Protocol of the Session on January 25, 2007

Zuallererst möchte ich allen Einsatzkräften, den Polizisten, den Feuerwehrleuten, den Mitgliedern der Hilfsorganisationen, den THW-Helfern, den Forstleuten sowie den Mitarbeitern des Landesbetriebs Straßenbau, den Dank der Landesregierung, aber auch meinen persönlichen Dank aussprechen. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass sie unter Zurückstellung privater Belange ihre Kraft, ihr Können und ihre Zeit in den Dienst unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger gestellt haben. Die hohe Professionalität, mit der sie ihre Aufgabe gemeistert haben, hat bundesweite Beachtung erfahren.

Bei diesem Geschehen sind zwei Feuerwehrleute in Tönisvorst und in Merzenich bei Düren zu Tode gekommen. Dies hat mich tief betroffen gemacht. Den Angehörigen gilt unser tief empfundenes Mitgefühl.

Zur traurigen Bilanz gehört ferner, dass 44 Feuerwehrleute und ein Polizeibeamter zum Teil erheblich verletzt wurden. Hier wurde wieder einmal deutlich, wie gefährlich solche Einsätze sind und welch hohe Opfer der Dienst für die Allgemeinheit zuweilen fordert. Von dieser Stelle aus möchte ich allen meine Grüße und Genesungswünsche übermitteln.

Es gab aber auch Opfer unter der Bevölkerung. Vier Menschen verloren im Lande ihr Leben, sodass wir insgesamt sechs Tote zu beklagen haben. Ihnen und ihren Angehörigen sprechen wir unser Beileid aus. Wir denken in dieser Stunde aber auch an die 109 verletzten Zivilpersonen und hoffen, dass sie bald in die Normalität zurückfinden.

Da das Zentrum des Orkans über NordrheinWestfalen lag, waren wir flächendeckend betroffen. In den Niederungen kam es in Düsseldorf mit Windgeschwindigkeiten von 144 Kilometern pro Stunde und in Köln mit 130 Kilometern pro Stunde zu Spitzenwerten. Das öffentliche Leben wurde erheblich beeinträchtigt. In etlichen Gemeinden fiel vorübergehend der Strom aus. Landesweit kam es zu Sturmschäden und massiven Beeinträchtigungen des Verkehrs. Umgestürzte Bäume lösten eine Vielzahl von Verkehrsunfällen aus.

Fahrzeuge und Gebäude wurden beschädigt. Gleiches galt für Bahnstrecken, Strom- und Telefonleitungen. Darüber hinaus kam es zu Behinderungen durch Überflutungen. Durch die starken Regenfälle stiegen die Pegel vieler Flüsse. In den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe sowie in der Stadt Dortmund haben die Hauptverwaltungsbeamten den Katastrophenfall festgestellt.

Im europaweiten Vergleich waren Großbritannien und Deutschland am stärksten betroffen.

Im innerdeutschen Vergleich bestätigt sich die besondere Betroffenheit von Nordrhein-Westfalen: Von 70.000 deutschlandweiten Einsätzen der Feuerwehr und des Katastrophenschutzes entfielen 41.534 auf unser Land.

Durch umgestürzte Bäume sind auf unseren Straßen Schilder, Schutzplanken und Wildsperrzäune zerstört worden. Nach Angaben der Straßenmeistereien sind ca. 300 Schäden an Lichtzeichenanlagen entstanden. Straßengitter und Schutzplanken wurden zerstört, und 10.000 Verkehrszeichen waren betroffen. Auch am Straßenkörper selbst kam es zu gravierenden Schäden.

Der Landesbetrieb Straßenbau NRW hatte im Vorfeld des Orkans Vorkehrungen getroffen, die sich nach dem Ereignis positiv auswirkten. Es gelang, die Straßen kurzfristig wieder befahrbar zu machen. Allerdings waren es zum Teil nur provisorische Beseitigungen; zum Beispiel liegt in den Fahrbahnseitenräumen noch viel Gehölz, und zahlreiche Schutzplanken müssen erneuert werden.

Auf sechs Autobahnen und einer Bundesstraße kam es zu Sperrungen durch umgestürzte Bäume oder Fahrzeuge. Der Bahnbetrieb war erheblich betroffen. Insgesamt gab es Streckensperrungen auf den Regelstrecken im Lande. Nördlich von Köln war keine Umleitungsstrecke befahrbar. Tausende von Reisenden mussten auf den Bahnhöfen über Nacht versorgt werden.

Auf den Flughäfen im Land ist es zu keinen nennenswerten Schäden gekommen. Der Flughafen Düsseldorf hatte zudem eine ideale Lage: Die Start- und Landebahn verlief genau in Windrichtung, sodass die Starts und Landungen relativ unproblematisch waren. Trotzdem kam es zu Behinderungen und Ausfällen, weil die Flugsicherung beeinträchtigt war. Der Sturm ließ die Radarschüsseln wackeln, sodass Fluglotsen keine exakten Daten empfangen konnten. Die Folge waren vergrößerte Sicherheitsabstände zwischen den Flugzeugen. Deshalb stellte die Lufthansa fast alle Verbindungen ein.

Besonders groß sind die Schäden im Waldbestand des Landes. Die Forstbehörden haben insgesamt 8,5 Millionen m3 Sturmholz erhoben. Die geschätzten Schäden liegen darüber und belaufen sich auf ca. 12 Millionen m3 Holz. Das entspricht einer Größenordnung von etwa 25 Millionen Bäumen. Das wird mein Kollege Uhlenberg noch vertiefen.

Auf die Bereiche, in denen der Katastrophenfall erklärt worden war, möchte ich besonders eingehen:

Im Kreis Olpe drohten die Flüsse Lenne und Bigge sowie ihre Nebenflüsse und -bäche überzulaufen. Viele Straßen waren nicht mehr passierbar. Viele Orte hatten keine Stromversorgung. Alle Kräfte waren eingesetzt.

Im Kreis Siegen-Wittgenstein drohten die Flüsse Sieg und Lahn mit ihren Nebenflüssen überzulaufen. Zu den zahlreichen Straßen, die im Kreisgebiet nicht mehr passierbar waren, gehörten auch die Sauerlandlinie und wichtige Ost-WestVerbindungen. Viele Orte waren von der Stromversorgung abgeschnitten. Auch der Kreis Siegen-Wittgenstein hatte alle verfügbaren Kräfte eingesetzt.

In der Stadt Dortmund waren alle Kräfte der Berufsfeuerwehr und 19 Züge der freiwilligen Feuerwehr im Einsatz. Aufgrund eines Wassereinbruchs durch das Dach drohte die Räumung des Klinikums Nord. Im Hauptbahnhof waren 600 Menschen zu versorgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die im Zusammenhang mit den Orkanschäden landesweit getroffenen Maßnahmen der polizeilichen und nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr waren lageangepasst und erfolgreich. Die vom Land getroffenen Vorkehrungen im Katastrophenschutz haben sich erneut bewährt. Für die gute Leistung aller Beteiligten danke ich noch einmal sehr herzlich.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Kommunikation zwischen den Leitstellen der Kreise und kreisfreien Städte, den Bezirksregierungen und dem Innenministerium funktionierte nahezu reibungslos. Wir können feststellen, dass wir ein gutes und eingeführtes System haben. Das, was der verunsicherungspolitische Sprecher Rudolph gerade wieder erzählt hat, geht vollkommen an der Wahrheit vorbei.

(Beifall von Theo Kruse [CDU])

Ich will nur eines sagen: Die Abschaffung der Bezirksregierungen im Rahmen der polizeilichen

Aufgaben war, wenn ich mich recht entsinne, lieber Herr Kruse, auch eine Intention der rot-grünen Opposition. Insofern ist es schon bemerkenswert, dass da jetzt sozusagen der Untergang des Abendlandes drohen soll. Wir werden natürlich auch in Zukunft sicherstellen, dass das Zusammenspiel von polizeilicher und nichtpolizeilicher Gefahrenabwehr reibungslos funktioniert.

Aufgrund sorgfältiger Vorplanungen und enormer Einsatzbereitschaft aller Helfer konnten alle Schadensereignisse in angemessener Zeit abgearbeitet werden. Etwa die Hälfte aller Feuerwehrleute und Kräfte des Katastrophenschutzes im Lande war im Einsatz. Das hat es bisher noch nicht gegeben, meine Damen und Herren. Zählt man alle Einsätze der polizeilichen und nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr zusammen, kommt man auf über 55.000 Einsätze an einem Tag. Diese Zahl ist bemerkenswert.

Danken möchte ich auch den Mitbürgerinnen und Mitbürgern im Lande, die in dieser Situation Ruhe bewahrt und besonnen reagiert haben. Wir konnten gegenseitige Hilfe und Unterstützung beobachten. Das ist gut in dieser Zeit, in der manchmal das Gegenteil behauptet wird.

Ich möchte aber auch einen Ausblick geben, wie es weitergeht. Zurzeit arbeitet mein Haus an einer ressortübergreifenden landesweiten Gefährdungsanalyse – die Sie in Ihrer Regierungszeit bis 2005 übrigens nicht zuwege gebracht haben, Frau Düker; das sei nur einmal am Rande bemerkt. Einen ersten Entwurf dieser Gefährdungsanalyse hat das Kabinett am Dienstag beraten. In den nächsten Wochen werde ich ihn dem Landtag zur Kenntnis übersenden.

Sie sehen: Alle Ihre Wünsche sind längst erfüllt. Wir sind sehr viel weiter, als Sie in Ihrer Regierungszeit jemals gekommen sind.

(Beifall von der CDU)

Ein letzter Punkt zum Thema Feuerwehr: Hier ist den Feuerwehren Entsprechendes an die Hand gegeben worden. Ich darf auch an dieser Stelle sagen, dass Sie in Ihrer Regierungszeit keine Regelungen zuwege gebracht haben. Die Arbeitszeitregelung kommt aus der europäischen Rechtsprechung. Die Kommunen wussten über viele Jahre, dass sie sich darauf einstellen müssen. Sie hätten natürlich auch längst neue Feuerwehrleute ausbilden und einstellen können, wenn sie nicht weiter von der 54-Stunden-Regelung Gebrauch machen wollen. Das ermöglichen wir ihnen. Wir werden auch in Zukunft ganz gewiss immer Seit’ an Seit’ mit den Feuerwehrleuten stehen.

Noch eine Bemerkung für Herrn Rudolph: Wir werden gerade auch die Partnerbetriebe – nämlich die Unternehmen, die freiwillige Feuerwehrleute abstellen – noch enger in das Geschehen einbinden.

Meine Damen und Herren, es geht darum, in einem solchen Fall mit Herz und Verstand zur Sache zu gehen. Das haben alle Beteiligten getan. Es geht darum, den Risiken des Lebens im Rahmen des Möglichen zu begegnen. Ich glaube, das ist an diesem Tage gut gelungen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Innenminister. – Wir setzen die Debatte fort. Jetzt hat für Bündnis 90/Die Grünen Herr Remmel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn der politischen Debatte über die Frage der Einordnung des Ereignisses, aber auch der möglichen politischen Folgen ist es notwendig, einen etwas größeren Rahmen zu spannen und die Zeichen, die wir sehen, einzuordnen.

Wir leben in verrückten Zeiten – verrückte Zeiten deshalb, weil die Wechselbäder so eng nebeneinander liegen: auf der einen Seite Hoffnungslosigkeit, Tragödie und Zerstörung, auf der anderen Seite Aufbruch, neue Hoffnung, Durchbruch und Aufbau.

Gestern hat der amerikanische Präsident – wohl mehr getrieben als aus eigener Initiative – verkündet, 20 % des Treibstoffverbrauchs einsparen zu müssen. Außerdem hat er verkündet, zukünftig in erneuerbare Energien zu investieren. Gleichzeitig sind der Ministerpräsident von NordrheinWestfalen und die Bundeskanzlerin dabei, den Emissionshandel auf der EU-Ebene zu hinterfragen. Die Industrie in Amerika hat ein eigenes Konzept zum Emissionshandel ausgearbeitet, weil die Regierung nicht vorangeht und sie Angst hat, vom europäischen Emissionshandel abgehängt zu werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gleichzeitig jedoch versuchen Glos und Verheugen gemeinsam, europäische Anstrengungen zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes von Fahrzeugen zu behindern. – Sie sehen also, wie verrückt die Zeichen der Zeit zurzeit am Himmel stehen.

Verrückte Zeiten sind es auch deshalb – ich sage das ganz offen –, weil mir in der letzten Woche

der ein oder andere Artikel der „Bild“-Zeitung besser gefallen hat als mancher Artikel der „taz“.

(Beifall von den GRÜNEN – Heiterkeit von der SPD)

Am Samstag hat die „Bild“-Zeitung getitelt: „Fliegt uns die Erde um die Ohren?“ Sie liefert auch gleich Erklärungen, was man denn selber tun kann, um dem Klimawandel zu begegnen. Da werden Ratschläge gegeben, die Sie in jedem grünen Faltblatt finden, nämlich: den Stromanbieter zu wechseln, weniger Auto zu fahren, die Wohnung zu dämmen und kleinere, verbrauchsärmere Fahrzeuge zu kaufen. – Hier wird offensichtlich die Stimmung der Menschen getroffen.

Tatsächlich hat in der Klimadiskussion im Herbst 2006 eine kopernikanische Wende stattgefunden. Der Stern-Report stellt eindeutig fest – die Debatte zeigt das auch –: Wir diskutieren nicht mehr über das Ob, also nicht mehr darüber, ob Klimaschutz und Klimawandel stattfinden und ob sich Klimaschutz lohnt. Wir diskutieren nur noch über das Wie. Das ist der entscheidende Punkt der Wende dieser Debatte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Menschen sehen das im Übrigen genauso: Sie ordnen den Hurrikan „Katrina“ mit dem Untergang von New Orleans ein. Sie ordnen den heißesten Juli im Jahr 2006, den kältesten August und den wärmsten Dezember ein. Sie ordnen auch diesen Orkan und die Wetterveränderungen ein, die uns auf allen Ebenen begegnen. All das ordnen sie in einen größeren Zusammenhang ein, nämlich in den Klimawandel.

Deshalb ist es gut und richtig, dass wir hier und heute darüber diskutieren. Die Debatte wird danach auch nicht zu Ende sein. Nur: Die Maßnahmen müssen mittel- und langfristig wirken. Wir helfen damit nicht den Menschen in NordrheinWestfalen, die aktuell von dem Orkan Kyrill betroffen sind.

Die Zahlen sind leicht erzählt: 25 Millionen Bäume – wenn nicht mehr – sind umgestürzt. Nach den bisherigen Feststellungen liegen 12 Millionen Festmeter Holz auf dem Boden – teilweise die fünf- bis sechsfache Menge des Jahreseinschlages. Die waldbauliche Arbeit von über hundert Jahren ist zerstört.

Aber all diese Zahlen beschreiben nicht das, was tatsächlich passiert ist. Ich habe mir überlegt, wie ich Ihnen das heute nahe bringe. Denn bei der Arbeit am Schreibtisch in Düsseldorf oder Köln kann man gar keine Vorstellung davon entwickeln,

was tatsächlich vor Ort passiert, wie die Bilder aussehen und was in den Menschen vorgeht.

Ich habe überlegt, ob ich Ihnen, jedem Einzelnen, Bilder zeigen sollte. Vielleicht schauen Sie heute Morgen einmal mehr in die „Bild-Zeitung“. Ich möchte keine Werbung machen,

(Heiterkeit von der SPD)