wichtig, dass Sie heute hier erklärt haben, dass Sie und Ihre Partei völlig frei davon sind, dass das, was Sie so treiben, irgendetwas mit Parteipolitik zu tun hätte.
Meine Damen und Herren, warum ist das gestern beschlossene Paket im Grundsatz richtig? – Die deutsche Steinkohle ist auf dem Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig und wird es auch nicht mehr werden. In Kanada wird die Tonne Kohle für 5 € gefördert, im Bergwerk Ost aber für 349 €. Das macht deutlich, wie richtig und überfällig der Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau ist. Damit ist endlich auch der Weg frei für den Börsengang der RAG. Das und der sozialverträgliche Ausstieg sind gute Nachrichten für die 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Sparten des Konzerns.
Ja, Herr Ministerpräsident, auch wir Grüne haben mit dem gefundenen Kompromiss wesentliche Ziele unserer Programmatik in diesem Kontext erreicht. Aber ein Ziel – das will ich ganz deutlich sagen – haben wir hier heute noch nicht erreicht, nämlich Transparenz.
Wir hätten uns auch etwas mehr Details von Ihnen in dieser Erklärung vor dem Parlament gewünscht: über die Punkte, die Sie gestern und in den letzten Wochen ausgehandelt haben. Frau Kraft hat uns da mehr erzählt, und ich habe gestern an anderer Stelle auch mehr erfahren. Sie haben heute das eine oder andere geschildert. Ob es aus dem Ruhrgebietsführer 2005 stammt, weiß ich nicht. Mich hat es ein bisschen an die Sprechblasen erinnert, die Sie früher, wenn sie aus der Staatskanzlei vorgetragen worden sind, immer kritisiert haben. Frei nach Marx kann ich da nur sagen: „Das Sein verstimmt das Bewusstsein.“ In dieser Hinsicht haben Sie sich von Ihren Vorgängern nicht mehr so furchtbar viel unterschieden.
Meine Damen und Herren, ich möchte nun auf einige Details und Fragen eingehen. Hinter dieser richtigen historischen Grundsatzentscheidung verbirgt sich nämlich eine Reihe von Punkten, die entweder noch nicht geklärt sind oder aber kritisch hinterfragt werden müssen.
Herr Ministerpräsident, als ich Sie gestern Abend in den WDR-Nachrichten gesehen habe, konnte ich feststellen: Sie haben die Grundregeln für die Präsentation politischer Verhandlungsergebnisse wie aus dem Lehrbuch befolgt. Regel 1: „Wir ha
Wer nur auf die symbolische Oberfläche schaut, findet den klassischen Kompromiss: Der Bergbau läuft bis 2018, aber NRW zahlt nur bis 2014. – Doch wie das so ist, darf man sich bei Verträgen nicht nur die Überschriften ansehen. Und wenn man ins Detail geht, relativiert sich Ihr Verhandlungserfolg ganz beträchtlich.
Fakt ist: Der Bund stiehlt sich aus der Verantwortung für die Risiken bei den Altlasten und Ewigkeitskosten.
Was Sie, Herr Ministerpräsident, als Erfolg verkaufen – die 30-%-Beteiligung des Bundes –, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als schwere Erblast. Wer Herrn Weisbrich heute Morgen im Radio gehört hat, der konnte heraushören, dass er das zumindest weiß, auch wenn er es jetzt nicht mehr so ganz offen ausspricht.
Ich erinnere daran: Bis 1997 hat NRW keinen Pfennig für die Steinkohle bezahlt; die Absatzbeihilfen wurden über eine bundesweite Umlage finanziert. Seitdem ist der Anteil des Landes um über 10 % auf nun 22 % gestiegen.
(Ralf Witzel [FDP]: Daran waren Sie doch beteiligt! Das war doch Ihre Politik! – Weitere Zurufe von CDU und FDP)
(Ralf Witzel [FDP]: Sie haben doch nichts er- reicht! – Gegenruf von Johannes Remmel [GRÜNE] – Barbara Steffens [GRÜNE]: Rex- rodt! – Zurufe von der CDU)
Dass das Land nun zu zwei Dritteln für die ewigen Risiken geradestehen soll, ist kein Verhandlungserfolg. Ganz im Gegenteil, Herr Rüttgers: Da haben Sie zu wenig erreicht. Allen, die sich mit diesem Thema auskennen, ist doch klar, dass der Erlös aus dem Börsengang sehr wahrscheinlich nicht ausreichen wird, alle Folgekosten abzudecken. Leider hat die Landesregierung ihre Hausaufgaben dazu bis heute nur unzureichend erledigt. Die notwendigen Daten und Fakten sind entweder nicht bekannt oder nicht transparent. Gerade bei diesen unbekannten Risiken steht das
Unter dem Strich heißt das, Herr Ministerpräsident: Sie haben zwar bei den absehbaren Kosten eine Entlastung erreicht, sich dafür aber bei den unkalkulierbaren Kosten eine schwere Hypothek eingehandelt.
Außerdem haben Sie zugelassen, dass sich der Bund aus der Verantwortung für den Strukturwandel im Ruhrgebiet komplett verabschiedet. Ich bezweifele, Herr Ministerpräsident, dass das auf lange Sicht ein guter Deal für NRW ist.
Aber, meine Damen und Herren, noch etwas anderes macht mir Sorgen: Wir müssen nach dem Kompromiss von gestern zwar nach 2014 keine Absatzbeihilfen mehr zahlen. Aber was heißt das eigentlich für den Zeitraum davor? Bleiben die Zahlungen des Landes ab 2008 konstant bei 600 Millionen €?
Und was ist mit den Stilllegungsbeihilfen? Angesichts dessen ist mir schleierhaft, wie Sie Ihr im Koalitionsvertrag vereinbartes Ziel, bis 2010 mindestens 750 Millionen € bei den Subventionen einzusparen, erreichen wollen?
Schlimmer noch: Es steht zu befürchten, dass das Land sogar noch mehr zahlen muss als bisher; denn mit der gestrigen Vereinbarung haben Sie, wenn ich es richtig verstehe, die viel kritisierte Sprechklausel für die RAG auch für die Zukunft akzeptiert.
Herr Dr. Papke, uns ist mit der Sprechklausel was untergeschoben worden. Das hat Herr Priggen hier gestern schonungslos eingeräumt. Sie akzeptieren diese Sprechklausel aber jetzt sehenden Auges und im vollen Bewusstsein. Das will ich doch hier noch einmal klar feststellen.
Was heißt diese Sprechklausel? – Wenn die RAG Mehrbedarf nachweist, bekommt sie auch mehr Geld. Wir haben es doch für 2006 gerade erlebt. Die RAG hat einen zusätzlichen Bedarf von 433 Millionen € angemeldet. Das bedeutet für das Land allein in einem Jahr 90 Millionen € mehr.
Herr Rüttgers, ob Sie hart verhandelt haben, kann ich nicht wirklich beurteilen, aber Gewinner haben aus unserer Sicht mehr vorzuweisen,
und das nicht nur wegen der von mir gerade angesprochenen grundsätzlichen Kritikpunkte, sondern auch und besonders deshalb, weil viele entscheidende Dinge wie zum Beispiel die konkrete Ausgestaltung der Stiftung noch nicht geklärt sind.
Aber, meine Damen und Herren, es bleibt eine historische Entscheidung. Es bleibt eine Zäsur für Nordrhein-Westfalen. Nichts hat dieses Land in den vergangenen 200 Jahren so geprägt wie die Steinkohle. Es war zwar immer schon eine Geschichte des Auf und Ab, doch zu den Hochzeiten, zu den Blütezeiten war Nordrhein-Westfalen dank der Steinkohle der Motor für die deutsche Wirtschaft. Vor dem Ersten Weltkrieg förderten 440.000 Bergleute rund 114 Millionen t. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Ruhrgebiet dank Kohle und Stahl der Hauptbestandteil des deutschen Wirtschaftsaufschwungs. Im Jahr 1957, dem letzten Höhepunkt der deutschen Kohleförderung, förderten über 600.000 Menschen 149 Millionen t Steinkohle. Das Ruhrgebiet erwirtschaftete 12,3 % des deutschen Bruttosozialprodukts. Das ist eine beachtliche Leistung, die dort erbracht worden ist.
Doch nicht nur wirtschaftlich war die Steinkohle prägend für NRW und Deutschland. Auch die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurde maßgeblich durch die Bergleute vorangebracht, keine Frage. Auch die SPD hat dabei eine wichtige Rolle gespielt, auch keine Frage.
Doch, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das Ende des Bergbaus ist Fakt. Ihre Position hat nichts mit Wirtschafts- oder Energiepolitik zu tun, sondern sie ist einzig und allein der Tradition Ihrer Partei geschuldet. Sie ist sachlich durch nichts zu begründen. Sie ist Vergangenheit, nicht Zukunft.
Frau Kollegin Kraft, wenn Sie tatsächlich mit der Forderung nach einem Sockelbergbau in den nächsten Wahlkampf ziehen wollen, dann sage ich Ihnen zweierlei:
Das vorgeschobene Argument der Versorgungssicherheit halten wir für falsch. Ich will es noch einmal sagen, weil das in der Debatte ja immer wieder eine Rolle spielt. Kohle ist weltweit verfügbar. Die Vorräte reichen viel länger als die für Öl,
Gas und Uran. Kohle wird nicht nur in politisch instabilen Ländern abgebaut. Der deutsche Steinkohlebergbau trägt heute nur zu 5 % zur Stromversorgung bei. In Zukunft wird es eher weniger werden. Also hat diese Forderung mit Versorgungssicherheit nichts zu tun.
Und die von Ihnen so beschworene Revisionsklausel: Glauben Sie ernsthaft, dass sich der Weltmarktpreis der Kohle innerhalb von fünf Jahren so rapide verteuern wird, dass die deutsche Kohle wettbewerbsfähig wird? – Nein, wir glauben das nicht. Diese Revisionsklausel ist nichts anderes als weiße Salbe. Sie ist nichts anderes als Gesichtswahrung.
Aber ist es wirklich klug, den Bergleuten weiter trügerische Hoffnungen zu machen statt jetzt den klaren Schnitt zu vollziehen und mit aller Kraft den Strukturwandel zu forcieren?
Wir haben uns da anders entschieden. Wenn man das allerdings weiß, Herr Pinkwart, dass diese Revisionsklausel weiße Salbe für die SPD ist, dann frage ich mich auch, warum Sie sich in Ihren Äußerungen so an dieser Revisionsklausel aufhalten.