SPD und Bündnis 90/Die Grünen ist die Beschlussempfehlung angenommen und damit die Drucksache 14/2301 zur Kenntnis genommen.
Ich eröffne die Beratung und erteile der Kollegin Frau Kieninger für die SPD-Fraktion das Wort. Ich bitte Sie, den Saal möglichst leise zu verlassen, damit die Kollegin, die jetzt das Wort ergreift, von denjenigen, die sie hören wollen, gehört werden kann. – Bitte schön, Frau Kollegin Kieninger.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der nordrhein-westfälische Beitrag zum europäischen Jahr der Chancengleichheit ist die Schließung der 46 Regionalstellen „Frau und Beruf“ an 51 Standorten.
Das kommt uns doch bekannt vor. Denn 2006 hat der Ministerpräsident das Jahr des Kindes ausgerufen und im Bereich Kinder und Jugend Kahlschlag betrieben. Wen wird es 2008 treffen? – Das ist die Koalition der Täuschung und Enttäuschung. Die Arbeit der Regionalstellen hatte in den vergangenen Jahren erhebliche Erfolge zu verzeichnen.
Frau Kieninger, entschuldigen Sie bitte, darf ich noch einmal unterbrechen? – Kolleginnen und Kollegen, wir haben keine Pause ausgerufen, sondern wir sind in der Beratung des Tagesordnungspunktes 2. Wer weiter sprechen möchte, möge bitte den Saal verlassen. Aber die, die zuhören wollen, sollen auch zuhören können. Ich bitte Sie eindringlich, hier für Ruhe im Saal zu sorgen. Danke schön. – Frau Kieninger, Sie haben wieder das Wort.
Das stellt die Stiftung Warentest im „Test spezial“ zum Thema Weiterbildung im Jahre 2004 eindeutig fest. Mit einer Steigerung der Frauenerwerbsquote von 17,4 % liegen wir in Nordrhein-Westfalen zwar immer noch im hinteren Feld, aber man darf die Ausgangssituation dabei nicht außer Acht lassen. In einem montan geprägten Land, wo über Jahrzehnte der Spruch „Meine Frau hat es gar nicht nötig zu arbeiten!“ galt, ist diese Bilanz großartig.
Ein flächendeckendes Netz an Beratung für Frauen, die wieder in den Beruf einsteigen, eine Existenz gründen wollten oder Beratung zur Berufswahl brauchten, das hatten wir in NordrheinWestfalen. Nun sind 46 Regionalstellen an 51 Standorten geschlossen. Dafür gibt es elf Projekte im Lande.
Die Vernetzung ist damit nicht mehr gegeben. Von besonders guten Maßnahmen können andere nicht mehr profitieren. Jedes Projekt ist Closed Shop, denn man ist gegenseitige Konkurrenz. Es gilt nicht mehr der Best-Practice-Ansatz, von dem alle profitieren. Nein, einige wenige starten ihre Projekte, aber: Wer entwickelt neue, und was geschieht in den Regionen, in denen es keine Projekte gibt? Denn die Mittel für die Initiative „Regionen stärken Frauen“ sind gestrichen. Die jetzt begonnenen elf Projekte befinden sich im ehemaligen Ziel-2-Gebiet. In anderen Bereichen des Landes finden keine frauenfördernde Projekte statt.
Dabei zeigt uns die Statistik eine ernüchternde Bilanz. Die Verknappung des Lehrstellenangebotes geht überwiegend zulasten der jungen, gut ausgebildeten Frauen. Rechnerisch betrafen 86 % des Rückgangs von Ausbildungsplätzen Frauen. Besonders stark abgenommen hat die Anzahl der weiblichen Auszubildenden in den typisch weiblichen Berufsfeldern. Frauen, die sich in typisch männlichen Berufsfeldern bewerben, haben noch viel größere Zugangsprobleme. Da hilft kein Appellantrag zum Girls’ Day, sondern da muss man Maßnahmen ergreifen.
Der Rückzug der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, der für kurze Zeit eher zulasten von Männern ging, trifft jetzt Männer und Frauen gleichermaßen. Bei den neuen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen profitieren die Männer ganz deutlich und die Frauen sind wieder einmal die Verliererinnen.
Die Europäische Union schreibt vor, dass in allen Programmen die Chancengleichheit ein Querschnittsziel und somit immer zu berücksichtigen ist. Die anzuwendende Methode ist das GenderMainstreaming. Dafür sind nach EU-Vorgaben
10 % der Mittel aufzuwenden. Dabei ist Ziel der Lissabon-Strategie, die Frauenerwerbsquote auf 60 % zu steigern. Aber es geht auch darum, die Qualität der Arbeit für Frauen zu verbessern. Denn im EU-Vergleich sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Entgelt und Teilzeitarbeit besonders gravieren. Deshalb geht es auch darum, die Qualität der Arbeit für Frauen zu verbessern und junge Frauen zu ermuntern, in attraktive Berufe einzutreten, die immer noch Männerdomäne sind. Das sind die Fördervorgaben der Europäischen Union, und die müssen wir einhalten.
Nun war es eindeutig politischer Wille der Koalitionsfraktionen, die Struktur im Bereich Frau und Beruf im Lande zu zerschlagen. Wenn also die elf Projekte im Lande, die statt 46 Regionalstellen jetzt gefördert werden, nicht der Tod auf Raten für den Bereich Frau und Beruf sein sollen, dann müssen wir diese Projekte begleiten und weiterentwickeln. Dazu gehört, dass im Herbst dieses Jahres die Landesregierung einen Zwischenbericht vorlegt und die Arbeit der Projekte evaluiert.
Mit den erfolgversprechenden Ansätzen aus den Projekten muss ein Programm entwickelt werden, das in der neuen Förderphase des EFRE von 2007 bis 2013 landesweit umgesetzt werden kann. Damit können wir gewährleisten, dass die Frauenerwerbstätigkeit ausreichend mit Strukturmitteln gefördert und damit die Vorgabe der Europäischen Union einhalten wird. – Ich danke Ihnen.
Eigentlich hat sich die Frage schon weitestgehend erübrigt, aber ich wollte Sie fragen, Frau Kieninger: Teilen Sie mit mir die Auffassung, dass es unseren zuständigen Minister Laschet nicht besonders zu interessieren scheint, was wir heute diskutieren, und er deswegen erst gegen Ende Ihrer Rede hereingekommen ist?
Herzlichen Dank, Frau Kieninger. – Für die Fraktion der CDU hat jetzt Frau Westerhorstmann das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, legen uns hier heute einen Antrag vor, der nahelegt, dass Sie die Neustrukturierung dieses Aufgabenfeldes durch die Landesregierung nicht verstanden haben. Wir haben schon lang und breit über diese Thematik im Plenum aber auch im Frauenausschuss diskutiert. Dabei wurde sowohl über die Neuausrichtung der Frauenpolitik insgesamt als auch über die Einbeziehung von europäischen Fördermitteln gesprochen.
Wir haben an dieser Stelle dargelegt, dass wir als regierungstragende Koalitionsfraktionen den Kurs der Landesregierung stützen. Um es an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich zu sagen – das ist auch der einzige Aspekt Ihres Antrags, den ich teilen kann –: Die Regionalstellen „Frau und Beruf“ haben in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet. Aber eines muss man auch einmal sagen: Während Sie bei 46 Regionalstellen im Land von Chancengleichheit sprechen, habe ich gleichzeitig viele weiße Flecken im Land gesehen.
Meine Damen und Herren, eine politische Neuausrichtung auf diesem Feld ist durchaus notwendig. Denn die gesellschaftlichen Bedingungen für Frauen haben sich in den letzten Jahren unbestritten verändert. Frauenpolitik ist heute mehr denn je eine Querschnittsaufgabe, sodass wir an den verschiedensten Stellen ansetzen müssen.
Frau Kieninger, Sie sprechen insbesondere das Ruhrgebiet und die Montanregionen an. Schaue ich mir die anderen Landschaften in Deutschland an, kann ich mir schlecht vorstellen, dass das Ruhrgebiet traditioneller und rückständiger ist als der Bayerische Wald. Und gleichzeitig von Chancengleichheit sprechen?
Folglich ist es nur konsequent, dass sich nicht allein das Ministerium für Generationen, Familien, Frauen und Integration, sondern auch das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie um die Belange von Frauen im Beruf kümmert. Mit den von der Landesregierung geplanten Maßnahmen sind wir, so denke ich, auf einem guten Weg. Zum Stand der getroffenen und geplanten Maßnahmen der Landesregierung wird sicherlich gleich der Minister Stellung nehmen.
Meine Damen und Herren, an Ihrem Antrag finde ich interessant, dass Sie zu glauben scheinen, dass die vorhandenen Aufgaben nur mit den vorhandenen Strukturen zu meistern sind. Damit sprechen Sie jedem neuen Projekt und jeder Idee
beziehungsweise auch jedem neuen Ansatz, der bekannte Pfade verlässt, von vornherein die Wirksamkeit ab. Damit kann man keine zukunftsorientierte Politik gestalten. Innovationen sehen anders aus.
Indem wir den Unternehmerinnen-Brief auf ganz Nordrhein-Westfalen ausdehnen, mögen Sie erkennen, dass gute Projekte in Nordrhein-Westfalen eine Chance haben und weitergeführt werden.
Wir sehen durchaus einen Nachholbedarf im Aufgabenfeld „Frau und Beruf“ bei bestimmten Bereichen. Dort ist in den letzten Jahren für Frauen in technischen Berufen, in Führungspositionen und in den Ingenieurwissenschaften, für Frauen, die nach der Familienphase wieder in den Beruf einsteigen wollten, und für Frauen, die sich selbstständig machen wollten, zu wenig getan worden. Dort müssen wir stärker als bisher tätig werden.
Bereiche, die Frauen Chancen und Lebensperspektiven eröffnen, müssen wir stärker erschließen. Das hat der Minister bereits ausführlich in allen Sitzungen dargelegt. Nicht wollen wir die Beibehaltung oder gar Schaffung neuer institutioneller Strukturen, die uns jedwede Reaktion auf Veränderung erschweren. Eine zielgerichtete Projektförderung ist aus unserer Sicht die richtige Lösung.
Bei vorhandenen Bedarfen können wir durchaus schnell und gezielt ansetzen und auf Veränderungen kurzfristig reagieren. Interessant finde ich an Ihrem Antrag auch die Vorbehalte, die Sie gegen den Wettbewerb im Allgemeinen und speziell bei dem von der Landesregierung beabsichtigten Wettbewerb im Bereich der Projektmittel haben. Ich bin überzeugt davon: Wettbewerb wirkt sich positiv aus. Zum einen entstehen neue Ideen häufig erst im Rahmen eines gewissen Wettbewerbs; zum anderen bleiben, wenn man allein mit bekannten Strukturen arbeitet, neue Ideen oder Anbieter häufig außen vor. Das kann ganz klar zum Nachteil der Frauen sein.
Mir drängt sich der Eindruck auf: Es geht Ihnen gar nicht um die Frauen und deren berufliche Chancen, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion. Es geht Ihnen allein um die Zukunft der Regionalstellen beziehungsweise auch um die Institution im Einzelnen.
cken aller Frauen in Nordrhein-Westfalen zu tun, finde ich schlichtweg unredlich. Aus den dargelegten Gründen werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Westerhorstmann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Steffens das Wort, der ich bei der Gelegenheit auch noch einmal persönlich zum Geburtstag herzlich gratuliere.
Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Frau Westerhorstmann, Ihr Redebeitrag gerade hat mich noch einmal mehr darin bestärkt zu glauben, dass Sie sich mit dem, was die Regionalstellen in der Vergangenheit gemacht haben, und dem, was an Herausforderungen auf das Land zukommt, nicht wirklich beschäftigt haben, sondern bei der – wie Sie es nennen – „Neuausrichtung der Frauenpolitik“ nur die Absicht eine Rolle gespielt hat, eine Struktur zu zerschlagen.
Das entspricht dem, was Sie früher in der Opposition immer gesagt haben: Diese institutionelle Förderung wird abgeschafft, egal ob sie gute Arbeit macht oder nicht. Das haben Sie beziehungsweise damals Ihre Kolleginnen sich irgendwann einmal in den Kopf gesetzt. Sie setzen es jetzt um.
Inhaltlich gab es nichts in Ihrer Rede, was es legitimiert oder rechtfertigt, diese Struktur abzuschaffen, statt sie weiterzuentwickeln. Mit der Begründung, Sie wollten keine institutionelle Struktur, um flexibel zu bleiben, könnten wir die gesamte Abteilung im Ministerium abschaffen und stattdessen Projektmittel im Ministerium vorhalten, weil der Apparat selber viel zu starr und steif ist.