Protocol of the Session on March 29, 2007

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, wer sieht, was Sie beim § 107 der Gemeindeordnung machen, wer sieht, was Sie mit den demokratischen Instrumenten bei der Kommunalwahl machen, muss sagen: Kommunale Unternehmen und Demokratie vor Ort befinden sich im Klammergriff zwischen Lux und Wolf; dabei kann nichts Gutes herauskommen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Heiterkeit von Minister Dr. Helmut Linssen)

Wer sich ansieht, was Sie machen, muss Folgendes konstatieren: Zunächst einmal schaffen Sie eine Wahl ab – die Stichwahl. Das begründen Sie damit, dass es nicht so viele Wahlen geben soll. Das ist ein fragwürdiges Argument; das werde ich Ihnen gleich noch nachweisen. Aber selbst wenn das richtig wäre, fragt man sich, worin die Logik liegt, dass Sie Wahlen entkoppeln und damit einen Wahltermin mehr schaffen.

Zu welchem Unsinn das führen wird, will ich Ihnen anhand weniger Beispiele deutlich machen. In den südlichen Bundesländern Hessen, BadenWürttemberg und Bayern führt das Entkoppeln zu einem drastischen Absinken der Wahlbeteiligung. Das Argument verwenden Sie hinterher für die Abschaffung der Stichwahl. An der Stelle aber, an der Sie der FDP entgegenkommen, interessiert es Sie einen feuchten Kehricht.

Schauen Sie sich das einmal auf der Zeitachse an und überlegen, was das für 2009 und 2010 bedeutet. Im Jahr 2009 finden die Europawahl und die Kommunalwahlen statt. Im Jahr 2010 finden die Bürgermeisterwahlen entweder zusammen mit

der Landtagswahl – von wegen entkoppeln! – oder drei Monate später statt.

(Zurufe von der CDU: Nachlesen!)

Das habe ich nachgelesen. Ich sage Ihnen: So ist es. Das werden Sie sehen. Zwei Jahre hintereinander finden Wahlen in kürzester Zeit statt. Das ist der Punkt.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Chris- tof Rasche [FDP])

Sie werden es spätestens 2014 und 2015 sehen; Herr Rasche, das ist doch der Punkt. Sie können erzählen, was Sie wollen. Sie haben genau diese Rhythmen.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Zweiter Punkt! Sie werden damit – das können Sie nicht bestreiten – einer Partei hier im Haus einen deutlichen Vorteil verschaffen: der CDU. Ich habe bereits an anderer Stelle dargelegt und nachgewiesen, dass die Stichwahlen, die Sie abschaffen wollen, in den Jahren 1999 und im Jahr 2004 insgesamt in ganzen zwei Fällen der CDU und in einem Fall der FDP zugute gekommen sind. In allen anderen Fällen – das waren rund 40 Fälle – haben Kandidaten der CDU Stichwahlen verloren, obwohl sie im ersten Wahlgang vorne gelegen haben.

(Beifall von der SPD – Hans-Willi Körfges [SPD]: Das ist der Grund!)

Das betraf unter anderem den damalige Oberbürgermeister Wittke, heute Verkehrs- und Bauminister,

(Markus Töns [SPD]: Mit Recht abgewählt!)

und Herrn Stahl, heute Fraktionsvorsitzender, der 1999 in Bonn verloren hat. Das sind alles Fälle von Politikerinnen und Politikern, die im ersten Wahlgang vorne gelegen und dann die Stichwahl verloren haben. Sie können sich doch wohl vorstellen, dass man Ihnen zu Recht unterstellt, dass Sie etwas abschaffen wollen, was Ihnen parteipolitisch nicht genutzt, sondern geschadet hat.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Lux – von Herrn Wolf bin ich es gewöhnt; von Ihnen hätte ich gedacht, dass Sie ein bisschen korrekter sind –, Sie sagen, es bestehe große Einigkeit, mit den Verbänden gebe es noch die eine oder andere Diskussion. Das finde ich mutig. Weder die kommunalen Spitzenverbände noch der VKU – keiner hat Verständnis für Ihre Änderungen des § 107 der Gemeindeordnung. Sie werden hoch und runter zerrissen von Ihren eige

nen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die die Mehrheit in den Gremien stellen, die beschließen, was Sie als Resolutionen hier auf den Tisch bekommen.

In dieser Woche noch, Herr Lux, hat der Stadtrat von Köln mit den Stimmen der CDU eine Resolution gegen § 107, so wie Sie ihn planen, beschlossen. Im „Stadt-Anzeiger“ hat es einen denkwürdigen Kommentar gegeben, der sich völlig zu Recht gegen die FDP gewandt hat. Darin heißt es: Wie kann man auf der einen Seite fordern, dass die Stadtwerke 5 Millionen € des Defizits der Schwimmbäder übernehmen, auf der anderen Seite aber für die perspektivische Abschaffung und für die deutliche Erschwerung der Arbeit eben dieser Stadtwerke sein? Dazu gehört schon ein Stück politische Schizophrenie. Die weist die CDU auf, und Sie von der CDU machen das mit. Das ist politische Co-Schizophrenie.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wie kommen Sie dazu, dass sich nichts ändert, Herr Lux? Das verträgt sich jedenfalls nicht mit den Äußerungen von Herrn Papke. Er feiert in einer Pressemitteilung:

„Kabinett verabschiedet Gemeindereform – Papke: Privat vor Staat wird jetzt Gesetz.“

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

„Das Kabinett hat die verschärften Regeln für die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand genauso glasklar beschlossen, wie es zwischen den Koalitionsfraktionen verabredet worden war. … Die Verabschiedung der GONovelle ist, gerade mit Blick auf die Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Kommunen, für die FDP ein Tag der Freude.“

Muss sich die CDU da mitfreuen? Muss sie es mitmachen? Man weiß es nicht. – Und weiter:

„Die Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in NRW kommt mit Siebenmeilen-Stiefeln voran.“

Meine Damen und Herren, das ist die Ideologie, die die Basis Ihres Handelns ist: Von Vernunft ist nichts zu merken. Das gilt im Übrigen ähnlich bei der Abschaffung der Stichwahlen.

Dazu möchte ich Ihnen doch noch einen kleinen Stich versetzen und zitieren, was dazu die Vereinigung liberaler Kommunalpolitiker in Bayern sagt – dort plant das nämlich Herr Beckstein –:

„Der zweite Wahlgang verschafft dem späteren Amtsinhaber ein Wahlergebnis von über 50 %. Dadurch ist er wesentlich besser legitimiert als

in einem ersten Wahlgang mit vielleicht 30 %. Deshalb muss die bewährte Stichwahl erhalten bleiben.“

Das sagt die FDP in Bayern. Nur Sie machen das alles anders. Sie sind parteipolitisch und ideologisch, aber nicht sachlich motiviert, bei dem, was Sie mit der Geschäftsordnung NW veranstalten!

(Zurufe von der SPD)

Das fällt Ihnen auf kommunaler Ebene auf die Füße; das prophezeie ich Ihnen. – Schönen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Engel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mich zur GO-Novelle äußere: Herr Körfges, ich kann Herrn Lux nur beipflichten, dass er das heute am Rednerpult benannt hat.

(Zurufe von der SPD)

Sie können sich doch nicht allen Ernstes hierhin stellen, um von Staats- und von Politikverdrossenheit sowie von einer zurückgehenden Wahlbeteiligung zu sprechen. Was wollen Sie denn den jungen Menschen in unserem Land sagen, die das lesen?

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD] – Weitere Zu- rufe)

Ich kann dem Kollegen Lux nur beipflichten: Das müssen Sie erst einmal abräumen und sich dafür entschuldigen.

(Beifall von FDP und CDU)

Nicht einmal in meiner Fantasie habe ich solche Gedanken. Das ist doch unmöglich! – Entschuldigung, aber das musste gesagt werden.

(Zuruf von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute ist ein wichtiger Tag für das neue NRW

(Lebhafter Widerspruch von der SPD)

und vor allem für unsere Kommunen.

(Markus Töns [SPD]: Zur Sache, Herr Engel! – Weitere Zurufe)

Der Landtag befasst sich in erster Lesung mit zwei Gesetzentwürfen, die auf kommunaler Ebene zu wichtigen Weichenstellungen führen werden: Es geht erstens um die Novellierung der

Kommunalverfassung und zweitens um das Kommunalwahlgesetz. Nach noch nicht einmal zwei Regierungsjahren setzen wir eines der zentralen Themen aus unserem Koalitionsvertrag um.