Protocol of the Session on March 7, 2007

geschafft. 1995 gab es das Urteil. Bis zum Jahr 2005 haben Sie nichts angepackt, weil Sie Angst vor einer entsprechenden Reformdiskussion hatten. Diese Angst haben wir nicht. Wir gehen da heran, wie wir es auch bei allen anderen Reformvorhaben machen, nämlich mit Augenmaß und sozialer Balance. Es ist schlichtweg eine Lüge, dass die Mitbestimmungsrechte geschleift werden, wenn wir das anwenden, was im Bund und in den meisten Bundesländern Anwendung findet, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Das ist exakt die Rechtsanwendung, wie sie woanders auch stattfindet. Das ist absolut in Ordnung so. Dass dabei die von Ihnen angesprochenen Punkte eine Rolle spielen – Stichwort „Umsetzung“, Stichwort „Technologieparagraf“ –, ist völlig richtig. Aber das läuft in allen anderen Bundesländern und auch im Bund alles wunderbar. Wir haben uns an der Stelle angepasst, und zwar 1:1, wie wir es auch bei vielen anderen Dingen getan haben.

In der Frage der Freistellung haben wir eine klare Botschaft: Wir setzen auf der Bundesregelung auf. Wir haben an zwei Stellen eine Ergänzung vorgenommen, nämlich in der Frage der Konkretisierung der Freistellung unter 300. Das, was bisher als faktische Freistellung da war, ist mit zwölf Stunden transparent gemacht worden. Wir haben an einer Stelle eine Änderung vorgenommen, soweit es um die Begrenzung der Stufenvertretungen geht. Und schließlich geht es um den Sonderbereich der Schule.

Sie wissen doch, dass es schon zu Ihrer Zeit den Auftrag des Landesrechnungshofs gab, sich mit den Dingen zu beschäftigen. Das haben wir getan und am Ende 160 Freistellungen erreicht, die zurück in die Schule gehen. Das ist eine gute Botschaft für die Kinder und Eltern in unserem Land, meine Damen und Herren.

Bei all der Aufregung stelle ich fest: Wir haben uns an das gehalten, was auch im Koalitionsvertrag steht. Wir wollen eine weitgehende 1:1Umsetzung. Wir gehen das engagiert an und befinden uns jetzt im Verfahren der Verbändeanhörung. Parlamentarisch kann alles noch in Ruhe beraten werden, wenn wir Ihnen das Gesetz nach einem Kabinettbeschluss vorgelegt haben. Bis dahin rate ich dazu, verbal insgesamt abzurüsten und sich auf die Fakten zu besinnen. Wir machen das, was viele andere in dieser Republik auch machen. Und das hat sich bewährt, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die Fraktion der SPD hat der Kollege Dr. Rudolph das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Innenminister hat allen Grund, die Auseinandersetzung, die er sich mit den Gewerkschaften aufgeladen hat, zu verharmlosen und zu verniedlichen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Der Fraktionsvorsitzende der FDP spricht auf den entsprechenden Veranstaltungen seiner Partei deutlichere Worte. Deswegen sage ich zunächst: Die SPD steht in dieser schweren Auseinandersetzung an der Seite der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Wir unterstützen deren Protest.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich kündige Ihnen an: Wir werden alle parlamentarischen Mittel nutzen, um deutlich zu machen, worum es Ihnen geht, nämlich um nichts anderes als den massiven Abbau von Teilhaberechten, die Schwächung der Personalräte und der Gewerkschaften.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir treten dafür ein, dass ein Herzstück sozialdemokratischer Mitbestimmung erhalten bleibt, und leisten gemeinsam Widerstand dagegen, dass Nordrhein-Westfalen – darum geht es – seinen guten Ruf als soziales Gewissen der Bundesrepublik verliert. Sie sollen ruhig wissen: An der Stelle ist bei uns durchaus Herzblut im Spiel, denn das Landespersonalvertretungsgesetz aus dem Jahre 1984 ist und bleibt ein Kronjuwel sozialdemokratischer Regierungspolitik unter Johannes Rau.

(Beifall von der SPD)

Genau deshalb hat Ministerpräsident Johannes Rau am 10. Juni 1985 vor diesem Landtag – ich zitiere aus seiner Regierungserklärung – ausführen können:

„Zum sozialen Frieden gehört, dass wir die Montanmitbestimmung dauerhaft sichern und die Mitbestimmung der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften ausbauen, wie wir das mit dem Landespersonalvertretungsgesetz getan haben. Wer Mitbestimmung verweigert, hat aus der Vergangenheit unseres Industrielandes nichts gelernt.“

(Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das ist es: Die Regierung Rüttgers hat aus der Geschichte unseres Landes nichts gelernt.

Wer heute die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst schleifen will, der wird sich morgen an der Mitbestimmung und der Betriebsverfassung in der Wirtschaft vergreifen.

(Beifall von der SPD)

Es wird – auch das sei hier eingefügt – schön deutlich, dass die Koalition in Düsseldorf offensichtlich immer noch auf der Basis des CDUWahlprogramms zur letzten Bundestagswahl arbeitet.

Es ist erstaunlich zu erkennen, wie sehr sich die CDU in der Großen Koalition verändert hat. Deswegen wird auch hier noch einmal recht deutlich, was es heißt, von Schwarz-Gelb regiert zu werden. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch liebe Sprachautomaten aus der Koalition,

(Beifall von der SPD)

Sie haben doch wahrscheinlich genauso wie wir gehört, dass der Ministerpräsident zu Beginn dieses Prozesses den Gewerkschaften versprochen hat, dass man anständig miteinander reden will.

(Frank Sichau [SPD]: Hört, hört!)

Wir sehen seit Wochen, was diese Versprechen wert waren.

(Zuruf von den GRÜNEN: Gar nichts! )

Denn über die Köpfe der Betroffenen hinweg hat das Kabinett in einer verschämten und heimlichen Nacht-und-Nebel-Aktion den Referentenentwurf durchgepeitscht.

(Beifall von der SPD)

Kein Wort mehr von Beteiligung. Deswegen hat der DGB-Landesbezirksvorsitzende Guntram Schneider Recht, wenn er sagt, Rüttgers besitze ein sizilianisches Verhältnis zur Wahrheit.

(Beifall von der SPD)

In der Regierung findet sich niemand, der die Interessen und Belange der Beschäftigten vertritt. Der Arbeitsminister kann es offensichtlich nicht. Er ist ja auch nicht da. Ich verstehe, warum. Die Debatte ist sehr unangenehm.

(Minister Karl-Josef Laumann: Ich sitze hier! Mach die Augen auf!)

Ach, er ist gerade eingetroffen. Entschuldigung, Herr Laumann, Sie waren wahrscheinlich gerade

draußen demonstrieren, um sozusagen den anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu helfen.

(Beifall von der SPD)

Der Chef der CDA-Mitglieder im Landtag – auch so etwas gibt es –, der Herr Kollege Preuß, hat neulich gedroht: Wir sind nicht bereit, all das so mitzutragen, was da an freiheitlichen Ideen entwickelt wurde.

Ich muss Ihnen ehrlich dazu sagen: Ihre Bilanz ist sehr dürftig. Es ist nichts dabei herausgekommen. Sie haben keine Verschlechterung verhindern können.

Der Kreisvorsitzende der Essener CDA hat gestern völlig zu Recht festgestellt, Wolfs Gesetzentwurf sei ein Rückfall in die Steinzeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist es. Der Gesetzentwurf ist kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt und reaktionär im Sinne des Wortes, nämlich ein Streben, nicht mehr Zeitgemäßes wiederherzustellen. Sie betreiben kein Benchmarking in Sachen Mitbestimmung und Demokratie, wenn Sie sich an einem 74er-Gesetz orientieren, sondern Sie betreiben Demokratiedumping. Sie schaffen bei den Beschäftigten nicht Motivation, sondern Misstrauen, und statt Leistungsbereitschaft werden Sie Verunsicherung herbeiführen.

Ich hatte gerade schon den Fraktionsvorsitzenden der FDP angesprochen, weil durch dessen Aussagen deutlich wird, welcher Geist dieser Referentenentwurf und die Absicht, die Mitbestimmung zu verschlechtern, eigentlich atmet. Der Fraktionsvorsitzende der FDP hat deutlich gesagt – ich zitiere ihn indirekt –, mit dem Staub, den man nun wegpuste, müsse man eben rechnen, und man müsse damit rechnen, dass der eine oder andere dabei huste.

Ich sage Ihnen voraus: Mit dem Staub, den Sie aufwirbeln, werden Sie es sein, der sich einen Dauerhusten holen wird. Sie müssen in der Tat aufpassen, dass Sie bei der nächsten Landtagswahl nicht von den Wählerinnen und Wählern weggepustet werden. Nehmen Sie auch den Rat des zitierten CDA-Kollegen ernst, der neulich gesagt hat: Wenn die CDU die nächste Wahl gewinnen will, muss Rüttgers aufpassen.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende aus Rheine ist da schon etwas weiter. Er hat kürzlich mitgeteilt: Wenn es so weitergehe mit der Landesregierung, seien die nächsten Wahlen verloren.

Ich muss zum Schluss kommen: Schaut man sich das alles an – Stichworte „Zerschlagung der Versorgungsverwaltung“ und „Freistellung von fast jedem vierten Arbeitsplatz der 1.800 Beschäftigten“, „Tariftreuegesetz“ –, dann kommt man zu einem Ergebnis. Betrachtet man dieses Kabinett, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass seit dem 22. Mai 2005 Heuschrecken über unser Land gefallen sind.

(Beifall von der SPD)

Sie fressen unter der Parole „Privat vor Staat“ in atemberaubender Geschwindigkeit das weg, was die Gewerkschaften und die SPD in jahrzehntelanger Arbeit mühsam aufgebaut haben. Aber Sie können sicher sein, dass wir das nicht nur mit ansehen. Sie werden uns treffen, nicht nur im Landtag, sondern auch in jeder Gemeinde, in jeder Stadt und in jedem Kreis NordrheinWestfalens. Wir werden eine sehr ausführliche, gepflegte und dezidierte Diskussion darüber führen, was Sie mit diesem Land anstellen. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Kollege Dr. Orth das Wort.