Protocol of the Session on March 8, 2007

(Beifall von der FDP)

All das und noch vieles andere mehr sind Maßnahmen, zu denen wir Sie jetzt gerne einladen, Herr Eiskirch. Wenn allerdings ortspolitische Koalitionsabsprachen dazu führen, dass Straßen, die wir zur infrastrukturellen Verbesserung brauchen, nicht gebaut werden, weil es rot-grüne Mehrheiten sichert, dann wiederum ist jede Standortpolitik ad absurdum geführt. Das müssen wir an dieser Stelle auch sagen.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich glaube allerdings, dass Sie zur Wende in der Lage sein könnten. Denn wenn ich Ihren Antrag richtig lese, dann sagen Sie zumindest, dass das Ziel-2-Programm mit dem Wettbewerb der Regionen im Prinzip der richtige Ansatz ist.

Wenn sie insofern diesen Gedanken als richtig erkennen, geben wir die Hoffnung nicht auf, dass Sie endlich, Herr Eiskirch, zwischen Ihren Sonntagsreden und Ihrem Alltagshandeln irgendwann doch zur Deckungsgleichheit kommen.

Das sind wir übrigens dem Ruhrgebiet, in dem Sie unstreitig in vielen Bereichen Verantwortung tragen, gemeinsam schuldig. Dieser Verantwortung werden wir nachkommen müssen. Es macht keinen Sinn, wie Sie es immer tun, reflexartig aufs Land und auf die Landesregierung zu verweisen. Denn, Herr Eiskirch, der Zustand des Mangels an Arbeit im Ruhrgebiet ist ein Ergebnis sozialdemokratisch orientierter Politik, die letztendlich jedem Wandel im Ruhrgebiet einen Riegel vorgeschoben hat, indem man die Produktion gesichert und nicht Strukturwandel betrieben hat. Das gehört zur Wahrheit dazu. Das müssen wir so sagen, und das müssen Sie an dieser Stelle auch ertragen.

Wir müssen allerdings auch – und da sind wir einig – Wege finden, meine Damen und Herren, es den Kommunen, die im Nothaushaltsrecht sind, zu ermöglichen, sich am Wettbewerb um Ziel-2Mittel zu beteiligen.

(Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE])

Aus der Haushaltssituation vor Ort darf sich kein Ausschluss an Chancen ergeben. Deswegen muss allerdings auch sichergestellt sein, dass aus diesen Bemühungen heraus keine höhere Verschuldung der Städte entstehen darf. Da sind wir sehr wahrscheinlich noch nicht am Ende des Ziels, aber wir werden daran arbeiten, das zu ermöglichen.

Und dann gibt es noch einen Ihrer offensichtlichen Erkenntnisgewinne, Herr Eiskirch, der es mich hoffen lässt, dass Sie doch noch den richtigen Weg finden; denn Sie schreiben in Ihrem Antrag auch, dass man die Hochschulen und wissenschaftlichen Institute vor Ort stärken und deren Innovationsgewinne quasi als Wachstumsmotor für das Land nutzen muss. Richtig!

Dann muss man allerdings auch bereit sein, neue Technologien anzuwenden und neuen Technologien den Weg zu ebnen, anstatt durch ständige Bedenken vor Ort, durch Behinderungen, durch Verhinderungen letztendlich jede Innovation in diesem Land zu ersticken, Ideen aus unserem Land zu treiben und sie vielleicht sogar bis ins Ausland zu jagen.

Dann kommen wir zu Ihren Punkten, die Sie in Ihrem Antrag unter Abschnitt VI aufgeführt haben und die Sie gerne vom Landtag beschlossen hätten.

Zu Punkt 1, 2 und 3 möchte ich Ihnen gerne sagen, dass das durch den Kohlekompromiss abgedeckt ist.

Zu Punkt 3: Was den Börsengang angeht, der behindert worden sein solle, glaube ich, dass er durch diejenigen behindert wurde, die über Wochen und Monate – aus welchen Beweggründen auch immer – den Sockelbergbau als Banner vor sich hergetragen haben. Das war, glaube ich, die eigentliche Behinderung dieses Bereiches.

(Beifall von CDU und FDP)

Zu Punkt 4, Herr Eiskirch, gehe ich davon aus, dass auch die Landesregierung ein Interesse am Erhalt von 3.000 Ausbildungsplätzen hat und dass es dort zu Gesprächen kommen wird.

Zu Punkt 5 im genannten Ansatz, ehemalige Bergbauflächen zu revitalisieren, habe ich bereits ausgeführt: Wer das möchte, der muss Revitalisierung ermöglichen, indem infrastrukturelle Maßnahmen zeitnah und schnell erfolgen können. Nur so kann letztendlich eine vernünftige Flächenbewirtschaftung durchgeführt werden. Allerdings kommt dort hinzu, dass wir auf diesen altindustriellen Flächen oftmals Restriktionen haben, zum Beispiel in Sachen Kampfmittelräumung. Wir müssen klären, wie unter vertretbaren Kosten diese Restriktionen wahrgenommen bzw. ausgeschaltet werden können, sodass wir dort kostenvertretbar zu neuen Flächen kommen.

Zu Punkt 6 gehe ich davon aus, dass die Landesregierung mit den Kommunen, die jetzt von der Schließung von Standorten betroffen sein werden, das Gespräch sucht, um dort unterstützend tätig zu werden.

(Beifall von der CDU)

Dass dies bei Ihnen aber sofort in Hunderte-vonMillionen-Programmen enden muss, ist offensichtlich wiederum die alt geübte Praxis, die nachweislich in den letzten Jahrzehnten wenig erfolgreich war.

Zu Punkt 7: Ob die Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs „Neue Arbeit für alte Standorte“ notwendig ist, sei dahingestellt. Nach unseren Erkenntnissen gibt es im Ruhrgebiet genügend Know-how, das einfach nur entfesselt werden muss. Es gilt letztendlich, dass wir diese Chancen nutzen und aufnehmen. Aber jede neue Idee im Ruhrgebiet, die neue Arbeit schafft, wird unsere Unterstützung finden.

Insofern, Herr Eiskirch und liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere der SPD, freuen wir uns auf die Beratungen im Ausschuss. Wir werden

schauen, wie viele Erkenntnisgewinne bei Ihnen wirklich angekommen sind. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kollege Hovenjürgen. – Als Nächster spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Priggen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte gerne acht Punkte für die Beratung im Ausschuss nennen, weil ich es für richtig halte, dass wir uns im Ausschuss intensiver mit der Frage beschäftigen, was mit allen Standorten geschieht, aus denen sich die Kohle in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren schon zurückgezogen hat oder sich in den nächsten Jahren bis 2018 noch zurückziehen wird.

Das ist eine notwendige Aufgabe. Denn natürlich entstehen jedes Mal, wenn ein Zechenstandort mit 3.500 Beschäftigten und den Sekundäreffekten im Umfeld aufgegeben wird, aufgrund der großen Flächen, die vorher in der Nutzung waren, und der großen Zahl von Arbeitsplätzen, die dann im Bergbau nicht mehr sein können, Probleme.

Deswegen sollten wir uns – erstens – dafür einsetzen, dass der Entwurf für das Steinkohlegesetz, das ja noch die Finanzierung regeln soll, vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht wird, damit klar ist, was an Finanzierung noch notwendig ist, und damit daraus auch weitere Folgerungen gezogen werden können.

Der zweite Punkt hängt damit zusammen. Wenn ich es richtig verstehe, sieht der Fahrplan so aus: Erste Lesung im Bundestag vor der Sommerpause und kurz darauf Aufsichtsratssitzung der RAG und Festlegung einer neuen Stilllegungsplanung für die einzelnen Standorte. Das ist richtig. Das sollte man aber auch vorher gegenüber dem Landtag transparent machen. Es ist keine einsame Unternehmensentscheidung, sondern die Abwägung der verschiedenen berechtigten Belange der Beschäftigten, der Standortkommunen, der vom Bergbau Betroffenen und auch des Landes, das ja hinterher in weiten Teilen die Zeche dafür zahlen soll. Dieser Prozess sollte gegenüber diesem Hause öffentlich und transparent gemacht werden, damit auch klar ist, inwieweit das Land finanziell eingebunden ist.

(Beifall von der CDU)

Dritter Punkt: Wir haben nach der Diskussion des KPMG-Gutachtens erfahren, dass die RAG rund 2.200 alte Schächte hat, deren genaue Lage und Zustand sie nicht kennt, und dass die Sanierung dieser Schächte etwa 440 Millionen € kosten soll.

Der Kollege Hegemann möchte eine Zwischenfrage stellen.

Ja, Herr Kollege Hegemann, bitte schön, ich gebe Ihnen das Wort.

Herr Priggen, würden Sie mir Recht geben, dass sich diese Schächte zwar im Ruhrgebiet befinden, aber nicht der RAG gehören und sich auch nicht im Verantwortungsbereich der RAG befinden, sondern in dem der Altgesellschaften?

Herr Kollege Hegemann, ich stelle Ihnen gerne das Gutachten von KPMG und meine inhaltliche Zusammenfassung zur Verfügung. Das ist jetzt nicht höhnisch gemeint. In dem Gutachten steht explizit drin: 2.200 Schächte in Verantwortung der RAG. – Mir ist sehr wohl bekannt, dass es rund 24.000 alte Schächte allein in Nordrhein-Westfalen gibt. Auch das stelle ich Ihnen gerne zur Verfügung, die Bestandsaufnahme der Bezirksregierung Arnsberg. Aber 2.200 Schächte befinden sich im Verantwortungsbereich der RAG. Davon sind nach meinem Kenntnisstand etwa 800 im Saarland, und der Rest ist in Nordrhein-Westfalen.

Darüber hinaus gibt es – das ist richtig – noch viele weitere Schächte in Verantwortung der Alteigentümer und auch Schächte aus den Jahren des Erzbergbaus im Sauerland und im Siegerland. Aber, Herr Hegemann, glauben Sie es mir: Die 2.200 befinden sich in der Verantwortung der RAG. Das könnte ich Ihnen aus dem KPMGGutachten zitieren. Das ist überhaupt nicht streitig. Die Ministerin kann das bestätigen. Das steht da drin.

Mein Petitum ist doch nur: Im Gutachten steht, diese Schächte sollen nach Stilllegung der letzten Zeche in den 20 Folgejahren saniert werden. Das ist für die Standorte nicht vernünftig. Denn man kann mit der Sanierung der Schächte, bei denen ja unstrittig ist, dass sie in Verantwortung der RAG sind, sofort beginnen. Man kann das unter Umständen auch mit Personal aus dem laufenden Betrieb machen. In dem Maße, in dem diese Schächte saniert sind, hat man beim Grundwasserwiederanstieg weniger Probleme. Dann können diese Gebiete als gesichert auch in eine wei

tere Folgenutzung gehen, ob Wohnungsbau oder industrielle Nutzung.

Insofern können wir an der Stelle über alle Fraktionen hinweg keine Differenzen haben, dass das sinnvoll ist. Die Sanierung muss sowieso gemacht werden. Die Gelder für die Sanierung kann der Bergbau ja nicht aus dem laufenden Betrieb holen. Sie werden öffentlich zur Verfügung gestellt werden müssen.

Aus meiner Sicht wäre es richtig, das jetzt schon in die Verhandlungen hineinzunehmen und jetzt schon klarzumachen, dass das auf der Strecke bis 2018 gemacht wird und nicht erst nach Stilllegung der letzten Zeche. Denn wenn das saniert und gesichert ist, kann ich die Grundstücke wieder in die Verfügung bringen.

Das muss ein Missverständnis sein, Herr Hegemann. Glauben Sie mir: Es ist so. Es kann nur konsensual vernünftig sein, damit jetzt schon anzufangen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das war der dritte Punkt.

Der vierte Punkt ist mir besonders wichtig. Man muss, wenn man den Börsengang macht und wenn man das alles jetzt einstielt, so wie es sich gehört, darauf achten, dass die Rechte derjenigen gewahrt werden, die vom Bergbau negativ betroffen sind, also derjenigen, die Schäden an ihrem Eigentum zu verzeichnen haben oder noch erleiden werden. Die Schäden an öffentlichen Gebäuden und an privaten Gebäuden müssen eindeutig den Ewigkeitslasten zugeordnet werden. Dazu haben wir ja gleich noch einen Tagesordnungspunkt, was einen speziellen Fall, nämlich die Deichfragen, angeht. Aber das betrifft auch andere Bereiche. Es muss auch darauf geachtet werden, dass wir nicht immer nur die Sozialverträglichkeit für die Bergleute und ihre Familien im Auge haben – das tun wir, und das ist auch richtig –, sondern dass wir auch die Sozialverträglichkeit für diejenigen, die mit ihrem privaten Eigentum nachher die Zeche zahlen, berücksichtigen.

Mein fünfter Punkt betrifft das von der SPD angesprochene Sonderprogramm von 200 Millionen € jährlich. Wir sind der Auffassung, dass es kein Sonderprogramm geben muss. Wir meinen, dass es in dem neuen Ziel-2-Programm ausreichend Gelder gibt, sogar mehr Gelder als vorher, und dass wir sehr wohl im Ausschuss vernünftig darüber diskutieren können, ob man nicht aus dem Bereich gezielt auf die Steinkohlerückzugsstandorte einen kleinen Untertitel anlegt und damit sagt: Es ist Aufgabe der Politik der Landesregierung und aller, dafür zu sorgen, dass diese Standorte,

die jetzt besonders betroffen sind, in dem Bereich auch eine gewisse Chance haben und zum Zuge kommen. Dazu braucht es aber kein Sonderprogramm und keine 200-Millionen-€-Ausschüttung, sondern das kann aus den laufenden Programmen gemacht werden.

Sechster Punkt. Mit dem, was Herr Hovenjürgen eben gesagt, stimme ich überein. Ich kann mir bei den anderen Kollegen eigentlich keinen Widerstand vorstellen. Wir haben Kommunen im Land, die im Haushaltssicherungskonzept sind oder die einen Nothaushalt haben. Es ist natürlich richtig, dass für die Kommunen, die bei der Ziel-2Förderung Schwierigkeiten haben, wenn sie Bergbaurückzugskommunen sind, diskutiert werden muss, ob es nicht eine Chance gibt, sie an dieser Stelle etwas freier zu stellen, damit sie überhaupt bei den zusätzlichen Problemen durch den Rückzug des Bergbaus eine Chance haben, im Ziel-2-Programm punktuell tätig zu werden,

(Beifall von der CDU)

und zwar nicht wie früher für eine repräsentative Anlage des Oberbürgermeisters, sondern für wichtige infrastrukturelle Vorhaben, die die Arbeitsplatz- und die Standortfrage positiv aufgreifen. Bei diesen Themen soll eine gewisse Lockerung für die Kommunen diskutiert werden.

Siebter Punkt. An dieser Stelle ist auch zu diskutieren, ob wir den Eigenanteil der Kommunen, der bei diesem Programm notwendig ist und der abgesenkt werden kann – dazu haben Sie die Kompetenz –, mit genau dieser Begründung in wenigen ausgewählten Kommunen absenken, um ihnen bei der Bewältigung des Kohlerückzugs zu helfen.

(Beifall von der CDU)