Es darf also keine Sackgassen in der Weiterqualifizierung junger und nicht mehr ganz so junger Menschen in unserem Land geben. Eine ganz wichtige Möglichkeit, zusätzliche Qualifikationen zu erwerben, sogar das Abitur nachzuholen und schließlich zu studieren, stellt der zweite Bildungsweg, das Abendgymnasium und die Kollegs, dar.
Den zweiten Bildungsweg haben viele Menschen – ich glaube, es sind auch etliche Kollegen und Kolleginnen aus unserer Runde – als Sprungbrett ins Studium genutzt. Wir wissen, dass gerade Menschen aus schwierigerem Umfeld mit Migrationshintergrund oder aus bildungsferneren Elternhäusern das Abitur über den zweiten Bildungsweg schaffen und sich damit ganz neue Lebensperspektiven eröffnen.
In Nordrhein-Westfalen hat das angesichts von Strukturwandel, aber auch emanzipativer und progressiver Bildungspolitik in den vergangenen Jahrzehnten eine besondere Bedeutung gehabt. Nicht umsonst haben wir auch ein besonders gut ausgebautes Netz an Einrichtungen des zweiten Bildungswegs.
Diese Chancen für Menschen, die selbst erheblich viel Zeit und Energie investieren, um das sich selbstgesteckte Ziel zu erreichen, müssen wir, so gut es geht, unterstützen – nicht nur dem einzelnen Studierenden zuliebe, sondern auch um alle Potenziale in unserem Land für unser Land und
Eine wichtige Säule, die es Erwachsenen ermöglicht, aus dem Beruf wieder herauszutreten und einen weiterqualifizierenden Abschluss zu erwerben, ist die finanzielle Absicherung. Da es sich beim zweiten Bildungsweg um Erwachsene handelt, die einen eigenen Haushalt führen und bereits einem Beruf nachgegangen sind, hat es für sie immer ein elternunabhängiges BAföG gegeben, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllt haben.
Der Referentenentwurf für eine Novellierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes sah die erhebliche Verschärfung hinsichtlich der Gewährung eines elternunabhängigen BAföG vor. Nur wer bei Beginn des Ausbildungsabschnitts das 30. Lebensjahr vollendet hat, wer bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Vollendung des 18. Lebensjahres fünf Jahre erwerbstätig war oder bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Abschluss einer vorhergehenden zumindest dreijährigen berufsqualifizierenden Ausbildung drei Jahre oder im Falle einer kürzeren Ausbildung entsprechend länger erwerbstätig war, wäre überhaupt noch elternunabhängig gefördert worden. Die Hürden wären viel zu hoch gewesen.
Ich bin deshalb sehr froh, dass es auch durch den Einsatz der nordrhein-westfälischen Landesregierung gelungen ist, diese krasse Verschlechterung für die Studierenden des zweiten Bildungswegs im ersten Gang abzuwenden. Trotzdem sieht auch die aktuell im Bundestag zu beratende Fassung des Gesetzentwurfs noch Verschlechterungen gegenüber dem derzeitigen Status quo vor. Das elternunabhängige BAföG für Abendgymnasiastinnen und -gymnasiasten und Kollegiatinnen und Kollegiaten zu beschränken, verspielt Chancen und behindert Lernkarrieren.
Deshalb haben wir mit unserem Antrag die Initiative gestartet, den Status quo zu erhalten. Ich freue mich, dass dies auch dem Interesse der Landesregierung entspricht; das entnehme ich dem Bericht, den wir für den Schulausschuss angefordert haben. Daher sollte auch einer gemeinsamen Beschlussfassung eigentlich nichts im Wege stehen. Ich finde es wichtig und angemessen, dass der Landtag der Landesregierung in dieser richtigen Initiative über den Bundesrat den Rücken stärkt und die Landesregierung deshalb auffordert, sich für die Beibehaltung des Status quo aktiv einzusetzen. Sie haben unsere Unterstützung, Frau Sommer, und ich wünsche uns in diesem, wie ich glaube, gemeinsamen Anliegen viel Erfolg für die Studierenden in Nordrhein-Westfalen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als nächster Redner hat für die CDU-Fraktion der Kollege Klaus Kaiser das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Beer, Sie sollten die Regierung viel öfter loben; das machen Sie ganz richtig. Herzlichen Dank, dass Sie Frau Sommer gelobt haben. Das sollte Schule machen.
(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE] – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wenn Sie das machen, was wir für richtig halten, machen wir das gern!)
Aber Spaß beiseite! An dieser Stelle plädiere ich dafür, dass wir die zur Diskussion stehende Forderung nach Beibehaltung des elternunabhängigen BAföG beim zweiten Bildungsweg gemeinsam tragen. Der Antrag der Grünen nimmt ein Thema auf, das nicht im bildungspolitischen und parteipolitischen Klein-Klein untergehen sollte.
Zur Sache selbst: Die von den Grünen in diesem Antrag erhobenen Forderungen an die Landesregierung sind von ihr bereits erfüllt und streng genommen sogar übererfüllt worden. Sie sind damit materiell erledigt,
weil die Landesregierung im Bundesrat dafür gestimmt hat, dass es im Rahmen der BAföG-Novelle des Bundes zu keiner Verschlechterung beim elternunabhängigen BAföG kommt. Bekanntlich ist der Bundesrat bei diesem Anliegen NordrheinWestfalen und Bayern mehrheitlich gefolgt. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich für die Beibehaltung der jetzigen Grundlage eingesetzt. Wir müssen genau darauf achten – das haben Sie richtig beschrieben, Frau Beer –, dass das in der Bundesgesetzgebung entsprechend umgesetzt wird.
Alle hier vertretenen Fraktionen sollten ihre Kontakte in Richtung Berlin nutzen, damit das Ansinnen des Bundesrates auch Eingang in das Gesetz findet. Ich glaube, dass ist unsere Aufgabenstellung. Wir werden dafür sicherlich einen angemessenen Weg finden. Denn das Anliegen ist – so glaube ich – gemeinsames Anliegen aller hier im Plenum vertretenen Fraktionen. Wir alle wollen, dass die zweite Chance, die der zweite Bildungsweg bietet, auch künftig unter gleichen Bedingungen angenommen werden kann.
Wir wollen alle die zweite Chance für diejenigen, die ihre Begabungen entdecken und die sie nicht ohne Brüche oder Unterbrechungen in ihrer Bildungsbiografie umsetzen wollten oder konnten. Wir wollen die zweite Chance für alle, die etwa durch einen Migrationshintergrund eher mit Verzögerungen ihren Weg gehen und ihr wertvolles Potential weiter entfalten. Wir wollen eine zweite Chance für alle, die sich nach einer Berufsausbildung neuen Herausforderungen stellen und ihre Chancen wahrnehmen.
Wir wollen eine zweite Chance für alle, die, statt in Arbeitslosigkeit zu verharren und damit Lebenszeit unnütz verstreichen zu lassen oder verstreichen lassen zu müssen, durch das elternunabhängige BAföG die Möglichkeit haben, sich weiterzubilden und Schulabschlüsse zu erreichen. Durch eine bessere Grundqualifikation lassen sich berufliche Perspektiven entwickeln.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen in dieser Hinsicht eine gute Tradition. Wir haben in der neuen Landesregierung einen guten Sachwalter und engagierten Vertreter in der Absicherung der Chancen der Zielgruppen des zweiten Bildungsweges.
Zusammenfassend bedanke ich mich stellvertretend bei Frau Ministerin Sommer für die Aktivitäten der Landesregierung, den Grünen, was sehr selten ist, danke ich für das Lob der Regierung,
Als Fazit steht fest: Das elternunabhängige Bafög für den zweiten Bildungsweg bleibt ein kleiner Beitrag für mehr Chancengerechtigkeit in unserem Bildungssystem. Deshalb sollten wir zusammenstehen und das Beste für die Betroffenen in unserem Lande zu erreichen versuchen. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD die Kollegin Gödecke das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn sagen: Frau Beer, Herr Kaiser, wahrscheinlich auch Herr Witzel, Sie alle haben Recht: Es ist das gemeinsame Ziel aller Fraktionen, die hier im Hause vertreten sind, die Verschlechterung für den zweiten Bildungsweg zu verhindern. Vieles, was schon gesagt wurde, könnte ich mit
Wenn wir in Nordrhein-Westfalen über den zweiten Bildungsweg reden, dann reden wir mit Stolz über eine gut ausgebaute differenzierte und leistungsfähige Weiterbildungslandschaft mit 55 Einrichtungen des zweiten Bildungsweges, in denen hochqualifizierte und hochmotivierte Lehrerinnen und Lehrer arbeiten. Wir reden genauso über Einrichtungen des zweiten Bildungsweges, die sich flexibel auf die veränderten Anforderungen ihrer Schülerinnen und Schüler eingestellt haben. Als Stichwort sei hier nur genannt: vormittags zur Abendschule. Dahinter verbirgt sich die Organisation von Unterricht zum Beispiel für Schichtarbeiter oder Familienfrauen.
Längst gibt es noch weitere Angebotsformen, die sich an Berufstätige mit unregelmäßigen Arbeitszeiten wenden. Wenn wir über den zweiten Bildungsweg in Nordrhein-Westfalen reden, dann reden wir aber vor allem über junge Menschen, die sich aktiv für ihre zweite Bildungschance entschieden haben und zusätzliche qualifizierende Bildungsabschlüsse, also Schulabschlüsse, erwerben wollen.
Wir reden über junge Menschen, die das parallel zur Berufstätigkeit leisten oder die auf Zeit für ihr Ziel, für ihren Schulabschluss aus dem Beruf aussteigen. Deshalb reden wir auf jeden Fall über Menschen, die unseren Respekt, unsere Anerkennung und unsere Unterstützung verdient haben.
Die elterunabhängige Förderung von Schülerinnen und Schülern des zweiten Bildungsweges ist deshalb begründet, richtig und gut. Ohne dieses BAföG, ohne die finanzielle Absicherung wäre für viele der zweite Bildungsweg gar nicht möglich. Zweite Bildungschancen liegen deshalb auch im staatlichen Interesse. Von daher haben wir für die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sorgen.
Gerade wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind hoch sensibel, wenn an diesem Grundpfeiler des zweiten Bildungsweges gerüttelt wird.
Mit einem Blick auf die Grünen möchte ich sagen: Den heute vorliegenden Antrag haben wir dazu nachweislich wirklich nicht gebraucht. Wenn es aber Ziel und Sinn des Antrages der Grünen war, noch einmal über die Bedeutung und den Stellenwert des zweiten Bildungsweges zu reden, dann ist der Antrag gut.
Der Antrag hat aber auch ein anderes Ziel, wie unschwer an den Formulierungen und den Forderungen zu erkennen ist. Ich sage ganz klar: Dieses Ziel ist – Herr Kaiser hat es auch schon dargestellt – im Kern erfüllt und erledigt. Frau Beer, ich weiß, es gibt noch viel zu tun; das ist gar keine Frage. Aber der Antrag, den Sie heute auf den Weg gebracht haben, insbesondere der Neudruck – der Antrag hat ja eine eigene Geschichte –, macht auch klar, dass Sie einen Teil der Entwicklungen, die es seit Januar, vom Referentenentwurf zum Gesetzentwurf, gegeben hat, einfach nicht nachvollzogen oder nicht ganz mitbekommen haben.
In Berlin wird über einen Gesetzentwurf diskutiert, der in der Tat im Vergleich zum Status quo Verschlechterungen beinhaltet. Aber in Berlin wird auch weiter in den Fraktionen der Großen Koalition diskutiert. In Berlin sind auch unsere Kritikpunkte, unsere Anregungen, unsere Hinweise, unser vehementes Werben dafür, den zweiten Bildungsweg nicht zu verschlechtern, angekommen. Ich bin froh, dass sich unsere Berliner Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion mittlerweile dieser Kritik angeschlossen haben. Ich kann klar sagen: Die SPD-Fraktion in Berlin wird keine Verschlechterungen beim elternunabhängigen BAföG im Bereich des zweiten Bildungsweges mitmachen. Das steht definitiv fest. Das haben wir auch in Vorbereitung auf die heutige Debatte noch einmal abgesichert.
Damit hat der in Berlin vorliegende Gesetzentwurf, solange er den zweiten Bildungsweg zur Gegenfinanzierung enthält, keine Chance auf eine parlamentarische Mehrheit. Wenn Sie dieser politischen Absichtserklärung nicht trauen, was man im politischen Raum immer wieder erlebt, dann möchte auch ich noch einmal auf den Bundesrat und auf die Sitzung Ende März verweisen, in der unmissverständlich der Bundesrat gesagt hat: Diesen Gesetzentwurf in dieser Form machen wir nicht mit. Verschlechterungen beim zweiten Bildungsweg wird es nicht geben.
Herr Kaiser, an dieser Stelle – das lasse ich nicht zur Gewohnheit werden, auch wenn Sie es gerne hätten – sage ich auch herzlichen Dank an die Landesregierung.
Ob das Gesetzgebungsverfahren in Berlin jemals zum Abschluss kommen wird, steht im wahrsten Sinne des Wortes in den Sternen. Denn wenn und solange die Gegenfinanzierung für die guten Verbesserungen, die in dem Gesetzentwurf enthalten sind, über Verschlechterungen beim zweiten Bildungsweg erfolgen sollen, wird die SPD-Fraktion in Berlin diesen Gesetzentwurf nicht verabschie
Lassen Sie mich zusammenfassend noch einmal betonen: Wir Sozialdemokraten in NordrheinWestfalen lassen nicht am zweiten Bildungsweg rütteln.
Seit Bekanntwerden des Referentenentwurfes haben wir uns vehement und massiv für die Beibehaltung der elternunabhängigen Förderung eingesetzt – wie man sieht, mit Erfolg.
(Vizepräsidentin Angela Freimuth signalisiert durch Räuspern, dass das Ende der Rede- zeit erreicht ist.)
Frau Präsidentin, ich habe Ihr Räuspern gehört. – Alles andere, was ich in der Zusammenfassung noch sagen könnte, würde Hustenanfälle der Präsidentin auslösen.