Protocol of the Session on May 3, 2007

Noch nie zuvor haben sich Eltern so intensiv mit der Wahl der Grundschule für ihr Kind auseinandergesetzt. Es hat weder das von der Opposition befürchtete Organisationschaos noch eine Schulflucht gegeben. Nirgendwo – und das ist bemerkenswert – gab es mehr als 15 % abweichender Anmeldungen. Bisher hatten wir landesweit auch immer 10 bis 12 % Abweichungen. Die Differenz beträgt also maximal 5 %, mancherorts sicher nur 2 oder 3 %.

Den betroffenen Eltern und Behörden blieb dabei der bürokratische Aufwand erspart, der in der Vergangenheit stets notwendig war, um von dem durch die Schulbezirksgrenzen gesetzten Rahmen abweichende Elternwünsche zu erfüllen. Eltern brauchten nicht mehr erfinderisch zu sein und sogenannte wichtige Gründe anzuführen, um ihr Kind an einer anderen Schule anzumelden.

In diesem Zusammenhang ist auch der Wunsch der Eltern nach Wahl eines Schulprofils zutage getreten, das auch den Neigungen, Interessen oder Begabungen ihres Kindes gerecht wird. Das ist ebenfalls eine positive Entwicklung. Deswegen haben sich viele Eltern auch für den Besuch einer anderen als der nach den Schulbezirksgrenzen zuständigen Grundschule entschieden.

Noch wichtiger ist, dass sich in den Optionskommunen die Schulsituation an sozialen Brennpunkten entspannt hat. Die abweichende Schulwahl – und das ist das Besondere – wurde insbesondere auch von Kindern genutzt, die in sozial benachteiligten Wohngebieten leben bzw. aus Familien mit Migrationshintergrund kommen.

(Beifall von der FDP)

Das ist das ganz Entscheidende. An dieser Stelle haben wir wirklich die Mauern niedergerissen, Frau Beer.

Was Sie befürchtet oder herbeigeredet haben, ist also nicht eingetreten. Die bisherigen Erfahrungen zeigen insgesamt, dass es in positiver Weise zu exakt dem gegenteiligen Effekt dessen gekommen ist, was Sie befürchtet hatten.

Damit ist wieder einmal deutlich geworden, dass SPD und Grüne die Koalition der Zauderer und der Schwarzmaler sind, FDP und CDU hingegen die Koalition der Erneuerung und der Zukunft von Schule und Bildungsgerechtigkeit.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Der Fehlsteuerung! – Ralf Witzel [FDP]: Der Erneuerung!)

Sie können so viel herbeireden, wie Sie wollen, Frau Beer; es wird nicht eintreten. Sie können sich schwarzärgern und schwarzmalen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Die Landesregierung wird jetzt die positiven Befunde des Testlaufs an die Schulträger weitergeben und auch als verlässlicher Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Die restlichen Kommunen, also die Mehrheit im Lande, werden der Öffnung der Schulbezirksgrenzen im nächsten Jahr von daher sehr gelassen und ruhig entgegensehen können.

Es ist sehr positiv, dass wir diese 15 Optionskommunen hatten. Sie haben uns und auch den Zauderern vor Ort die Sicherheit gegeben, dass die Befürchtungen, die geäußert worden sind, nicht eintreten werden.

Wir können mit der Entwicklung also rundherum zufrieden sein. Ich freue mich darauf, dass im nächsten Jahr alle Schulbezirksgrenzen aufgehoben sein werden. – Danke.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Für die SPD spricht nun der Kollege Prof. Bovermann.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In letzter Zeit häufen sich die Misserfolgsmeldungen schwarz-gelber Bildungspolitik.

Die überstürzte Einführung der Sprachstandserhebungen ruft Unmut bei den betroffenen Eltern hervor; dieses Thema hatten wir heute schon. Gleichzeitig erleben Eltern die negative Seite ver

bindlicher Grundschulgutachten. Schüler der vierten Klassen müssen einen dreitägigen Prognoseunterricht absolvieren, der vor allem Stress, aber wenig Erfolgschancen bietet.

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Wir reden von der Grundschule!)

Zudem ist die Uraufführung des Zentralabiturs durch Pannen gekennzeichnet gewesen.

Was macht eine Regierungskoalition bei solch negativen Schlagzeilen? Richtig, man feiert sich selbst, um von der Kritik abzulenken. Ein Antrag zum Jubeln muss her. Allerdings: Herr Kaiser, bei Ihrer Rede habe ich wenig Jubel vernommen.

Doch warum ausgerechnet zum Thema Aufhebung der Schulbezirke? Das bleibt wohl das Geheimnis der CDU und FDP. Denn aus unserer Sicht wird hier nur ein weiterer Fehlschlag schwarz-gelber Schulpolitik dokumentiert.

Zur Erinnerung: In den Anhörungen zum Entwurf des Schulgesetzes hatten die kommunalen Spitzenverbände – und zwar unisono – vehement gefordert, wenn schon die Aufhebung der Schulbezirke nicht zu verhindern sei, dann doch bitte schön die Entscheidungskompetenz in die Hände der Städte und Gemeinden zu legen. Die Bildung von Schulbezirken sollte als Kann-Bestimmung in das Gesetz aufgenommen werden.

Aber CDU und FDP ignorierten die starken Bedenken der kommunalen Familie,

(Zuruf von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

obwohl damals 195 von 225 Mitgliedskommunen des Städte- und Gemeindebundes die Aufhebung der Schulbezirke für problematisch hielten. Selbst die Warnungen von CDU-Kommunalpolitikern wurden nicht gehört, denn die CDU befand und befindet sich im Würgegriff der FDP. § 107 Gemeindeordnung lässt grüßen!

Allerdings ermöglicht das schwarz-gelbe Schulgesetz die freiwillige Aufhebung der Schulbezirke zum Schuljahr 2007/2008, bevor dann im Schuljahr 2008 alle Kommunen zu ihrem vermeintlichen Glück gezwungen werden. Diese Phase der Freiwilligkeit wird nun zum Lackmustest für das Gesetz.

Wie viele Kommunen würden die angeblich große Freiheit nutzen? 300, 150? Tatsächlich waren es nur 15. 15 Kommunen von 396 – das sind 3,8 % – , die vorzeitig davon Gebrauch machen! Hinzu kommt, dass in einer Reihe von Kommunen Anträge – meistens von der FDP eingebracht – scheiterten, weil sie dort auf eine breite Mehrheit

stießen, die eine Aufhebung der Schulbezirke nicht wollte.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie sind jetzt um ihre Chancen gebracht worden!)

Mülheim und Plettenberg sind solche Fälle, wo auch die CDU gegen eine Aufhebung der Schulbezirke war.

(Ute Schäfer [SPD]: Hört, hört!)

Wie kann man nun aus diesem deutlichen Votum gegen das Schulgesetz einen Erfolg für CDU und FDP herbeireden? Nun, in dem vorliegenden Antrag wird überraschenderweise zunächst einmal die Wirkungslosigkeit des eigenen Gesetzes bescheinigt: Der Anteil der wechselwilligen Schüler sei ja nur fünf Prozentpunkte größer als bislang, und das prophezeite organisatorische Chaos sei ausgeblieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, sind Sie nach nur zwei Jahren Regierungszeit wirklich schon so bescheiden geworden? Bei nüchterner Betrachtung werden auch Sie einräumen müssen, dass die Erfahrungen von 15 Kommunen nicht repräsentativ für das Land sein können, dass die Durchschnittswerte, die herangezogen wurden, nicht aussagekräftig sind, weil bestimmte Schulen betroffen sind und andere nicht. Außerdem gibt es noch gar nicht so etwas wie eine wissenschaftlich fundierte Bestandsaufnahme. Wenn Sie trotzdem dieses bescheidene Ergebnis zu einem landesweiten Erfolgsmodell stilisieren, dann buchen Sie wieder einmal eine Luftnummer.

Wie sieht nun die Wirklichkeit aus? Nehmen wir das Beispiel Iserlohn und nicht Arnsberg. Dort sorgten CDU und FDP zusammen mit der UWG für die Abschaffung der Grundschulbezirke – übrigens gegen das einstimmige Votum aller Grundschulleiterinnen und -leiter. Daraufhin verzeichnete eine bautechnisch relativ neue Grundschule 106 Anmeldungen gegenüber 83 zu erwartenden Schulanfängern nach der früheren Schulbezirkseinteilung. Das ist eine Steigerung von fast 30 %. Aber es gibt auch Schulen, die deutlich weniger Anmeldungen erreichten und von Verlusten in Höhe von bis zu 20 % berichten.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist das im Wettbe- werb!)

Sie liegen eher in der Innenstadt und weisen einen relativ hohen Ausländeranteil auf. Offensichtlich profitieren besonders die vermeintlich attraktiven Schulen im Außenbereich. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Hier sind die Fahrzeiten aus dem Innenstadtbereich zwar länger, aber es gibt

ja Eltern, die es sich leisten können, ihre Kinder in die Randgebiete zu fahren.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Doch nun taucht ein neues Problem auf. In Iserlohn gibt es jetzt Klassen mit 18 Schülern und Klassen mit 30 Schülern, letztere auch in den Schulen, die sich eher auf der Gewinnerseite wähnten.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Wie werden sich wohl die Eltern im nächsten Jahr entscheiden? Wie soll der Schulträger reagieren, wenn ihm sein wichtigstes Steuerungsinstrument, der Zuschnitt der Schulbezirke, aus der Hand genommen wurde?

(Ralf Witzel [FDP]: Er legt doch die Kapazität fest! – Zuruf von der CDU: Das versteht er doch nicht!)

Die Kapazität kann er dann jedes Jahr neu festlegen, ja.

Wechseln wir nach Düsseldorf. Eine schwarzgelbe Ratsmehrheit war es, die in Düsseldorf die Schulbezirke abschaffte. Von 89 Grundschulen sind 16 Grundschulen in der Größenordnung einer Klassenstärke betroffen. Bei acht dieser 16 Schulen liegt der Anteil der schulbezirksfremden Kinder, die hinzugewonnen wurden, zwischen 37 und 69 %. Also, ganz erhebliche Schwankungen! In mindestens drei dieser Schulen – Herr Kaiser, das unterscheidet sich von dem Beispiel in Arnsberg – reicht die Kapazität nicht aus, um alle Kinder aufzunehmen. Bei acht Schulen, die überdurchschnittlich Schüler abgeben mussten, handelt es sich um Anteile zwischen 33 und 72 %. In drei der abgebenden Schulen liegt der Ausländeranteil bei über 80 %.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP] – Ute Schäfer [SPD]: Das ist aber gewollt!)

Meine Damen und Herren, auch wenn es sich erst um einzelne Beispiele handelt, wird doch die breite Kritik an der Aufhebung der Schulbezirke bestätigt.

Erstens. Die Kommunen verlieren ein unverzichtbares Gestaltungs- und Steuerungselement der Schulentwicklungsplanung. Die Folgen sind eine ungleichmäßige Auslastung der Grundschulen und mangelnde Planungssicherheit.

Zweitens. Kurze Beine, kurze Wege – dieses wichtige Prinzip nordrhein-westfälischer Schulpolitik wird unterlaufen. Die Verbindung von Schule und Stadtteil bzw. Quartier, die sozialräumliche Orientierung bleibt im wahrsten Sinne des Wortes

auf der Strecke. Stattdessen ist es nun eine Frage des Geldbeutels der Eltern, Kinder zu einer weiter entfernten, scheinbar attraktiveren Schule zu schicken.