Protocol of the Session on July 14, 2005

Dafür hätte ich Zustimmung, gerade auch von den Grünen, erwartet, weil es umweltpolitisch sogar sinnvoll ist. Dagegen steht natürlich das Interesse derer, die weite Wege zu ihrer Arbeitsstätte pendeln müssen - aus Gründen, die sie nicht selbst zu vertreten haben. Wir haben allerdings in der Vergangenheit auch beobachtet, dass genau dieses Phänomen in vielen Fällen zu Missbrauch geführt hat.

Wenn wir mit unserem Vorhaben einen Beitrag zur Gesamtverbesserung unseres Steuerrechtes leisten wollen, müssen wir beide Themen, so wie gerade beschrieben, weiter verfolgen. Die CDU tut das in Nordrhein-Westfalen und auf Bundesebene. Dafür brauchen wir diesen Antrag, der einen kleinen Einzelaspekt herausgreift, auf jeden Fall nicht. Dieser Antrag ist kontraproduktiv für das Gesamtziel. Dieser Antrag muss abgelehnt werden.

Es muss das Ziel, ein vernünftiges Konzept zur Weiterentwicklung unseres Steuerrechts zu erar

beiten, weiter verfolgt werden: sowohl mit abgesenkten Steuersätzen als auch mit einer verbreiterten Bemessungsgrundlage. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und empfehle abschließend, den Antrag abzulehnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Klein. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Hilser.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Klein, es geht bei der Entfernungspauschale nicht nur um eine steuersystematische Frage. Es geht vielmehr um Wirkungszusammenhänge der Entfernungspauschale insgesamt. Dieser Teil ist im Antrag der Grünen richtig beschrieben.

Bei der Entfernungspauschale stellt sich die Frage, wie sie sich auf die Zersiedlung der Landschaft auswirkt. Sie macht es nämlich lohnender, aufs Land zu ziehen und Fahrtwege zur Arbeitsstelle in der Stadt in Kauf zu nehmen, als in der Stadt zu wohnen.

Die Wirkung der Entfernungspauschale ist in diesem Zusammenhang jedoch weitaus geringer als die Wirkung der Eigenheimzulage in Verbindung mit günstigen Grundstückspreisen auf dem Land. Dabei ist ein Zusammenhang festzustellen.

Zweitens. Es ist sicherlich richtig, dass die Entfernungspauschale eine verkehrspolitische Bedeutung hat, weil sie natürlich zu zusätzlichen Pendlerströmen vom Arbeitsplatz zur Wohnung und umgekehrt führt. Das ist völlig klar. Daraus erwachsen zusätzliche Aufgaben und finanzielle Anforderungen an den Staat.

Drittens. Sicherlich ist auch richtig, dass man angesichts der Finanzsituation der öffentlichen Haushalte darüber reden muss und kann, ob man durch die Kürzung oder Streichung dieser Pauschale der öffentlichen Hand Ausgaben erspart. Dem, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht aber gegenüber, dass die Entfernungspauschale eindeutig die Mobilisierungsmöglichkeiten und die Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterstützt und schützt.

Daher ist die SPD-Fraktion in der augenblicklichen Situation eindeutig der Auffassung, dass keine Abstriche an der gegenwärtigen Gestaltung der Entfernungspauschale gemacht werden dürfen. Wir sind der Meinung, dass die Entfernungspauschale in ihrer Höhe auf absehbare Zeit beibehalten werden muss.

(Beifall von der SPD)

Weiterhin wurde in der Vergangenheit auf die Problematik der Entfernungspauschale reagiert. Herr Kollege Keymis hat angesprochen, dass durch die Umstellung der früheren Kilometerpauschale auf die Entfernungspauschale die Benutzung des Pkw mit der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel gleichgestellt wurde.

In Richtung der Grünen muss ich mit Blick auf den Antrag deutlich sagen: Sie gehen sehr leichtfertig mit dem Auto als notwendigem Fortbewegungsmittel um. Denn Sie schreiben lapidar: Wir haben die Gleichwertigkeit von Pkw und öffentlichen Verkehrsmitteln hergestellt. Die Umsetzung unseres Vorschlags führt dazu - jetzt kommt es -, dass für die Benutzer des ÖPNV und des schienengebundenen Verkehrs keine Nachteile entstehen.

Das heißt im Umkehrschluss: Nachteile für Benutzer von Pkw nehmen Sie bereitwillig in Kauf. Das lehnen wir eindeutig ab.

(Beifall von der SPD)

Im Prinzip kennen wir die Argumente für und gegen die Entfernungspauschale. Ich habe versucht, sie in Kürze zusammenzustellen. Es ist wichtig, sich nochmals vor Augen zu führen, was passiert, wenn die Entfernungspauschale reduziert oder ganz gestrichen wird.

Zum einen - das habe ich schon gesagt - ist die Entfernungspauschale eine der ganz wenigen Möglichkeiten für den durchschnittlichen Arbeitnehmer, anfallenden Aufwand steuerrechtlich geltend zu machen. Wir sehen nicht ein, dass an dieser Frage isoliert - darin stimme ich Herrn Klein zu - herumexperimentiert wird.

Zweitens. In Richtung der Grünen sage ich: Wir haben gestern lange über das Thema Gender diskutiert. Gerade für Teilzeitbeschäftigte ist die Entfernungspauschale eine fast notwendige Ergänzung ihres Einkommens, das sie mit ihrer Teilzeitbeschäftigung verdienen. Wenn man feststellt, dass es in Deutschland 6 Millionen Teilzeitbeschäftigte gibt, darunter fast 90 % Frauen, sollte das auch ein Ansatzpunkt sein, Ihre Position zu überdenken.

Drittens. Nordrhein-Westfalen ist ein Flächenstaat. Da muss ich in der Tat - Herr Keymis hat es erwähnt - noch einmal auf die Position der Ministerpräsidenten der östlichen Bundesländer eingehen, die sich mit der Begründung „Flächenstaat“ eindeutig gegen eine Kürzung der Entfernungspauschale ausgesprochen haben. Wenn ich das richtig sehe, Herr Ministerpräsident, ist auch Nordrhein-Westfalen ein Flächenstaat.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Das ist wahr!)

Daher wäre es ja interessant, zu wissen, ob die Landesregierung die Interessen der Arbeitnehmer in diesem Flächenstaat nachdrücklich unterstützt und ob sie eine ähnliche Position einnimmt - bei Herrn Klein habe ich es anders verstanden - wie die Ministerpräsidenten in den östlichen Bundesländern. Das ist, glaube ich, eine Frage, die Sie hier beantworten sollten.

(Beifall von der SPD)

Ich fasse zusammen: Die SPD-Fraktion lehnt diesen Antrag der Grünen ab, erstens weil er nicht in die aktuelle Situation passt - wir sehen nicht ein, dass mit einem isolierten Antrag allein Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer belastet werden sollen - und zweitens weil er nicht isoliert zu sehen ist von dem, was die CDU insgesamt in der Steuerpolitik plant. Wenn man sieht, was die CDU vorhat - Mehrwertsteuer hoch, Spitzensteuersatz runter, steuerliche Befreiung auf Nacht- und Schichtzuschläge weg -, dann muss man feststellen, dass die Kürzung der Entfernungspauschale genau in dieses unsoziale Konzept, genau in diese Politik passt, die gegen die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gerichtet ist. Deshalb, meine Damen und Herren, lehnt die SPD-Fraktion den Antrag der Grünen ab. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Hilser. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt hat Frau Freimuth für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der uns von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt worden ist, passt in einer gewissen Stringenz in die Debatten der letzten beiden Wochen: Es wird ein einzelnes Element herausgegriffen und thematisiert, ohne dass es dafür im Augenblick eine besondere Handlungsmöglichkeit oder überhaupt ein Handlungserfordernis gäbe.

Die Entfernungspauschale - teilweise früher auch noch verkehrsmittelabhängig - ist immer ein beliebter Diskussionsgegenstand. Ich kann mich entsinnen, dass wir darüber seit vielen Jahren auf unterschiedlichen Ebenen - in erster Linie natürlich im Bund - verhandeln.

Wir haben dabei immer sorgsam zwischen berechtigten Interessen abzuwägen.

Da ist zum einen unser Interesse: Wir alle fordern von den Arbeitnehmern eine höhere Flexibilität bei der Suche nach einem Arbeitsplatz: dass man sich nicht nur in seinem engsten örtlichen Umfeld um einen Arbeitsplatz bemüht, sondern auch Bereitschaft zeigt - das erwarten wir ja auch völlig zu Recht -, Wege zur Arbeitsstätte in Kauf zu nehmen. Das ist das eine Interesse.

Auf der anderen Seite müssen wir dieser Erwartung völlig zu Recht die Erwartung des Arbeitnehmers entgegenstellen, dass er für diesen erhöhten Aufwand zur Ausübung seiner nichtselbstständigen beruflichen Tätigkeit eine entsprechende Äquivalenz bekommt.

Wir haben seit vielen Monaten, seit vielen Jahren immer wieder einmal über dieses Thema diskutiert. Wir haben im Zusammenhang mit unserem Konzept der Steuerreform, das ich hier zum vierten Mal in den letzten zehn Tagen in die Diskussion einbringen kann, auch wiederholt betont, dass wir als Gegengewicht zu einem einfacheren, gerechteren und mit niedrigeren Steuersätzen ausgestatteten Steuersystem mit den Stufentarifen 15, 25 und 35 % damit einverstanden sind, die Sondertatbestände abzuschaffen.

Dabei wird insbesondere für die nichtselbstständig Beschäftigten über eine erhöhte Werbungskostenpauschale diskutiert, die die entsprechende Entfernungspauschale völlig obsolet werden lässt. Wenn die Werbungskosten insgesamt mit einer höheren Pauschalierung angesetzt werden, wird auch dem Interesse des Arbeitnehmers an einer Entschädigung für die Kosten einer längeren Anfahrt nachgekommen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es in der Tat wesentlich zielführender, besser und richtiger wäre, wenn wir auch die Frage der Entfernungspauschale in einem Gesamtkonzept behandeln würden. Ich bedaure, dass die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen das zum wiederholten Mal in diesem Haus nicht gemacht haben. Das ist sehr schade. Von daher komme ich für die FDP-Fraktion zu dem Ergebnis, dass dieser Antrag mit diesem herausgelösten Einzelelement unsere Zustimmung nicht finden kann. - Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Freimuth. - Nun spricht für die Landesregierung der Finanzminister, Herr Dr. Linssen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben die Worte von Frau Freimuth noch im Ohr. Damit werden Sie auch verstanden haben, dass die Regierung für ein einfacheres, gerechteres Steuersystem mit niedrigeren Sätzen eintritt. Das ist die Übereinkunft. Ob das nun ein Stufentarif oder ein linear-progressiver Tarif wird, darüber muss man sicherlich noch sprechen.

In dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gibt es ein paar Ungereimtheiten. Die Überschrift passt eigentlich nicht zum Inhalt, um das klar und deutlich zu sagen. Denn begründet wird in dem Antrag im Grunde eine Systemumgestaltung, Stichwort „Mobilitätszulage“; gefordert wird eine Absenkung ohne Systemänderung. Wie dazu die Überschrift passt „Wo bleibt die soziale Gerechtigkeit …?“, ist angesichts einer Absenkung auf 15 Cent nicht mehr zu verstehen. Denn je mehr Sie absenken, desto schwieriger wird es. Das haben Sie den Worten des SPD-Redners ja sehr deutlich entnehmen können.

Auch zu der schwierigen Frage: „Was ist ökologisch besser?“, hat es Ausführungen gegeben. Auch hinsichtlich der Frage: „Was ist gerecht im Sinne des pendelnden Arbeitnehmers?“, sind Vorstellungen entwickelt worden. Wir haben schon einmal von 35 Cent auf 30 Cent abgesenkt. Ist es richtig, jetzt noch eine weitere Absenkung auf vielleicht 25 Cent vorzunehmen, das aber dann auch, wenn man Ausnahmen streicht, mit einer Absenkung des Eingangssteuersatzes und eventuell des Spitzensteuersatzes zu verbinden?

Man kann nur die gesamten Maßnahmen betrachten und dann fragen: Ist das gerecht? Ist das einfach? Sind das niedrigere Steuersätze?

Sie haben in Ihrem Antrag formuliert:

„Eine einheitliche Mobilitätszulage ist im Gegensatz zur steuerlichen Abziehbarkeit der Entfernungszulage in ihrer Wirkung unabhängig vom individuellen Steuersatz und damit sozial gerechter, …“

Das ist etwas, was absolut bezweifelt wird. Sie beschreiben eine solche Mobilitätszulage, die Sie schließlich auch nicht mehr gefordert haben, trotzdem als wünschenswertes Element. Meine Damen und Herren, dies können wir nur im Rahmen eines steuerlichen Gesamtkonzepts tragen.

Es wird vorgeschlagen, dass gleichzeitig der Grundfreibetrag auf 8.000 € erhöht wird. Wenn Sie sich eine durchschnittliche Arbeitnehmerfamilie mit zwei Kindern ansehen und feststellen, dass bis zum Betrag von 38.200 € überhaupt keine Steuern mehr gezahlt werden, kommen Sie sehr schnell zu dem Schluss, dass es eine Mär ist, dass so etwas immer mit sozialen Nachteilen gerade für Geringverdiener verbunden sein muss.

Ich glaube, es ist richtig, dass der Antrag - drei Fraktionen haben es vorgetragen - heute abgelehnt wird. Wir werden dieses Problem nur im Rahmen eines neuen Gesamtsteuerkonzepts diskutieren können. - Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Linssen. - Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit kommen wir an den Schluss der Beratung.

Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 14/37. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Bündnis 90/Die Grünen. - Wer ist dagegen? - CDU-Fraktion, FDP-Fraktion und SPD-Fraktion. - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der drei genannten Fraktionen abgelehnt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind am Ende unserer heutigen Sitzung.