Protocol of the Session on March 28, 2007

Herr Remmel, ich teile das, was Sie gerade gesagt haben. In der Tat kann ich da Enttäuschungen verstehen. Es gehört aber mit zur Demokratie, dass man in Sachzwängen steht. Das erkläre ich auch jeder Besuchergruppe. Man erleidet auch als Minister mal Enttäuschungen, man erleidet auch als Abgeordneter mal Enttäuschungen. Für die einen liegt das 39 Jahre zurück, für die anderen dauert es noch 39 Jahre.

(Heiterkeit und Beifall von CDU und FDP)

Das gibt es immer wieder.

Aber ich möchte noch eines im Hinblick auf die Volksinitiative hinzufügen: Damals waren viele enttäuscht, dass es nicht geklappt hat, die Summe von 75 Millionen € auf 96 Millionen € zu erhöhen. Das ist wahr. Aber wenn Sie heute mit Jugendverbänden sprechen, wenn Sie heute über deren Sitzungen und deren Verlauf hören, dann wissen Sie, dass die sagen: Wir hätten uns zwar mehr gewünscht, aber wir können jetzt einmal fünf Jahre mit einer klaren Summe planen. Wir sind froh, dass es jetzt fünfmal 75 Millionen € gibt und dass trotz weiterer Konsolidierung nicht dauernd bei uns hineingeredet wird. – Das ist die Stimmung, die Sie heute bei den Jugendverbänden hören. Das ist eine ganz wichtige Sache.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe)

Wir reden ab und an mit denen, und die sagen mir das. Vielleicht möchten Sie etwas anderes hören. Aber diese Planungssicherheit ist heute da. Die hat es vor dem Jahre 2005 nicht gegeben. Da wurde Jahr für Jahr in den Kinder- und Jugendförderplan hineingegriffen. Jetzt ist fünf Jahre lang eine klare Planungsgrundlage für die Verbände da.

Wir wollen erreichen, dass junge Menschen mit Begeisterung von ihrem Recht auf Teilhabe Gebrauch machen. Die jungen Menschen wollen sich engagieren. Ich habe im Januar mit dem Kinder- und Jugendrat Nordrhein-Westfalen eine sehr intensive Diskussion gehabt, die ich auch fortsetzen will. Deshalb ist das, was die BertelsmannStiftung uns in ihrer Untersuchung sagt, richtig: Einen Königsweg für Beteiligung gibt es nicht. Man sollte auch nicht so tun, als wenn es ihn gäbe. Es gibt mehrere geeignete Wege. Diese Wege zu gehen, den Kommunen vor Ort beispielsweise Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche einzuräumen, ist ganz wichtig.

Besser als der Wunschzettel, den die Grünen hier eingereicht haben, ist es, die Politik konkret zu unterstützen. Ich bin froh, dass die Koalitionsfraktionen im Haushalt 2007 300.000 € für die Erprobung und die Weiterentwicklung von Beteiligungsprojekten im kommunalen Raum bereitgestellt haben. Jetzt können wir Kinder- und Jugendforen konkret fördern. Jetzt können wir Jugendtage in Rathäusern konkret fördern. Jetzt können wir Jugendliche an Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung beteiligen. Wir können im Offenen Ganztag Mitsprache- und Mitwirkungsprojekte fördern. Und wir können Projekte zur Gestaltung des Wohnumfeldes fördern. Dies findet im Moment über viele Anträge im ganzen Lande statt, sodass auch das hilft.

Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen, zum Wahlalter: Ich würde mir wünschen, dass die Wahlbeteiligung bei den jungen Menschen mit 18 Jahren am höchsten ist und nicht ausgerechnet bei immer älteren Menschen. Ich glaube nicht, dass man eine höhere Beteiligung dadurch erreicht, dass man das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre herabsetzt.

(Beifall von CDU und FDP)

Ein Wahlalter von 16 Jahren ist keine Garantie für Demokratie.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, nachzuschauen, wo auf der Welt es das Wahlalter von 16 Jahren gibt: Das ist nur in ganz wenigen Ländern der Fall, insbesondere in Nicaragua und in Kuba. Es kann aber wohl niemand sagen, dass die Beteiligungsrechte in Nicaragua und Kuba für Jugendliche besonders gut ausgeprägt sind.

Es kommt auf die Qualität und darauf, dass man, wenn man mit 18 Jahren zur Wahl geht, gut vorbereitet ist, vorher in seinen demokratischen Rechten durch viele, viele Maßnahmen gestärkt worden ist. Das ist unser Ziel. Daran wird diese Landesregierung arbeiten und sich in fünf Jahren

messen lassen. Ich sage Ihnen: Die Projekte, die wir angestoßen haben, sind mehr, als in den fünf Jahren vor der letzten Wahl in diesem Land passiert ist. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laschet. – Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung, die ich hiermit schließe.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Generationen, Familie und Integration empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 14/2980, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/2871 abzulehnen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Das ist Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Das ist die SPD-Fraktion. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Wir kommen zu:

13 Worte in Taten umsetzen: Giftmüllimport aus Australien nicht genehmigen!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/4018

Ich eröffne die Beratung und erteile das Wort Herrn Abgeordneten Gatter von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade Sondermüll ist ein sensibles Thema. Deswegen am Anfang eine Bemerkung dazu: In der Angelegenheit der Transporte aus Australien haben viele Leute eine bestimmte Sensibilität vermissen lassen, und zwar sowohl die Firmen, die damit umgehen, auch in ihrer Informationspolitik gegenüber den Bürgern, wie auch diejenigen, die diesen Müll verbrennen lassen wollen.

Bemerkungen, dass der Müll aus Australien komme und man ihn bei uns nicht verbrennen könne, weil die Akzeptanz bei den Bürgern nicht vorhanden sei, stellen keine gute Ausgangslage dar.

Eines ist ganz wichtig: Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen ordentliche Anlagen; wir sind eigentlich auch stolz darauf, dass es sie gibt; sie funktionieren. Aber wir müssen für Transparenz

sorgen, damit die Bürger diese Anlagen auch akzeptieren. Das ist ganz wichtig.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Gerade in Deutschland führten die hohe Sensibilisierung und die intensive Diskussion zu sehr hohen Umweltstandards. Gott sei Dank! Daraus folgt, dass wir hier die modernsten Anlagen für die Entsorgung von Sondermüll haben. Das ist auch gut so.

Die Fragen, die sich die Bürger jetzt stellen, kann ich aber nachvollziehen. Denn in diesem speziellen Fall geht es um 22.000 t Sondermüll einer australischen Sprengstofffabrik, die in Australien jahrzehntelang gelagert wurden und nun quer über den Ozean transportiert werden sollen. Bei dem Sondermüll handelt es sich um Destillationsrückstände, Bauschutt und behaftete Verpackungsmaterialien.

Schauen Sie sich diesen Müll einmal genau an! Bauschutt hat etwas mit Fabrikationsanlagen zu tun. Auch behaftete Verpackungsmaterialien sind nicht auf einmal entstanden; die Kolleginnen und Kollegen in Australien haben damit schon länger gearbeitet. Deswegen finde ich es sehr ärgerlich, dass sie nicht versucht haben, einen Weg zu finden, das auf eigenem Gebiet zu entsorgen.

Ich darf einmal ganz kurz aus dem „Europäischen Wirtschaftsdienst“ vom 20. März zitieren:

Zahlreiche Versuche in den letzten drei Jahrzehnten hätten gezeigt, dass in Australien keine ausbaufähige Alternativen für eine Entsorgung vor Ort bestehe.

Darüber muss man einmal nachdenken: „zahlreiche Versuche in den letzten drei Jahrzehnten“! Das heißt doch auf Deutsch, dass die Australier es drei Jahrzehnte lang versäumt haben, für Entsorgungsmöglichkeiten in ihrem eigenen Land zu sorgen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Jetzt wird es ganz kompliziert. Ich würde mir wünschen, dass Australien es ähnlich wie China machen würde; denn China holt nordrhein-westfälisches Know-how, um eigene moderne Verbrennungsanlagen zu bauen.

(Beifall von Johannes Remmel [GRÜNE])

Denn ich finde den Transport von Sondermüll nicht so gut wie den Transfer von Technologie, auch wenn das über 16.000 km geht.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Jetzt komme ich zu dem Punkt, der mich eigentlich am meisten ärgert. Dass wir das Know-how transferieren, würde dem Geist des Baseler Abkommens mehr entsprechen als die Haltung der Australier, die 30 Jahre lang nichts getan haben.

Das Baseler Abkommen soll Sondermülltransporte aus Industrieländern in Entwicklungsländer verhindern. Industrieländer sollen eher Entwicklungsländer bei Entsorgungsproblemen unterstützen. Aber der Export von einem Industrieland in ein anderes Industrieland ist sicherlich nicht im Geiste des Baseler Abkommens. Dies ist einer der Aspekte dieses eigentlich sehr ärgerlichen Vorganges.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Die SPD-Fraktion steht zu diesen Entsorgungsmöglichkeiten in Nordrhein-Westfalen. Aber in diesem speziellen Fall darf man vielleicht doch mal nachfragen, ob das alles so fürchterlich sinnvoll ist, was da passiert, und ob die Bürger das alles noch nachvollziehen können.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Mit dem Antrag, den wir gestellt haben, gehen wir der Regierung – das muss ich zugeben – vielleicht ein wenig auf den Keks. Am Anfang hat der Umweltminister gesagt: Wulle mer nit – hätte man in Köln gesagt –, aber wir müssen. – Dann haben wir nachgefragt: Müssen wir denn wirklich? – Und dann gab es verschiedene Interpretationen des Ermessensspielraums. Schauen wir einmal, ob wir in diesem Ermessensspielraum aus nordrheinwestfälischer Sicht sagen können: Nein, das wollen wir nicht.

Was wir vorschlagen, ist eigentlich nichts Dramatisches. Wir schlagen erstens vor, dass wir über diesen Ermessensspielraum noch einmal diskutieren.

(Svenja Schulze [SPD]: Ja!)

Zweitens wollen wir den Ermessensspielraum nutzen, sobald wir wirklich wissen, wie er aussieht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Und drittens – das ist für mich das Wichtigste –: Da wir diese Anlagen und das Know-how in Nordrhein-Westfalen haben, sollten wir damit offensiv umgehen und eine Werbe- und Export-Offensive für Entsorgungstechnologie aus NordrheinWestfalen in den Ländern der Welt starten, die ähnliche Probleme wie Australien haben. Ich denke: Wenn die Australier früh genug bei uns nachgefragt hätten, hätten wir ihnen gerne die Chance gegeben, sich da unten mit nordrhein

westfälischer Technologie eine kleine schmucke Anlage für 22.000 t zu bauen. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gatter. – Für die zweite antragstellende Fraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, erhält Herr Remmel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben den Sachverhalt schon mehrfach – auch in den Ausschüssen – diskutiert. Ich will es hier aber auch noch einmal tun, damit klar ist: Wir reden nicht über die generelle Frage der Sondermüllverbrennung in Nordrhein-Westfalen. Wir reden auch nicht über die Notwendigkeit, gewisse Verbrennungskapazitäten für Sondermüll wie Herbizide und Pestizide aus – ich sage einmal – sehr armen Staaten bereitzuhalten, diese Stoffe einzusammeln und hier zu verbrennen. Wir reden auch nicht über die Notwendigkeit, Sondermüll im europäischen Kontext grenzüberschreitend zu verbrennen.