Das täuscht doch nur darüber hinweg, dass Sie im Grunde bei diesem ganzen Geschäft nicht so fürchterlich viel zu sagen hatten.
Meine Damen und Herren, was mir bei der Diskussion und bei der gestrigen Entscheidung völlig fehlt, sind die Menschen, die vom Bergbau betroffen sind und selbst nach seiner Einstellung noch Jahrzehnte betroffen sein werden. Es gibt eben viele Interessen, die es da zu wahren gilt. Die wurden in den vergangenen Wochen und auch gestern überhaupt nicht besprochen. In der Vereinbarung findet sich dazu kein einziges Wort.
Wie bekommen die Anwohnerinnen und Anwohner Sicherheit, die auch noch Jahrzehnte nach der Schließung der letzten Zeche die Zeche zahlen müssen? Die vom Bergbau betroffenen Menschen brauchen auch Sicherheit. Was ist mit den Deichen? Was ist mit den Bergsenkungen? Was ist mit Tagesbrüchen? Was ist mit Hochwasserrisiken?
Gestern haben Sie erst auf konkrete Nachfrage meines Kollegen Priggen kleinlaut eingestanden, dass auch Sie sich für eine schnelle Schließung des Bergwerks West einsetzen wollen. In der Einigung ist davon nichts zu lesen. Ein entsprechender Zechenstilllegungsplan ist uns nicht bekannt. Kommt der noch?
Verlassen Sie sich darauf, Herr Papke: Wir werden Sie beim Wort nehmen! Gestern ist die Entscheidung gefallen, aber die eigentliche Arbeit der Umsetzung kommt noch. Die fängt nämlich erst an, meine Damen und Herren.
Es muss klar sein, dass die Zeche West so schnell wie möglich geschlossen wird. Sie verursacht viel zu viele Schäden mit viel zu hohen Kosten. Denn auch davon, welche Zeche wann geschlossen wird, hängt es ab, wie hoch die Ewigkeitskosten sein werden.
Auch diese Betroffenen brauchen schnellstmöglich Klarheit: Zum Beispiel die Handwerker vor Ort brauchen Zeit, um sich auf die Schließungen vorzubereiten. Die machen vielleicht 50 % ihres Umsatzes bei den Zechen und brauchen neue Auftraggeber und Arbeitsfelder. Das geht nicht von heute auf morgen. Auch der Mittelstand ist betroffen, wenn Fabrikgebäude und Produktionsstätten Schäden haben, die vom Bergbau verursacht werden.
Um all das genau bedenken zu können, brauchen wir nun ein Ende der organisierten Intransparenz bei den Fakten und Daten zur Steinkohle. Wir hier als Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssen wissen: Wie hoch sind die Altlasten und Ewigkeitskosten wirklich? Welche Schäden entstehen durch welche Zeche? Wie hoch sind die Produktionskosten jeder einzelnen Zeche? Es gibt viele weitere offene Fragen, deren Beantwortung die Landesregierung bis heute schuldig geblieben ist. Wir im Parlament haben das Recht zu wissen, wofür wir trotz des Ausstiegsbeschlusses auch weiterhin Milliarden Euro ausgeben werden. Das werden wir als Grüne einklagen.
Wir freuen uns, dass sowohl die Landesregierung als auch die CDU daran interessiert sind, dass es hier eine rechtliche Klärung gibt. Herr Stahl, Herr Biesenbach, ich lade Sie ein, unserer Klage beizutreten.
Herr Rüttgers, es war richtig, dass Sie letzte Woche die Notbremse gezogen haben, auch wenn nicht nur uns der späte Zeitpunkt reichlich irritiert hat. Mal ehrlich: Mit Ihrem Kommunikationsdesas
ter in der vergangenen Woche haben Sie Frau Kraft eine Steilvorlage geliefert. Die hätte ich an deren Stelle auch genutzt.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich hoffe sehr, dass Sie in den nun anstehenden Verhandlungen über das milliardenschwere Gesamtpaket, zum Beispiel über die konkrete Ausgestaltung der Stiftung, geschickter agieren als in den vergangenen zwei Wochen. Denn jenseits symbolischer Jahreszahlen wie 2014 oder 2018 geht es weiterhin um Kosten in Höhe von rund 40 Milliarden €. Es geht um die Mitentscheidung und die Mitgestaltung des Landes bei der konkreten Bergbauplanung. Es geht um Tausende betroffener Menschen über und unter Tage.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Löhrmann. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Vorsitzende, Herr Dr. Papke, das Wort.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Löhrmann, für jemanden, der in der eigenen Regierung zehn Jahre Zeit hatte, beim Ausstieg aus der subventionierten Steinkohle etwas zu erreichen, haben Sie den Mund wieder einmal bemerkenswert voll genommen. Das darf ich vorab sagen.
Es ist ja ein Stück weit bizarr, dass Sie von der neuen Landesregierung jetzt Informationen einklagen wollen, die Ihnen die eigene Landesregierung zehn Jahre lang verweigert hat.
Ich habe gestern schon dem Kollegen Priggen gesagt: Es ist ja erkennbar eine Art Vergangenheitsbewältigung, die Sie jetzt betreiben. Sie haben gewisse traumatische Erlebnisse mitgenommen und machen nach zehn Jahren Regierungsbeteiligung mit der SPD jetzt Trauerarbeit. Aber tun Sie bitte nicht so, als würden Sie die neue Regierung und die neue Koalition in die Verantwortung für Ihre Trauerarbeit einbeziehen müssen! Das ist schlichtweg unredlich.
Freuen Sie sich mit uns über den Erfolg, den wir gemeinsam erreicht haben! Davon haben Sie geträumt. Wir haben Ihren Traum in die Realität herübergebracht, Frau Kollegin Löhrmann.
Meine Damen und Herren, das Wort „historischer Beschluss“ ist in den letzten Tagen häufig bemüht worden. Man muss mit solchen Etiketten ja etwas vorsichtig sein. Aber ich glaube, in diesem Fall ist die Bezeichnung „historischer Beschluss“ oder „historischer Erfolg“ absolut gerechtfertigt. Das wird sich auch in der späteren Betrachtung einmal so bewahrheiten.
Das Eckpunktepapier, das in schwierigen Verhandlungen gestern in trockene Tücher gebracht worden ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, besiegelt das Ende des subventionierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland, und es eröffnet endlich die Chance für eine nachhaltige Modernisierung der Bergbaureviere. Wir haben Schluss gemacht damit, die Vergangenheit künstlich zu verlängern. Wir haben dafür gesorgt, dass jetzt endlich in die Zukunft Nordrhein-Westfalens investiert werden kann.
130 Milliarden € sind in den zurückliegenden viereinhalb Jahrzehnten in die deutsche Steinkohle geflossen, 45 Milliarden € alleine aus NordrheinWestfalen. In Zukunft wird in helle Köpfe und nicht mehr in dunkle Schächte investiert, meine Damen und Herren.
Das unterscheidet die Politik der neuen Regierung auch von dem, was die Vorgängerregierung – auch mit Ihnen, Frau Kollegin Löhrmann – zu verantworten hatte.
Es waren schwierige Verhandlungen, die wir als Koalitionsfraktionen sehr intensiv begleitet haben. Aber letztlich lag es an Ihnen, Herr Ministerpräsident, das, was wir gemeinsam erreichen wollten, auch umzusetzen. Ich weiß besser als viele andere, dass das ein hartes Stück Arbeit war. Deshalb möchte ich Ihnen ganz persönlich im Namen der FDP-Fraktion nicht nur zu diesem herausragenden Verhandlungserfolg für die Interessen Nordrhein-Westfalens gratulieren, sondern Ihnen ebenso herzlich für Ihr großartiges Engagement für die Interessen unseres Landes danken.
Das Engagement dieser Koalition und insbesondere des Ministerpräsidenten steht ja in einem erkennbaren Kontrast zu der Haltung, die die Sozialdemokraten hier in Nordrhein-Westfalen in den letzten Wochen eingenommen haben. Frau Kollegin Kraft hat in der ihr eigenen offenen Art daraus ja auch gar kein Hehl gemacht.
Ich will deshalb, Frau Kollegin Kraft... Wo ist sie denn eigentlich? Ist sie schon davongelaufen? Das kann ich in gewisser Weise nachvollziehen. Es ist aber nicht angemessen. Vielleicht sind die Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion so freundlich, Frau Kollegin Kraft zurück ins Plenum zu bitten. Das fänden wir sehr gut.
Dann werde ich einstweilen in absentia der Dame hier einmal mit Erlaubnis des Präsidenten aus einer Presseerklärung von Frau Hannelore Kraft vom 31. Januar 2007 zitieren. Dort hat sie gesagt:
Die SPD, meine Damen und Herren, hat also ein solches Ergebnis verteidigt – nicht die SPD im Bund, sondern die SPD hier im Landtag Nordrhein-Westfalen, die verpflichtet ist, die Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen zu mehren und sich dafür zu engagieren. Sie haben in den letzten Wochen gegen die Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen gearbeitet, meine Damen und Herren!
zur Hand zu nehmen, das überschrieben ist mit „Politisches Ergebnis des Koalitionsgesprächs vom 29. Januar 2007“. Das ist ein Dokument der Verantwortungslosigkeit der Sozialdemokraten, die das bis zum heutigen Tage ja immer noch verteidigen. Ein Beschluss, meine sehr verehrten Damen und Herren, der bedeutet hätte, dass die komplette Konstruktion, die die Voraussetzung für den Börsengang der RAG und für die Sicherung der Arbeitsplätze dort ist, zusammengebrochen wäre wie ein Kartenhaus! Denn Sie hätten eine Regelung akzeptiert, die dazu geführt hätte, dass der Erlös des Börsenganges nicht in einen Kapitalstock eingebracht worden wäre, um die Ewigkeitskosten zu decken, sondern der Erlös des Börsenganges für den laufenden Betrieb der Bergwerke verkonsumiert worden wäre.
Das hätten Sie akzeptiert. Sie haben wohl immer noch nicht verstanden, was Sie da akzeptiert hätten. Ansonsten würde die SPD diesen Beschluss nicht bis zum heutigen Tage derart verteidigen, meine sehr verehrten Damen und Herren.