Protocol of the Session on March 29, 2007

(Ute Schäfer [SPD] meldet sich zu einer Zwi- schenfrage.)

Ich glaube, Frau Kollegin Schäfer wollte eine Zwischenfrage stellen, Herr Präsident.

Frau Schäfer, bitte, Sie haben das Wort, weil Herr Witzel schon gesehen hat, dass Sie das Wort haben wollen. Bitte schön.

Herr Witzel, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, dass Sie meine Wortmeldung gesehen haben.

(Ralf Witzel [FDP]: Gerne!)

Sie reden gerne über die Leistungsfähigkeit im Vergleich der Gesamtschulen zu anderen Schulformen. Ist Ihnen bewusst, dass im Vorfeld der Probeklausuren zum Zentralabitur die Leistungen der Gesamtschulen im Vergleich zu den Gymnasien um eine halbe Note differierten? Ist Ihnen gleichermaßen bekannt, dass die Zusammensetzung der Schülerschaft an den Gesamtschulen aufgrund der Schüler mit Migrationshintergrund eine ganz andere ist als an den Gymnasien?

(Beifall von der SPD)

Frau Schäfer, ich beantworte Ihre Frage sehr gerne. Mir sind Unterschiede in der Zusammensetzung von Oberstufen bekannt. Mir sind auch Unterschiede in der Effizienz der Bildungsökonomie von Systemen bekannt. Dazu können Sie Bemerkenswertes in den Berichten des Landesrechnungshofes nachlesen, wie es um die unterschiedliche Leistungsfähigkeit von Gesamtschuloberstufe und gymnasialer Oberstufe bestellt ist.

Was die Abiturnote angeht, sage ich Ihnen gleich zur Interpretation, was für mich zur Vollständigkeit dazu gehört und für die Beantwortung Ihrer Frage wichtig ist. Ich biete Ihnen an, dass wir einmal gemeinsam über eine Initiative nachdenken, wenn das in Ihrem Interesse ist.

Wenn Sie eine wirkliche Vergleichbarkeit der Leistungen im Gesamtschulabitur und dem Abitur an Gymnasien haben wollen, bringen wir gerne einmal eine Initiative auf den Weg, die nicht nur die zentra

le Aufgabenstellung vorsieht, sondern auch eine objektive anonyme Korrektur, wie sie das im Ausland – zum Beispiel in Finnland und anderswo – haben. Es gibt keine Korrekturmammutbehörde. Wir schicken aber die Kölner Klausuren mit einer Matrikelnummer versehen nach Gelsenkirchen und umgekehrt. So haben wir eine wortgleiche Aufgabenstellung, aber natürlich in der Mehrzahl der Fälle immer noch die individuelle Leistungszumessung. Es gibt ein Korrekturschema, und wir haben mehr Vergleichbarkeit. Der Schritt geht in die richtige Richtung.

Frau Schäfer, Sie müssen auch berücksichtigen, dass die reinen Klausuren der Zentralprüfungen, die in dieser Woche geschrieben werden, nur ein Teil – und zwar den kleineren – der Gesamtnote ausmachen. In der Mehrzahl werden Leistungen über einen Zeitraum von zwei Jahren bewertet. Dabei gehen auch mündliche Noten ein.

Aus dem erfolgreichen Verlauf der ersten landesweiten Abiturprüfungen – den wir uns alle wünschen – die Schlussfolgerung zu ziehen, eine 1:1Identität der Leistungsergebnisse sei hergestellt, ist nicht richtig. Weil mir – ich beantworte in diesem Teil noch die Fragen von Frau Schäfer – an einer ausführlichen Antwort sehr gelegen ist, Frau Ministerin a. D. Schäfer, möchte ich einen Hinweis geben, den Sie mitberücksichtigen müssen, wenn Sie nach der Leistungsfähigkeit von Systemen fragen: Was sagt BIJU dazu? BIJU hat interessante Ergebnisse zutage gefördert: Bereits nach zwei Jahren, also zu Beginn der siebten Klasse, haben Realschüler gegenüber Gesamtschülern einen Leistungsvorsprung von einem Schuljahr in den Kernfächern Englisch und Mathematik.

Am Ende der Jahrgangsstufe 10 liegt das Niveau der Gesamtschulerweiterungsklassen, die auf das Abitur vorbereiten sollen, weit unter dem Niveau von Realschulklassen.

Im Vergleich zwischen gleich begabten Real- und Gesamtschülern liegt der Wissensvorsprung der Realschüler im Fach Mathematik bei etwa zwei Jahren und der der Gymnasiasten sogar bei drei Jahren.

Das gibt – von Wissenschaftlern ermittelt – insgesamt ein etwas vollständigeres Bild. Ich referiere nur das, was die Wissenschaft an Erkenntnissen liefert.

Zum Schluss erlaube ich mir, umgekehrt eine Frage an Sie zu stellen, die Sie jetzt vielleicht technisch nicht beantworten können, aber über die Sie nachdenken können:

Jetzt ist Ihre Redezeit aber schon zu Ende.

Ihre Fraktionsvorsitzende hat in den letzten Wochen mit viel Verve dafür plädiert, dass wir zu der einen Schule für alle kommen. Daher frage ich Sie: Warum praktiziert sie das nicht in eigener Angelegenheit, sondern meldet ihr eigenes Kind am Gymnasium an?

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Witzel. – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht mehr. Damit sind wir am Ende der Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/4022 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Somit wird dieser Überweisungsempfehlung einstimmig gefolgt.

Wir kommen zu:

9 Krankenhausgestaltungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (KHGG NRW)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/3958

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfes erteile ich vonseiten der Landesregierung Herrn Minister Laumann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Regierungsentwurf des Krankenhausgestaltungsgesetzes liegt eines der wichtigsten Vorhaben des Gesundheitsministeriums in dieser Legislaturperiode vor Ihnen. Entsprechend intensiv war der Vorlauf bei der Vorbereitung der konkreten Formulierung und der Abstimmung unter den wichtigsten Beteiligten.

Mit dem neuen Krankenhausgestaltungsgesetz wollen wir gestalten und Freiraum geben und keine bürokratischen Regelwerke schaffen. Damit leben wir in der Gesundheitspolitik ein Stück Sub

sidiarität. Das Land gibt den Rahmen vor. Die konkrete Gestaltung wird von den Krankenhäusern sowie den Krankenkassen als Kostenträgern vorgenommen.

Wie ist die aktuelle Situation? – Detaillierte Vorgaben engen den Handlungsspielraum von Krankenhäusern und Krankenkassen ein. Eine bis ins Einzelne gehende Krankenhausplanung behindert den Wettbewerb. Sie steht aktiven, planerisch und wirtschaftlich gestaltenden Maßnahmen der Leistungserbringer und Kostenträger entgegen. Bürokratische Hemmnisse stehen konzeptionellen, zukunftsweisenden Ideen im Wege. Das wollen wir ändern.

Die Gestaltungsfreiheit der Krankenhausträger soll durch flexible Regelungen ausgeweitet werden. Auf Detailregelungen soll weitestgehend verzichtet werden. Im Gegensatz zum bislang geltenden Landeskrankenhausrecht wird Selbstverständliches entfallen. Unter Berücksichtigung der Organisationshoheit der Krankenhausträger sollen engmaschige Vorgaben auf ein Minimum reduziert und sogar gänzlich aufgegeben werden.

Darüber hinaus sollen einzelne Regelungen konsequent gestrafft und auf wesentliche Regelungsinhalte zurückgeführt werden. Beispielhaft möchte ich hierfür die Streichung der Vorgaben betreffend Leitung und Organisation sowie die Streichung des Verbotes von Parallelvorhaltungen anführen. Damit ist nicht das Signal verbunden, notwendige Aufgaben zu streichen. Vielmehr sind Aufgaben wie etwa die Arzneimittelkommissionen fest etabliert. Es ist davon auszugehen, dass die Krankenhäuser sie eigenverantwortlich weiterführen. Teilweise sind sie bereits an anderer Stelle, zum Beispiel die Qualitätssicherung im SGB V, geregelt, und es erübrigt sich der deklaratorische Hinweis im Landesrecht.

Das Krankenhausplanungsverfahren mit seinem bisher dreistufigen Aufbau aus Rahmenplanung, Schwerpunktplanung und regionalem Planungskonzept soll gestrafft werden. Künftig wird es keine Schwerpunktplanung mehr geben. Wir setzen nur noch einen Rahmen. Abstimmungen, wie sich eine Region am besten aufstellt, können die betroffenen Krankenhäuser zusammen mit den Krankenkassen als Kostenträger schneller und effektiver vornehmen, als das heute der Fall ist. Die Verhandlungspartner erhalten damit mehr Kompetenz und Verantwortung.

Es wird somit auch keine Detailplanung des Landes bis zum letzten Bett eines Krankenhauses mehr geben. Das Land wird nur noch die Versorgung in großen medizinischen Gebieten planen.

Eine Planung von Teildisziplinen wird künftig nicht mehr erfolgen. Mit dem neuen Gesetz lassen wir einen kontrollierten Wettbewerb in der Krankenhauslandschaft zu, wobei uns allen klar ist: Die Daseinsvorsorge und der Zugang der Bürger zu wohnortnahen Kliniken vertragen keinen unkontrollierten Verdrängungswettbewerb. Die Letztverantwortung für die Krankenhausplanung und Investitionsförderung muss daher weiterhin beim Land verbleiben.

Die engen haushaltsrechtlichen Spielräume verlangen neue und intelligente Finanzierungsverfahren. Das Landeskrankenhausrecht ist für Anreize zu wirtschaftlichem, sparsamem und effektivem Verhalten zu öffnen. Dem negativen Anreiz zur Beibehaltung von Bettenkapazitäten, die nicht mehr benötigt werden, soll durch eine geänderte pauschale Förderung begegnet werden; leistungsbezogene Anreize werden gefördert.

Das Gesetz soll eine Verordnungsermächtigung zur Festsetzung der Pauschalen und der dazu erforderlichen Bemessungskriterien enthalten. Falschen Anreizen kann somit verfahrenstechnisch leichter entgegengewirkt werden. Andererseits ist durch eine Verordnungsregelung die notwendige Verlässlichkeit der laufenden Finanzierung für die Krankenhäuser gewährleistet.

Dabei ist aus meiner Sicht eines völlig klar: Betten dürfen zukünftig nicht mehr der Maßstab der Vergabe von Landesmitteln sein. Mir begegnet immer wieder der Vorwurf, Nordrhein-Westfalen habe zu viele Krankenhäuser, zu viele Krankenhausbetten und damit natürlich auch mehr Krankenhausfälle als andere Länder. Trotz gut gemeinter Regelungen im heutigen Gesetz, die einen Anreiz zum Abbau von Betten darstellen, sind diese über weite Strecken wirkungslos geblieben und stoßen inzwischen an ihre Grenzen.

Inhaltlich will ich damit an den sogenannten CMITarif anknüpfen, der die Abkehr vom Planbett als Vollzugsgröße vollzieht. Mit der Loslösung vom Planbett als Berechnungsgrundlage und der Bindung an Leistungen und wirtschaftliche Ergebnisse sollen Leistungsfähigkeit und gute Organisation der Krankenhäuser belohnt werden. Künftig sollen sich die Pauschalen nach der tatsächlichen Leistung richten und knüpfen dabei an bis zu drei Maßstäben an.

Erstens: Fallwertpauschalen. Für die Leistungen, die nach dem Krankenhausentgeltgesetz mit Fallpauschalen und Zusatzentgelten abgerechnet werden, sind die nach dem Schweregrad bewerteten Krankenhausfälle zugleich Maßstab der Krankenhauspauschale.

Zweitens: Budgetpauschalen. Für andere Leistungen erhalten die Krankenhäuser einen Zuschlag auf die entsprechenden Entgelte, und zwar in Höhe von 2 % bzw. bis zur Höhe von 2,5 %.

Drittens: Ausbildungsplatzpauschalen. Für Ausbildungsplätze, die im Krankenhausplan anerkannt sind, wird ein jährlicher Pauschalbetrag in Höhe von 100 € gezahlt.

Wichtig ist: Der Haushaltsansatz für die pauschale Förderung des Landes bleibt unverändert bei weiterhin jährlich 300 Millionen €.

Das neue System hat auch zur Folge, dass jedes Krankenhaus durch Steigerung seiner Leistungen dazu beitragen kann, seine Situation günstiger zu gestalten. Die Umstellung führt zwangsläufig dazu, dass Häuser höhere Pauschalen als bislang erhalten. Ebenso wird es Häuser geben, die geringere Pauschalen erhalten. Bei der aktuellen Umstellung sind Gewinner und Verlierer nicht gleich verteilt. Die Anzahl derer, die von der Umstellung profitieren, ist höher als die der Benachteiligten.

Gleichwohl sieht der Entwurf eine Verordnung zur Abmilderung von Härten vor: Verluste von mehr als 50.000 € gegenüber der bisherigen Förderung werden über drei Jahre ausgeglichen, und zwar in Höhe von 75 %, dann in Höhe von 50 % und schließlich noch in Höhe von 25 %.

Auch dieses Modell ist sehr intensiv mit der Krankenhausgesellschaft besprochen worden. Da diese jedoch sämtliche Krankenhäuser mit ihren häufig sehr unterschiedlichen Interessen vertritt, gibt es in dieser Frage leider kein einhelliges Votum. Es werden weitere Diskussionen und langfristige Übergangslösungen gefordert. Ich sage allerdings: Übergangslösungen, die auf so lange Zeit angelegt sind, dass sich eine Wirkung der neuen Maßnahmen nie zeigen wird, werden mit mir nicht gemacht werden.

Je nach Betroffenheit erleben wir auch an dieser Stelle das bekannte Phänomen, dass sich die Häuser, die künftig besser abschneiden, zu einer eher schweigenden Mehrheit zusammenfinden, negativ Betroffene hingegen zu einer deutlich vernehmbaren Minderheit. Bislang hat jedoch noch kein Kritiker nachweisen können, dass das System der Vergangenheit eine gerechtere Verteilung der Fördermittel bewirkt hätte.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich unser Anliegen noch einmal auf den Punkt bringen. Mit dem Krankenhausgestaltungsgesetz leistet das Land einen wichtigen Beitrag, damit die Krankenhäuser die künftigen Herausforderungen bewälti

gen können. Bei Struktur und Organisation lassen wir den Krankenhäusern mehr Flexibilität und Gestaltungsspielräume. Die Krankenhausplanung wird wesentlich vereinfacht, und das Land zieht sich aus der Detailplanung zurück. Bei der pauschalen Krankenhausfinanzierung belohnen wir nicht, wie in der Vergangenheit, die mögliche Leistung, sondern orientieren uns an der tatsächlichen Leistung.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss, auf die Fachanhörungen zu diesem Gesetz und denke, dass wir eine gute Grundlage für Ihre Beratungen geschaffen haben mit dem Ziel, die Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen positiv weiterzuentwickeln. Ebenfalls hoffe ich, dass wir spätestens nach der Sommerpause zur Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs kommen. – Schönen Dank.