Unsere politische Botschaft – das will ich ganz klar sagen – ist eine andere: Wenn die Gemeinden ihre Abwasserbeseitigungspflicht auf Dritte übertragen wollen, dann sollen die das nur unter fairen und wettbewerbsrechtlich klaren Bedingun
gen, unter anderem nach Ausschreibungen, tun können. Das heißt, es müssen für alle Interessenten, nicht nur für die Verbände, sondern auch für interessierte Dritte, gleiche Markteintrittsbedingungen gelten. Wir sagen Ja zur Entscheidungsfreiheit der Kommunen. Die Kommen sollen selbst entscheiden können, ob sie die Abwasserbeseitigungspflicht selbst übernehmen oder ob sie sie nach Ausschreibung an Dritte, an Private oder Verbände, übertragen wollen. Das ist unser Ziel. Dem stehen beim Landeswassergesetz sicherlich momentan noch die Diskussionen über Mehrwertsteuer und Brüssel entgegen, aber das ist die politische Vision, die ich habe.
Das in den letzten Tagen hier verteilte und Ihnen allen vorliegende Schreiben der Wasserverbände zeugt von einem immensen Selbstbewusstsein. Ich sage ganz deutlich: Die Wasserverbände sind leistungsfähige Einheiten, die ausgesprochen gut arbeiten, eine gute Technik haben. Ich frage mich aber, warum jemand, der so gut ist, den Wettbewerb fürchtet. Da kann doch etwas nicht richtig sein. Wir sagen Ja zum Wettbewerb. Hier haben die Wasserverbände eine gute Chance, und die Privaten können sich auch bewähren. Nach Ausschreibung kann das durchaus eine sinnvolle Sache sein.
Wegen der hohen Leistungsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Wasserverbände gehe ich heute sogar so weit zu sagen: Lasst uns doch einmal ein anderes Modell für die Wasserverbände andenken. Lasst doch einmal im Ausland gemeinsam mit Privaten und Wasserverbänden PPP-Projekte konzipieren, und zwar mit nordrhein-westfälischer Technik und nordrheinwestfälischen Organisationsformen, um die nordrhein-westfälische Wasserwirtschaft zu einem Exportschlager für uns zu machen. Das ist ein neuer Gedanke, über den wir gerne reden können. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Fraktion der SPD spricht jetzt der Abgeordnete Kuschke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Stichwort „Schnellschuss“: Natürlich ist der vorliegende Gesetzentwurf ein herausragender Schnellschuss. Allein die Tatsache, dass Sie diesen Gesetzentwurf über die Koalitionsfraktionen einbringen, Herr Minister, macht doch deutlich, welche Eile Sie verspüren.
Sonst wäre dieser Gesetzentwurf doch ein Gesetzentwurf der Landesregierung. Herr Minister Uhlenberg, wir wissen ja beide, worüber wir reden.
Erstens. Sie sind in dieses Thema mit dem Hinweis auf Kostenreduzierung eingestiegen. Daraufhin habe ich mir noch einmal den Gesetzestext durchgelesen und dabei festgestellt, dass Sie in der Problemdarlegung ganz anders argumentieren. Ich nehme an, Sie werden es nicht alleine formuliert, sondern eine gewisse Hilfestellung durch das Ministerium gehabt haben. In dem Gesetzentwurf steht, dass es um den Rechtsstreit zwischen dem Lippeverband und dem Land Nordrhein-Westfalen geht, der schon mehrfach angesprochen worden ist, bei dem die Rechtauffassung vertreten worden ist, dass der Lippeverband ein Zugriffsrecht auf die Aufgabe der Abwasserbeseitigung hat und das Land einer Übertragung der Abwasserkanäle auf den Verband zustimmen muss. Dort steht überhaupt nichts über Kosten und Finanzen, sondern ein paar Zeilen weiter heißt es – ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren –:
„Die Rechtsausführungen des VG Gelsenkirchen lassen dem Land keine Möglichkeit, wasserwirtschaftliche und strukturpolitische Erwägungen in einer Genehmigungsentscheidung zur Geltung zu bringen.“
Das ist die Begründung, die in der Problemstellung im Gesetzentwurf steht, und es ist also nicht eine Kostenreduzierung und nicht eine Gleichstellung zu Privaten. Ich komme darauf gleich zurück und werde Ihnen darstellen, dass genau das die Zielsetzung der Landesregierung ist, aber die taucht im Gesetzentwurf nicht auf.
Die wasserwirtschaftlichen Aspekte können vom Ministerium als oberste Wasserbehörde im weiten Umfang geltend gemacht werden. Das geht über Auflagen zur Erteilung wasserrechtlicher Erlaubnisse – Herr Kollege Ellerbrock, Sie wissen das – bis hin zu Entscheidungen im Rahmen der Gewässerunterhaltung beim Vollzug der Wasserrahmenrichtlinien, planungsrechtlichen Instrumenten, Wasservorranggebieten oder Gebietsermittlungsplänen usw. Das kann doch kein Grund sein.
Zweitens. Ich komme nun zur Ausgangslage in der Realität. Es gibt einen breiten politischen Konsens bis in die Kommunen hinein, dass aus guten Gründen die Abwasserbeseitigung eine öffentlich-rechtliche, am Gemeinwohl orientierte Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge ist.
So wird sie auch zu mehr als 90 % in der gesamten Bundesrepublik organisiert. Sie wird als sehr leistungsfähig und aufgrund von verschiedenen Qualitätsuntersuchungen auch kostenmäßig als hervorragend wahrgenommen. Es gibt also überhaupt keine Veranlassung, etwas am jetzigen Status quo zu ändern, es sei denn, man hätte etwas ganz anderes vor.
Meine dritte Anmerkung: Es ist richtig: Obwohl es nicht im Gesetzentwurf steht, geht es Ihnen darum, dass Sie in einem weiteren Bereich dem Slogan „Privat vor Staat“ zu Recht verhelfen wollen.
Das ist die eigentliche Zielsetzung. Es geht also nicht um eine möglichst gute Ausgangsposition für die Bürgerinnen und Bürger, sondern es geht darum, dass hier zulasten der Kommunen und zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger etwas verändert werden soll.
Es ist gerade darauf hingewiesen worden, dass es sich um Abwasser handelt. Herr Kollege, in diesem Punkt sind wir schlicht bösgläubig. Wir sagen voraus: Derjenige, der jetzt über Abwasser und neue Regelungen in diesem Bereich spricht, ist sehr schnell beim Trinkwasser. Ich sehe es Ihnen, Herr Kollege Ellerbrock, an, Sie haben bereits den ersten Entwurf für eine entsprechende Initiative auf Ihrem Schreibtisch liegen. Es ist leider nur noch eine Frage der Zeit, bis das kommen wird. Leider ist das so.
Viertens. Am 28. Februar dieses Jahres hat eine interessante Veranstaltung in Berlin stattgefunden, an dem unter anderem der Bund Deutscher Entsorger beteiligt war. Auch Herr Staatssekretär Baganz und der uns allen bekannte Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte aus dem Bundeswirtschaftsministerium haben an dieser Veranstaltung teilgenommen.
Da ist die Katze aus dem Sack gelassen worden. Herr Baganz hat nämlich gesagt, „Privat vor Staat“ sei die Grundaussage des Landes Nordrhein-Westfalen. Man würde alles daran setzen, diesem Slogan auch im Bereich des Wasserrechtes, der Wasserwirtschaft Geltung zu verschaffen. Es ist eben nicht mehr von Gleichbehandlung die Rede gewesen, sondern sinngemäß ist gesagt worden: Die Kommunen dürften im Sinne einer qualifizierten Subsidiarität Aufgaben nur dann selbst durchführen, wenn sie es selbst besser könnten als Dritte. – Also keine Gleichbehandlung, sondern noch eine Steigerung durch die Umkehrung der Beweislast. Die Kommunen müssen nachweisen und belegen, dass sie es besser
Herrn Baganz – ich hätte es gerne gesehen, wenn er heute mal hier gewesen wäre, aber er scheut ja das Parlament – hätte ich gerne noch mit Aussagen konfrontiert, die er übergreifend gemacht hat, nämlich zu den drei Baustellen, die er und damit auch die Landesregierung sieht, wo man dem Grundsatz „Privat vor Staat“ Geltung verschaffen kann.
Er nennt erstens das Gemeindewirtschaftsrecht. Die Debatte haben wir gestern gehabt, und da haben Ihnen 25.000 Menschen draußen dargestellt, was sie davon halten. Übrigens: Ich garantiere Ihnen: Demnächst kommen noch ein paar tausend aus dem Bereich der Wasserwirtschaft hinzu.
Ja, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Ellerbrock. Wenn Sie die zulassen, würden wir die noch einbauen. Dann müssten Sie aber zum Ende kommen.
Herr Kuschke, ich hatte mich eben vielleicht nicht deutlich genug ausgedrückt und frage, ob Sie mich missverstanden haben.
Es mag richtig sein, dass wir in den Vorstellungen der FDP deutlich sagen: Jawohl, auch im Bereich der Wasserwirtschaft kann „Privat vor Staat“ für den Bürger wesentlich sinnvoller sein. Das ist ja auch richtig!
Ich habe vorhin an diesem Pult, an dem Sie jetzt stehen, für meine Fraktion eindeutig gesagt: Wir wollen die kommunale Entscheidungsfreiheit stär
ken und es den Kommunen überlassen, ob sie die Aufgabe selbst erfüllen oder ob sie sie nach Ausschreibung an Dritte, das heißt Private oder Verbände, vergeben. Das habe ich deutlich gesagt.
Wir kennen uns lange genug. Ich versuche, interpretationsfrei zu sagen, was ich meine, und so versuche ich zu handeln.
Herr Präsident! Lieber Herr Kollege, es kann ja sein, dass Sie das möchten – ich kann nicht in Ihr Herz schauen –, nur de facto schießt das am Ziel vorbei. Denn die Kommunen werden es schwer haben, über eine Anstalt öffentlichen Rechts oder über andere Instrumente und Verfahren diesen Weg überhaupt sicherzustellen, den Sie ihnen eröffnen wollen. Die Kommunen wollen diesen Weg gar nicht; sie brauchen diesen Weg gar nicht. Sie kümmern sich also um etwas, was von den Kommunen gar nicht nachgefragt wird.
Die zweite Baustelle – ich darf kurz fortsetzen und dann zum Ende kommen –, die von Herrn Baganz angesprochen worden ist, ist das Vergaberecht gewesen, und der dritte Bereich ist das Steuerrecht gewesen. Also, sämtliche „Folterinstrumente“ sind dort in bemerkenswerter Offenheit dargelegt worden. Wir wollen mit den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen – das ist die letzte Anmerkung –, Ihren neoliberalen Privatisierungsbestrebungen widerstehen.
Da wackelt der Hund wieder mal mit dem Schwanz, Herr Minister Uhlenberg. Dadurch wird deutlich – ich hätte das nie gedacht –, welche Schwäche Sie in Ihrem Arbeitsbereich aufzeigen. Wir werden mit interessierten Verbänden und anderen, die dazugehören, eine Anhörung beantragen und durchführen. Dann steigen wir vertieft in die sachliche Auseinandersetzung zu diesem Punkt ein. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kuschke. – Als nächster Redner ist der umweltpolitische Sprecher der GrünenFraktion angekündigt. Herr Remmel, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte mir eigentlich etwas anderes überlegt, aber ich
Herr Ellerbrock hat gesagt, es ginge darum, dass die Kommunen die Möglichkeit hätten, etwas auszuschreiben, und dann könnten sich Private und Wasserverbände gleichermaßen bewerben. Dass das Ihre Position ist, ist mir klar, aber es irritiert mich, dass der Minister dabei genickt hat.
Ich habe die Operation bisher so verstanden – das wurde im Ausschuss übrigens auch von der CDU so begründet –, dass es um die Aufrechterhaltung – auch mit dem Gesetzentwurf, der jetzt vorgelegt ist – des Prinzips geht, dass Abwasserbeseitigung hoheitliche Aufgabe ist. Das steht so im Landeswassergesetz. Deshalb können Abwasserkanäle als öffentliche Infrastruktur eben nicht übertragen werden.
Ich hoffe, dass das auch der Grundsatz der Gesetzesinitiative der Koalitionsfraktion ist. So habe ich es jedenfalls bisher verstanden.