Eindruck erweckt, dass sich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze und damit die Finanzkraft des Landes erheblich erhöhen würden und Sie die Arbeitslosigkeit in den Griff bekommen würden. Dadurch haben Sie damals den Eindruck erweckt, dass Sie über wesentlich höhere Einnahmen verfügen würden, als sie dann tatsächlich geflossen sind. Sie haben uns all die Jahre mit Ihren Finanzministern offiziell Haushaltssituationen vorgespiegelt, die nicht wahr waren.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das ist doch Un- sinn!)

Natürlich ist es richtig, dass die Krankenhäuser besser damit fahren würden, wenn wir sie großzügiger bei den Investitionen bedenken könnten. Das ist nicht Punkt irgendeines Konfliktes oder Streites.

Nur, verehrter Herr Kollege Bischoff, wenn Sie von den 460 Krankenhäusern in NordrheinWestfalen sprechen und auf die DRG-Systematik hinweisen, dann stellt sich doch die Frage: Was bedeutet ein Baransatz von 169 Millionen €?

In den Krankenhäusern gibt es 1.900 Fachabteilungen. Wenn Sie für jede dieser Fachabteilungen die Vorbereitungen auf das DRG-System beispielsweise mithilfe von Investitionen in die elektronische Datenverarbeitung, in die Computeranlagen der Häuser, in die Krankenhausinformationssysteme aus Landesmitteln finanzieren wollen, wenn Sie diesen Eindruck erwecken wollen, was bleibt dann bei einem Ansatz von 169 Millionen € tatsächlich für jede der 1.897 Fachabteilungen an Mitteln übrig?

Das ist die nächste Luftbuchung, die Sie vollführen. Sie machen eine virtuelle Politik. Sie sind immer noch nicht von den Fakten geerdet. Das ist nach wie vor auf eine Weise großspurig, dass man sich nur abwenden kann.

Verehrte Frau Fischer, ich wäre Ihnen im Übrigen dankbar, wenn Sie, was den Vorwurf der Lüge angeht, noch einmal konkret würden. In unserem Wahlprogramm, das jeder nachlesen kann, steht:

Durch ihre jahrzehntelange Misswirtschaft und übermäßigen Bürokratismus hat die rot-grüne Landesregierung bis heute bei den Krankenhäusern einen Investitionsstau in Höhe von mehr als 11 Milliarden € zu verantworten.

Das hat Frau Steffens zitiert. Und dann kommt der Satz: „Das können wir nicht sofort ändern.“ - Das ist eine klare Ansage. Es stimmt nicht, dass wir den Eindruck erweckt hätten, diesen Stau von 11 Milliarden € innerhalb kurzer Zeit abzubauen. Insofern fordere ich Sie auf, Ihren Vorwurf der Lüge unbedingt zurückzunehmen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank. - Nun hat Frau Abgeordnete Gebhard von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu meinen Vorrednerinnen und Vorrednern stehe ich hier als eine Abgeordnete, die diesem Parlament erstmalig angehört. Ich muss einräumen, dass ich nach der Debatte, die ich heute habe verfolgen dürfen, und auch schon nach dem ganzen Vorgeplänkel viel besser verstehen kann, wo die Politikverdrossenheit in unserem Land zum Teil herrührt.

Ich finde es wirklich ungeheuerlich, dass es möglich ist, dass Abgeordnete, die diesem Parlament jahrelang angehört haben und noch immer angehören, durch das Land ziehen und permanent vom Investitionsstau erzählen, der in den Kliniken herrscht, die fordern, unbedingt aufzustocken, die im Wahlkampf entsprechend tönen, und kaum dass sie die Möglichkeit haben, Politik direkt zu gestalten, weil sie die Regierungsmehrheit stellen, plötzlich sagen: Oh je, oh Schreck, oh Graus! Wir haben ja gar nicht gewusst, wie schlecht die Haushaltslage ist!

(Beifall von der SPD)

Das kann ich nicht nachvollziehen. Selbst als Außenstehende war es mir möglich nachzulesen, wie die Haushaltssituation des Landes ist.

Wer hat das Primat, über den Haushalt zu beraten? - Das Parlament! Jede und jeder Abgeordnete hatte die Chance, im Haushaltsausschuss des Parlaments zuzuhören. Jede Verpflichtungsermächtigung ist im Landeshaushalt durch Beschluss abgesichert. Das sind keine ungedeckten Schecks. Das kann man nachlesen.

Das heißt, hier den Eindruck zu erwecken, als wenn jetzt alles ganz neu wäre, als müsste man völlig neu planen, als habe man mit allem, was da ist, nichts zu tun, finde ich schon ziemlich ungeheuerlich.

(Beifall von der SPD)

Was ich darüber hinaus ungeheuerlich finde, ist, dass man hergeht und sagt: Um Gottes Willen! Da könnten in Zukunft Fehlplanungen passieren, dann wird das nachher gar nicht gebaut. - Meine Damen und Herren, wissen Sie denn nicht, wie Planungen zustande kommen? Wissen Sie nicht, welche Vorgespräche mit den Bezirksregierungen dazu stattfinden, dass die Regionalräte dazu alljährlich tagen und Hitlisten aufstellen, wer in welcher Reihenfolge drankommt? Wenn diese Listen endlich im Ministerium landen, dann sind sie so lange vorberaten, dass die Menschen, dass die Krankenhäuser vor Ort wirklich nur noch auf den letzten Segen warten.

Wir haben die Situation, dass die Projekte, die für 2005 anstanden, noch nicht mit Bewilligungsbescheiden versehen worden sind. Für 2006 und 2007 scheint es keine mehr zu geben. Sprich: Drei Jahre lang müssen wir davon ausgehen, müssen die Krankenhäuser davon ausgehen, dass das, was sie bisher mit den Bezirksregierungen beraten haben, alles für den Eimer war. In der Tat: In drei Jahren müssen sie neue Planungen machen. Dann sind die Planungen wirklich überholt. Ich finde das unverantwortlich.

(Beifall von der SPD)

Unverantwortlich finde ich es auch, das Hohelied der Gesamtverantwortung zu singen, ein Beispiel herauszugreifen und zu erklären: An der Stelle dürfen wir jetzt nicht mehr das machen, was wir gemeinsam versprochen haben, was die Krankenhäuser zu bekommen haben, was sie brauchen, was notwendig ist im Interesse der Krankenhäuser, im Interesse der Patienten. In diesem Zusammenhang spricht man zwar von Gesamtverantwortung, schlägt aber an anderer Stelle Pflöcke ein.

Ich habe kein Verständnis dafür, dass plötzlich wieder Gelder für Reiterstaffeln da sind, aber für die Krankenhäuser nicht. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann schließe ich die Aktuelle Stunde.

Wir kommen zu:

2 Schulbezirke für Grundschulen bestehen lassen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/118

Ich eröffne die Beratung. - Als erste Rednerin hat Frau Abgeordnete Schäfer von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Schulbezirke hat uns auch in der vergangenen Legislaturperiode schon sehr häufig beschäftigt.

In der Vergangenheit war es eine zentrale Forderung der FDP, die Wahl des Schulstandorts freizugeben und die Schulbezirke abzuschaffen. Ich zitiere aus diesem Anlass aus einer Drucksache der vergangenen Legislaturperiode, der Drucksache 13/720 -, mit Erlaubnis des Präsidenten -:

„Gerade die Wahl des Grundschulstandortes ist in erster Linie eine organisatorische Frage, bei der es auf die Zweckmäßigkeitsüberlegungen der Erziehungsberechtigten … ankommt.“

So der Antrag der FDP aus der letzten Legislaturperiode!

Jemand, der damals im Landtag saß und auch heute im Landtag sitzt, kommentierte diesen Antrag in seinem Internetauftritt am 16. Februar 2001 folgendermaßen:

Ich finde diesen Satz widerlich, denn er unterschlägt das Interesse der Kinder, macht sie zur beliebigen Verfügungsmasse von Organisationen und Eltern. Hinter diesem Satz steht die Mentalität, mit der die FDP die Bildungsdiskussion nur zu gerne infiziert.

Diese Aussagen hat gemacht: der CDU-Kollege Herr Solf.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Da hat er Recht!)

Da er mir mit seiner Medieninformation voll aus der sozialdemokratischen Seele spricht, möchte ich gerne weiter aus diesem Schreiben von Herrn Solf zitieren. Herr Solf kommentiert die bildungspolitischen Vorstellungen der FDP weiter - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten -:

Der Bildungsprozess wird bei der FDP nicht als Teil der Entwicklung eines Menschen verstanden, sondern zunächst als Instrument, um möglichst viele Humaneinheiten möglichst fit für die Volkswirtschaft oder was auch immer zu machen.

Dagegen wehre ich mich.