Das hat ganz konkrete Auswirkungen. Das gefährdet kommunale Krankenhäuser, das gefährdet Weiterbildungseinrichtungen, und Gebührenerhöhungen sind an der Tagesordnung, ob in den Volkshochschulen, ob in den Familienbildungsstätten. Es ist ein Armutszeugnis, Ihr persönliches Armutszeugnis, Herr Rüttgers, dass man an den Schulbüchern der Kinder in Nordrhein-Westfalen erkennt, wo arm und wo reich ist, meine Damen und Herren.
Zweiter Punkt. Durch die geplante Änderung des § 107 der Gemeindeordnung verschlechtern Sie systematisch und strukturell die wirtschaftliche Situation in unseren Städten und Gemeinden. Das hat zur Folge: Schwimmbäder und Jugendzentren werden geschlossen, Kulturangebote werden ausgedünnt. Mit dieser Politik, die auf die Arbeit der Stadtwerke zielt, sind Sie direkt verantwortlich für eine Marktkonzentration etwa in der Energie- und Wasserversorgung. Sie sind verantwortlich, wenn Strom, Wasser und Abfallentsorgung oder der ÖPNV nicht mehr bezahlbar sind.
Das heißt, vor Ort, wo die Menschen die öffentlichen Güter brauchen, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, wird es schlechter für die Menschen in Nordrhein-Westfalen. Es wird schlechter durch Ihre Politik, Herr Ministerpräsident.
Das trifft besonders die Menschen hart, deren Einkommen nicht ausreicht, sich diese Leistungen am freien Markt einzukaufen. Hier rächt sich, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das Credo „Privat vor Staat“.
Ich frage Sie: Wer hat Sie zu dieser Änderung der Gemeindeordnung aufgefordert? Ich kann es Ihnen sagen: Niemand. Niemand hat Sie dazu auf
Was Rot-Grün zum § 107 vor acht Jahren ausgearbeitet hat, ist in Rückkopplung und Übereinstimmung mit den Gewerkschaften, mit den kommunalen Spitzenverbänden und auch mit der Wirtschaft entwickelt worden. Diese Regelung haben wir damals – auch ich ganz persönlich mit Laurenz Meyer, der heute wirtschaftspolitischer Sprecher der Union ist – einvernehmlich ausgehandelt. Uns war an dieser Stelle der Konsens wichtig, und der wurde und wird breit getragen.
Niemand, wirklich niemand hat nach dieser Änderung gerufen. Außer, im wahrsten Sinne des Wortes: Wer diese kommunale Demokratie und Substanz so aushöhlen will, das sind Staatsfeinde, die Sie in der Regierung haben.
In die gleiche Richtung geht es mit dem Sparkassengesetz. Es wird schleichend eine Privatisierung vorbereitet, und die kommunale Basis inklusive der Wirtschaft sagt: Wir wollen das nicht.
Was muss noch passieren, damit Sie von dieser kommunalfeindlichen Politik ablassen, Herr Ministerpräsident? Wir sagen Ihnen das; die Verbände sagen Ihnen das; draußen haben Ihnen das 20.000 bis 25.000 Menschen gesagt. Sie sind auf dem Holzweg mit dieser Politik. Kehren Sie um! Privat vor Staat – das heißt in Wahrheit: Eigennutz vor Gemeinwohl.
Auf den dritten Punkt, die Kindergartenfinanzierung, möchte ich jetzt kommen. Indem Sie vor zwei Jahren das Defizitausgleichsverfahren bei den Elternbeiträgen zugunsten des Landes abgeschafft haben, hat sich das Land systematisch aus der Verantwortung gestohlen. Die Kommunen und die Eltern zahlen die Zeche. Das ist kommunalfeindlich und auch familienfeindlich, meine Damen und Herren!
Wenn die Kommunen die Beiträge nicht erhöhen wollen, dann werden sie von Ihnen dazu gezwungen, vom Innenminister und von den Regierungspräsidenten. Ganz akut ist es passiert, dass die Kommunen gezwungen werden, die Elternbeiträge zu erhöhen.
Was bedeutet diese Politik? Die Politik treibt die soziale Spaltung in unserem Land, die soziale Spaltung in unseren Städten und Gemeinden voran. Das ist kommunalfeindlich und unsozial.
Und wo bleibt die viel besprochene und oft versprochene Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung angesichts von immer mehr Pflichtaufgaben nach Weisung? Die Folge: Immer weniger Gestaltungsspielraum für die Städte und Gemeinden, immer mehr Bürokratie. Kommunale Selbstverwaltung ade!
Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, dass die FDP blindwütig mit dem „Privat-vorStaat“-Brett-vor-dem-Kopf durch die Gegend irrt, daran haben wir uns ja gewöhnt. Aber dass Sie sich als Chef der Landes-CDU das in der Form zu eigen machen, dass Sie nicht zur Besinnung kommen, hätte ich nicht für möglich gehalten – und Ihre kommunale Basis im Übrigen auch nicht. So sagt Ihr Parteifreund, unser Oberbürgermeister Franz Haug, beim Arbeitnehmerempfang in Solingen – ich zitiere wörtlich aus der „Solinger Morgenpost“ vom 1. Mai 2007 –:
Mit seiner Aussage, den Kommunen dürften keine Fesseln angelegt werden, bringt er die Sichtweise der kommunalen Familie und auch Ihrer eigenen Basis auf den Punkt.
„Zwischen den Städten und dem Land herrscht Eiszeit. Eine Hypothek für Rüttgers und seine Regierung.“
Herr Ministerpräsident, das alles muss Sie doch nachdenklich machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie wissen es doch besser. Machen Sie heute dieser kommunalfeindlichen Politik ein Ende. Folgen Sie Ihrem Wissen, folgen Sie Ihrem Gewissen, und lassen Sie sich von der FDP nicht länger auf der Nase herumtanzen!
Dann werden die Umfragewerte wieder besser, meine Damen und Herren von der CDU. Nur Mut! Stimmen Sie heute einfach unserem Antrag zu. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Löhrmann. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Lorth das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur finanziellen Situation der Kommunen in Nordrhein-Westfalen zeichnet ein Horrorszenario, das fernab jedweder Realität ist. Sie verkünden den Untergang des Abendlandes oder zumindest den Untergang der nordrheinwestfälischen Kommunen.
Man spürt die Handschrift Ihres katastrophenpolitischen Sprechers Becker. Sie haben ihn aber noch überboten, Frau Löhrmann.
Das gibt uns aber die Gelegenheit, über die Situation des Landes zu diskutieren, wie wir sie vor zwei Jahren vorgefunden haben. Nehmen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis, dass die rot-grüne Landesregierung nicht zuletzt deshalb abgewählt worden ist, weil sie gegen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes eine desaströse Finanz- und Schuldenpolitik betrieben hat.
Aus diesem Grunde darf ich an dieser Stelle noch einmal zu Ihrer Erinnerung einen Auszug aus Ihrem Sündenregister vortragen. Man muss Ihnen immer wieder deutlich sagen, welche Erblast wir von Ihnen haben übernehmen müssen. Es handelt sich um eine Erblast von 113 Milliarden € Schulden, die uns in 39-jähriger SPD-Herrschaft, an der Sie von den Grünen zehn Jahre beteiligt waren, aufgelastet worden ist.
Allein während der letzten zehn Jahre von RotGrün haben Sie 45 Milliarden € an Schulden – das ist fast ein kompletter Landeshaushalt – zusätzlich aufgehäuft und uns hinterlassen. Wir zahlen pro Jahr viereinhalb Milliarden € Zinsen, pro Tag 13 Millionen €. Für diesen Betrag könnten wir – wir haben heute Morgen auch über Kindergärten gesprochen – pro Tag vier Kindergärten bauen. Ich sage das, um diesen Betrag einmal anschaulich zu machen.
Sie haben über Jahre hinweg dem Landtag bereits bei Einbringung verfassungswidrige Haushaltsentwürfe vorgelegt.
Ihre Haushaltspolitik war durch Schattenhaushalte, durch Luftbuchungen und durch ständige Verstöße gegen die Prinzipien von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit gekennzeichnet.
An der Stelle sei Ihnen auch noch einmal ins Stammbuch geschrieben, wer eigentlich dieses Desaster bei der WestLB zu verantworten hat, bei dem mehrere Milliarden Euro sozusagen durch den Schornstein gejagt wurden.
Das ist heutzutage offenbar kein Thema mehr. Jedenfalls haben Sie Milliarden Euro durch den Schornstein geschoben.
Heute treten die finanzpolitischen Bankrotteure von gestern als Kritiker an der Haushaltskonsolidierung auf. Die Brandstifter rufen also auch noch nach der Feuerwehr.
Herr Körfges, Sie können hier gleich noch dazu vortragen. Statt dass Sie Buße tun und der neuen Landesregierung und den Finanzminister bei der Konsolidierungspolitik unterstützen, mäkeln Sie herum oder reden sogar den Weltuntergang herbei. In dem Fall können wir die SPD mit in diese Liste aufnehmen. Alternativvorschläge werden bei den Beratungen zu den einzelnen Punkten überhaupt nicht genannt. Im Gegenteil: Sie fordern ständig neue Ausgaben.