Protocol of the Session on March 29, 2007

(Beifall von SPD und CDU)

Entgegen unserer Geschäftsordnung haben wir uns darauf verständigt, über den Eilantrag nicht direkt abzustimmen, sondern ihn gemeinsam mit dem Entschließungsantrag federführend an den Hauptausschuss zu überweisen und den Innenausschuss zu bitten, die beiden Anträge mit zu beraten.

Der deutliche Auftrag des Hauses heute muss lauten, den Hauptausschuss und den Innenausschuss zu bitten, eine gemeinsame Position zu entwickeln, die nicht nur das Ziel, sondern auch die Wege beschreibt, wie wir gemeinsam Nein sagen können. Deshalb gibt es den gemeinsamen Vorschlag aller hier im Haus vertretenen Demokraten, beide Anträge zu überweisen. – Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Gödecke. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde.

Wir kommen zur Abstimmung über den Eilantrag einerseits und den Entschließungsantrag andererseits. Ich habe es so verstanden, dass wir darüber gemeinsam abstimmen können, weil beide Anträge an den Hauptausschuss – federführend – und den Innenausschuss zur Mitberatung überwiesen werden sollen.

Wer der Überweisung des Eilantrages der Fraktion der SPD Drucksache 14/4059 sowie des Entschließungsantrages der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/4094 an den Hauptausschuss – federführend – und den Innenausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit haben wir einstimmig die Überweisung der beiden Drucksachen

an den Hauptausschuss – federführend – und mitberatend an den Innenausschuss angenommen.

Wir kommen zu

2 Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung – GO-Reformgesetz

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/3979

In Verbindung damit:

Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/3977

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich vonseiten der Landesregierung Herrn Minister Dr. Wolf das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir bringen heute die GO-Novelle in den offiziellen parlamentarischen Beratungsgang eines Gesetzentwurfs ein. Dank „fürsorglicher“ Oppositionsanträge – daran erinnern wir uns lebhaft – hatten wir zu dieser GO-Novelle allerdings schon zahllose Vorberatungen. Deshalb möchte ich auf eine detaillierte Aufzählung und Vorstellung einzelner Regelungen verzichten, sondern mit einigen Kernpunkten umreißen, was wir mit dieser GONovelle bezwecken.

Zunächst einmal räumen wir mit den Versäumnissen der rot-grünen Vergangenheit auf. Das ist die Grundaussage. Sie alle wissen, dass seit 1994 immer wieder Renovierungsbedarf in der GO erkannt worden ist. 2002 gab es über alle Parteigrenzen hinweg eine Expertenkommission, die zu großen Einvernehmen gekommen ist. Weit über 90 % waren konsentiert.

Am Ende ist eine GO-Novelle in der letzten Legislaturperiode daran gescheitert, dass die Sozialdemokraten einer Entkopplung der Wahlzeiten nicht zustimmen wollten. Ich erinnere gerne auch daran, dass die Grünen zu der Zeit – in der letzten Legislaturperiode – auch eine entsprechende, verlängerte Wahlzeit der Hauptverwaltungsbeamten wollten. Das hat sich geändert.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Meine Damen und Herren, wir wollen – und das ist das Ziel – im Rahmen der Entkopplung der Wahlzeiten eine Stärkung der Eigenständigkeit der Wahlen von Hauptverwaltungsbeamten und den entsprechenden Gremien, also den Räten und Kreistagen. Wir alle haben erlebt, wie im Verlaufe der Diskussion in Teilen des Parlamentes, teilweise aber auch draußen, eine „SonnenkönigsPhobie“ ausgebrochen ist: die Angst vor übermächtigen Hauptverwaltungsbeamten.

Ich glaube, dass sich im Laufe der Zeit herausgestellt hat, dass das ein bisschen differenzierter gesehen werden kann – nicht zuletzt mit Blick darauf, dass wir dieses System in anderen Bundesländern schon längst haben. Im Grunde genommen sind wir die Letzten, die sich einem solchen System anpassen. Das heißt: Wir trennen die Wahlen der Bürgermeister und Landräte von denen der Vertretungen. Das ist in unserem Koalitionsvertrag so angelegt gewesen. Wir hatten das vereinbart und wir setzen das um.

Die Frage der Länge der Wahlzeit war von Anfang an mit einem Prüfauftrag versehen. Ich denke, dass man mit Blick auf die anderen Bundesländer, wo es nahezu alle Varianten von sechs, sieben, acht bis zu zehn Jahren gibt, sagen kann, dass es keine einheitliche Meinung gibt. Wir haben uns für sechs Jahre entschieden.

Ein Kritikpunkt, der an dieser Stelle immer aufkommt, ist, dass es jetzt mehr Wahlen als bisher gibt. Na ja, in 60 Jahren sind das zehn. Ich glaube, dass das überschaubar ist – ganz abgesehen davon, dass wir das Ganze durch den Verzicht auf Stichwahlen ein bisschen relativieren und der ein oder andere Wahlgang nicht notwendig wird.

(Zuruf von der SPD: Das ist ja perfide! Das ist ja lächerlich!)

Gerade – bevor Sie sich zu sehr aufregen – der Verzicht auf die Stichwahl ist von dem ein oder anderen kritisch gesehen worden.

(Zuruf von der SPD: Wohl wahr!)

Ich bin gerne bereit, Ihnen das zu erklären, weil es darum geht, dieses Demokratiedefizit in eine andere Richtung zu bringen. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass die Wahlen sowohl bei Gemeinden, Kreisen, Landtagen oder beim Bundestag – also bei all diesen Mandaten, übrigens auch bei Ihren Mandaten – mit relativer Mehrheit gewonnen werden können. Ich habe noch niemanden gehört, der gesagt hat, dass das undemokratisch sei und es ein Demokratiedefizit gebe.

Der zweite Punkt ist, meine Damen und Herren: Lediglich in 25 % der Fälle in 2004 hat es eine Stichwahl gegeben. Das heißt, dass in 75 % der Fälle die Mehrheiten sowieso so klar und deutlich gewesen sind, dass Ihr Horrorszenario, dass Bürgermeister flächendeckend mit nur 29 % gewählt werden, einfach völlig unrealistisch ist.

Der dritte Punkt ist, dass die Wahlbeteiligung bei Stichwahlen um 10% bis 15 % niedriger liegt, sodass man hinterher fragen kann, wie es um die Legitimation dieser zweiten Wahl steht. Nicht selten hatten wir das Ergebnis, dass der Wahlsieger der Stichwahl wegen der geringeren Wahlbeteiligung hinterher weniger Stimmen hatte als der Bewerber bei der Hauptwahl. All das, meine Damen und Herren, muss man bei der Diskussion einbeziehen.

Wir haben darüber hinaus einen Wegfall der Altersgrenze, sodass wir auch hier mehr Freiheit für den Wahlbürger schaffen. Das ist das Kernstück unserer Gemeindeordnung: Wir wollen mehr Freiheit für den Wahlbürger im Hinblick auf die Auswahl des Personals, aber insbesondere auch bei der Frage, wie wir eine Möglichkeit schaffen können, die Wahlen durchsichtiger und die Gremienwahlen wieder spannender zu machen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Spannend ist das!)

Herr Körfges, wenn Sie sich an die letzten Wahlen erinnern, dann möchte ich Ihnen gerne dazu sagen: Wenn sich alles auf die Bürgermeisterwahl konzentriert, dann tritt die Gremienwahl dahinter absolut zurück. Wenn dies getrennt wird, dann fällt viel mehr Aufmerksamkeit auf die jeweilige Wahl. Das sollte man an dieser Stelle berücksichtigen.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Wahlgerechtigkeit wollen wir durch einen passgenaueren Wahlkreiszuschnitt erhöhen. Wir werden eine Sperrfristverkürzung von drei Monaten auf 15 Tage für das passive Wahlrecht hinbekommen und ein präziseres Zählverfahren übernehmen. Das ist im Groben das, was sich auf die Themen Wahlen von Personen, Wahlkreise und Wahlverfahren bezieht.

Meine Damen und Herren, zum zweiten großen Diskussionspunkt, dem § 107 GO: Wir wollen eine Konzentration auf den Kernbereich der Kommunalwirtschaft.

(Zuruf von der SPD)

Ich glaube, dass diese Regelung, die lange diskutiert worden ist, eine sehr vernünftige Abwägung

zwischen den Interessen der Gemeindewirtschaft und der privaten Wirtschaft darstellt. Wir wollen keine uferlose Ausdehnung, aber selbstverständlich bleibt die Befriedigung elementarer Bedürfnisse der Menschen – die Versorgung mit Strom, Gas, Wasser und die Abwasserbeiseitigung – weiterhin möglich,

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

auch wenn Sie von der Opposition das nach draußen anders vertreten und versuchen zu desinformieren.

(Zuruf von der SPD: Nein! – Markus Töns [SPD]: Die Kollegen sehen das auch an- ders!)

Wir haben eine Bestandsschutzregelung im Gesetz verankert, die ganz klar eines sagt, meine Damen und Herren: Es gibt keinen Zwang zur Privatisierung. Das wird immer wieder behauptet, wie auch immer wieder behauptet wird, dass Wohnungsbaugesellschaften veräußert werden müssten. Das ist fernab der Realität. Wenn eine Kommune aus Haushaltsnot dazu schreitet, dann ist das ihre Angelegenheit. Durch den § 107 GO wird es jedenfalls nicht veranlasst.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Normative Kraft des Faktischen!)

Wir haben auch eine Weiterentwicklung der Kommunalwirtschaft, was selbstverständlich im zuverlässigen Rahmen möglich ist, wenn ich an das Beispiel Kraftwerksbau denke, was mir immer entgegengehalten wird. Wenn Bochum ein Kraftwerk – möglicherweise auch mit Nachbarn – erstellen will, um die eigenen Bürger zu versorgen, sage ich nur: Herzlich willkommen im Club! Das dürfen Sie tun. – Solche Beispiele werden zur Desinformation nach draußen getragen.

Meine Damen und Herren, es geht entscheidend darum, dass sich die Kommunalwirtschaft auf die Versorgung der Bürgerschaft konzentriert. Wir wollen, das ist völlig klar, keine Global Player, die Altautos in Finnland recyceln oder Strom nach London liefern. Alle diese Dinge gehören nicht in die Kommunalwirtschaft. Wir haben ganz klar erkannt, dass es hier um eine vernünftige Abwägung geht.

Ich möchte auch sehr deutlich sagen, dass die Probleme des Wettbewerbsdrucks durch die Liberalisierung der Märkte nicht auf die GO-Novelle geschoben werden dürfen. Das heißt, wenn Stromversorgungsunternehmen vor Ort ein Problem haben, dann müssen sie sich letztendlich wettbewerblich aufstellen. Es kann nicht angehen,

das auf die Veränderungen des § 107 zu schieben.

Der dritte Punkt, der für mich in der GO-Novelle sehr wichtig ist, ist die Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit. Das mögen Sie daran erkennen, dass wir über die bisherigen Möglichkeiten hinaus nunmehr auch die aufgabenträgerunabhängige Kooperation zulassen, bis hin zur sogenannten Mehrmütter-AöR. Das heißt, es geht in der Tat darum, das zu stärken, was wir brauchen, nämlich die kommunale Zusammenarbeit.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle ein großes Lob beispielsweise an die Städte Wuppertal und Solingen aussprechen, die gerade eine gemeinsame Feuerwehrleitstelle in Betrieb genommen haben. Wir brauchen noch mehr solcher Beispiele. Es geht darum, Haushaltskonsolidierung, Kostensenkung vernünftig umzusetzen. Dazu brauchen wir eine Rückführung von Kirchturmsdenken und kommunaler Eifersüchtelei. Wir sollten nicht immer mit den Verlustängsten und der Sorge um kommunale Identität ringen, wenn es ausschließlich darum geht, die Bürger besser zu versorgen. Auch Leitstellen, die gemeinsam betrieben werden, helfen den Menschen, und gleichzeitig helfen sie, die Kosten zu verringern.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])