Protocol of the Session on March 7, 2007

Entgegen dem Ausdruck in der Tagesordnung haben sich die Fraktionen inzwischen darauf verständigt, heute keine Beratung vorzusehen. Die Beratung soll vielmehr nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen.

Meine Kolleginnen und Kollegen, ich lasse über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates abstimmen, den Antrag Drucksache 14/3852 an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie – federführend – sowie an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu überweisen. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll nach Vorlage der Empfehlung des federführenden Ausschusses hier im Plenum erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich, die Hand zu he

ben. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Einstimmig. Die Überweisungsempfehlung ist angenommen.

Wir kommen zu:

10 Transparenz bei Studiengebühren herstellen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/3840

Ich weise auf den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ihnen mit Drucksache 14/3911 vorgelegt, hin und eröffne die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt.

Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion der SPD der Kollege Eumann das Wort. Bitte schön.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne!

(Zuruf von der CDU)

Respekt vor denjenigen, die dieser Debatte folgen. Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, Studiengebühren waren, sind und bleiben falsch.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Studiengebühren waren, sind und bleiben unsozial.

(Erneut Beifall von SPD und GRÜNEN)

Studiengebühren schrecken junge Menschen vom Studium ab.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Landesregierung musste in den vergangenen Wochen auf unsere Anfrage hin klarstellen: Wir haben in NRW einen starken und sogar überdurchschnittlichen Einbruch bei den Erstsemesterzahlen. An den Universitäten liegen wir bei einem Rückgang von 11,3 %. Die Zahl der zulassungsbeschränkten Studiengänge an den Universitäten ist dagegen nur um 7,9 % gestiegen. Also haben Sie durch die Einführung von Studiengebühren einen Abschreckungseffekt erzielt.

Sie haben dadurch eine unglückliche Spirale in Gang gesetzt: Wer nicht studiert, sucht sich einen Ausbildungsplatz. So verdrängen Abiturienten Realschüler, und diejenigen, die ihren guten

Schulabschluss auf der Hauptschule gemacht haben, sind oft genug auf der Strecke geblieben. Diese jungen Menschen waren auf dem Ausbildungsmarkt vielfach chancenlos. Das ist auch Teil Ihrer Verantwortung.

Meine Damen und Herren, CDU und FDP haben mit ihrer Mehrheit in diesem Haus Studiengebühren eingeführt. Schon in den ersten Beratungen hat der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz die Einführung von Studiengebühren als zynisch bezeichnet.

Zynisch ist auch Ihre sogenannte Geld-ZurückGarantie. Mittlerweile macht sich an den Hochschulen unter den Studierenden die Erkenntnis breit: Alles eine Fata Morgana! – Eine Fata Morgana ist bekanntlich ein durch Ablenkung des Lichts an unterschiedlich warmen Luftschichten verursachter optischer Effekt. Warme Luft, heiße Luft, das waren Ihre Versprechungen bei der Einführung der Studiengebühren. Optische Täuschungsmanöver, das waren Ihre Versprechungen bei der Einführung der Studiengebühren, meine Damen und Herren! Der Student, der Studierende, sollte Kunde sein. Das waren Ihre Worte. Ein Kunde ist bekanntlich König. Die Studierenden müssen aber nunmehr feststellen: Davon sind sie weit entfernt!

Herr Minister, ich weiß aus vielen persönlichen Gesprächen: Alle Beispiele, die Westpol in seiner Sendung am 25. Februar aufgegriffen hat, sind auch in Ihrem Haus bekannt gewesen; zumindest haben diejenigen, die mir das gesagt haben, das Ihnen gegenüber deutlich gemacht. Ebenso bin ich von den Betroffenen informiert worden, dass Sie noch heute auf eine Antwort warten, obgleich Sie derjenige sind, der immer wieder öffentlich dazu aufgerufen hat, Fälle zu melden.

Ich erinnere auch an meine Kleine Anfrage Ende letzten Jahres, in der ich gefragt hatte, ob Ihnen Fälle bekannt sind. Vier Wochen später – Ende Januar – haben Sie geantwortet, nein, es gebe keine Fälle. – Es gibt solche Fälle aber offensichtlich doch. Ich bitte Sie herzlich: Klären Sie diese Widersprüche auf.

Ich sage ganz deutlich in Richtung der Hochschulen: Aus unserer Sicht haben nicht die Hochschulen Schuld an den möglichen Missverständnissen. Schuld haben Sie. Sie wollten keine klaren Regeln zur Verwendung der Studiengebühren ins Gesetz schreiben. Im Gegenteil: Sie haben bewusst nichts vorschreiben wollen. Heute stellt sich mehr denn je die Frage, warum Sie das nicht wollten. Deutlich wird: Sie nehmen in Kauf, dass es sehr unterschiedliche Regelungen an den Hoch

schulen gibt, und Sie nehmen offensichtlich in Kauf, dass es unverbindliche Regelungen dazu gibt.

Da zeigt sich eben, dass der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz recht gehabt hat, als er davon sprach, dass das, was Sie machen, zynisch sei. Der Mann hat recht.

Herr Kollege Eumann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Brinkmeier?

Ja, sehr gern.

Bitte, Herr Dr. Brinkmeier.

Vielen Dank. – Herr Kollege Eumann, würden Sie, weil Sie so oft das Wort „Studiengebühren“ genannt haben, zur Kenntnis nehmen, dass es in Nordrhein-Westfalen keine Studiengebühren gibt?

(Zuruf von der SPD: Oh weh!)

Herr Brinkmeier, stellen Sie diese Frage einmal den Studierenden. Dann kriegen Sie, glaube ich, die Antwort, die Sie verdienen.

(Beifall von der SPD)

Ich will noch einen weiteren Zeugen benennen, und zwar einen Zeugen, der – das wissen Sie alle – uns politisch nicht nahesteht, nämlich das CHE, also das private Institut, das Ihnen, so glaube ich, Ihr sogenanntes Hochschulfreiheitsgesetz geschrieben hat.

In einer Studie vom Januar 2007 kommt das CHE zu dem Schluss:

„Erstens. Für die weitere Debatte über die Einführung von sinnvollen Studienbeitragsmodellen ist es wichtig zu beobachten, welche Effekte eintreten. Vor allem muss geprüft werden, ob es zu Abschreckungseffekten kommt.“

Zu diesem Punkt liegen eine Studie des HIS und eine Aussage des Ministers vor, und es liegen schlicht und ergreifend Zahlen des Landesamtes für Statistik vor: Wir haben den Abschreckungseffekt.

„Zweitens. Für die Akzeptanz von Beitragsmodellen ist es wichtig, dass Studieninteressierte und Studierende erfahren und möglichst beeinflussen können, welche Leistungen sie im Gegenzug zur Beitragszahlung erhalten bzw. erhalten werden. Hier sind die Hochschulen in

der Pflicht, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten schlüssige und überzeugende Konzepte umzusetzen und zu kommunizieren.“

Klar ist nur eines: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind an dieser Stelle unklar und die Beteiligungsmöglichkeiten der Studierenden sind meist unzureichend, wenn sie überhaupt stattfinden. Haben Sie wirklich Interesse an der Beteiligung der Studierenden? Leistungen können die Studierenden von ihrem bezahlten Geld nicht erwarten. Ihre Situation verbessert sich erkennbar nicht. Bestimmen dürfen sie schon gar nicht.

„Drittens. Die Umsetzung stellt die Hochschulen vor verwaltungstechnische und strategische Herausforderungen. Es muss überprüft werden, ob die gesetzlichen Regelungen den Hochschulen die richtigen Instrumente mit auf den Weg gegeben haben.“

So führt das CHE aus. Selbst das CHE kommt also zu dem Schluss, dass die richtigen Instrumente fehlen. Sie haben jetzt die Chance, das zu verbessern.

„Viertens. Hochschulen können im Hinblick auf die interne Umsetzung voneinander lernen, wenn es gelingt, Best-Practice-Modelle zu identifizieren.“

Ich sage Ihnen: Es kann keine gezielte und nachhaltige Verwendung der Studiengebühren geben, solange Hochschulen aufgrund ihrer Finanzlange dazu gezwungen sind, mit den Einnahmen aus den Studiengebühren Haushaltslöcher zu stopfen.

Sie lassen also die Hochschulen mit ihren Problemen allein. Ist das, Herr Kollege Brinkmeier, die Autonomie, die Sie gemeint haben? Ist das die Freiheit, die Sie gemeint haben? – Ich glaube, Sie meinen nichts Gutes für die Hochschulen. Es ist eine Sackgasse, in die Sie die Hochschulen und die Studierenden in diesem Land getrieben haben.

Wir haben – das wissen Sie – eine andere Auffassung. Aber Sie haben die Chance, den Fällen nachzugehen. Gehen Sie also dem, was über Zeitungen und Fernsehreportagen dokumentiert ist, nach. Setzen Sie die Studiengebühren aus, bis alle Vorfälle geklärt sind. Dort, wo es zu einer Zweckentfremdung der Mittel gekommen ist, sollen und müssen Sie den Studierenden das Geld zurückgeben.

(Christian Lindner [FDP]: Absurd!)

Das ist nicht absurd, sondern das entspricht Ihrer Verantwortung. Sie haben durch dieses Gesetz die Hochschulen und die Studierenden in die

Sackgasse getrieben. Sie müssen sie dort herausholen. Die Hochschulen sollen nicht für die Fehler bezahlen, für die Sie und Ihre Politik verantwortlich sind.