Stellen Sie sich vor, wir würden die Reservegebiete für die vorhin schon angesprochenen großflächigen industriellen Nutzungen vorschnell aus dem entsprechenden Bereich herausnehmen, ein einmal ausgewiesenes Gebiet aufgeben. Glauben Sie wirklich, dass dann noch einmal die Möglichkeit bestehen würde, zu einem späteren Zeitpunkt ein solches aufgegebenes Gebiet wieder aufzunehmen, neu zu planen? Ich glaube nicht. Daher
gilt es, lieber ordentlich die Notwendigkeit zu überprüfen, abzuwägen und dann zu entscheiden. Das ist der richtige Weg.
Zukunftsfähige Gewerbeflächenpolitik zählt zu den wichtigsten Voraussetzungen für eine positive Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt. In diesem Bereich gilt es, die kommunale Zusammenarbeit zu stärken. In unserem dicht besiedelten Land müssen bereits in einem frühzeitigen Planungsstadium eventuell entstehende oder bereits vorhandene Konfliktsituationen beachtet und möglichst vermieden oder beseitigt werden.
Meine Damen und Herren, in Ostwestfalen-Lippe wird in einem Modellversuch geprüft, in welchem Umfang der Bürokratieabbau erfolgen kann – ein großangelegter Versuch, der uns neue Erkenntnisse bringen soll. Ein Versuch macht aber nur dann Sinn, wenn auch die entsprechenden Ergebnisse ausgewertet und auf die Tauglichkeit für die Übertragung auf die anderen Landesteile hin überprüft werden. Unsere Wirtschaftsministerin Frau Thoben ist ein Garant dafür, dass dies in verantwortungsvoller Weise geschieht.
Sie können sich darauf verlassen, dass es mit uns keinen Gesetzentwurf geben wird, zu dem auf dem letzten Drücker, praktisch kurz vor der Verabschiedung, noch einmal mehr als 50 Änderungen eingebracht werden.
Der Gesetzentwurf für den Regionalverband Ruhr liegt vor. Es ist ein Schritt, diesem Raum eine größere Selbständigkeit zu geben und gleichzeitig eine Planung aus einem Guss zu ermöglichen. Internationale Vermarktung von Flächen, Gebietsentwicklungsplanung und weitere direkt das Ruhrgebiet betreffende Punkte werden dem RVR übertragen. Diese Aufgaben sind heute nicht mehr kleinräumig zu lösen. Kirchturmdenken passt nicht mehr in die heutige Zeit.
Wir vertrauen auf die Sach- und Ortskenntnis und das Verantwortungsbewusstsein der örtlichen Entscheidungsträger.
Der ländliche Raum wird von uns als eigenständiger Entwicklungsraum gesehen. Dieser Teil unseres Landes kann nicht als Anhängsel von Großstädten betrachtet werden.
Er hat vielfältige eigene Aufgaben und Interessen. Dementsprechend gilt es aber auch, diese zu benennen und bei der Landesplanung zu berück
sichtigen. Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft, Freizeitnutzung und Erholung sind Themenbereiche, die von vielen mit dem ländlichen Raum gleichgesetzt werden.
Im ländlichen Raum sind aber auch eigene Interessen und Entwicklungsmöglichkeiten wie für die Großstädte vorzusehen. Es heißt auch dort, Arbeitsplätze und Wohnungen zu schaffen.
Meine Damen und Herren, wir werden dem Koalitionsvertrag entsprechend die Umsetzung von europäischem Recht in Bundesrecht 1:1 vornehmen. Die noch kurz vor der Wahl im April 2005 in aller Eile beschlossenen Gesetze werden von uns novelliert.
Das Landesplanungsgesetz wird im nächsten Jahr geändert. Am Ende des Jahres werden wir ein Landesplanungsgesetz haben, das den Aufgaben der Zukunft gerecht wird.
Wir machen Nordrhein-Westfalen wieder fit für den nationalen und internationalen Wettbewerb. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ermahnung des Präsidenten eingedenk, möchte ich es schnell machen.
Bezüglich des Flächenverbrauchs wissen wir alle, dass wir in Nordrhein-Westfalen im Moment täglich etwa 15 ha verlieren, also im Jahr rund 5.000 ha. Das ist in etwa die Fläche von Schwerte oder Korschenbroich. Im bundesdeutschen Maßstab liegen wir in Nordrhein-Westfalen mit 22 % Siedlungs- und Verkehrsfläche relativ weit vorne. Wenn das so weitergeht, dann haben wir bald mehr Verkehrs- und Siedlungsfläche als Wald, denn dort liegen wir bei 26 %. Dies wird auch in Sonntagsreden der CDU- und FDP-Regierung gesagt.
Es ist jedoch seit anderthalb Jahren nicht im Ansatz erkennbar, was Sie machen. Auch aus dem, was Herr Schulte gerade ausgeführt hat, ist für mich nicht ersichtlich, wohin die Reise geht. Mit dem, was Sie machen, gehen Sie sogar einige
Schritte zurück. Herr Vesper hatte klare Vorgaben gemacht, nämlich geförderter Eigenheimbau nur bei Grundstücken ab 400 m² und geförderter Mietwohnungsbau nur in der Nähe von Haltepunkten des öffentlichen Nahverkehrs. Das alles hat Herr Wittke wieder abgeräumt, und zwar gegen den Sach- und Fachverstand derjenigen, die damit zu tun haben. Sie eröffnen damit der Zersiedlung Tür und Tor, anstatt das ein Stück weit an ÖPNV und anderes zu binden. Das war keine Kostenfrage, sondern aus unserer Sicht Unfug, wenn man das mit dem Flächenverbrauch ernst nimmt.
Bezüglich des Kiesabbaus wissen Sie, dass wir im Prinzip am Niederrhein unsere Flächen ausplündern. Die Holländer machen eher eine Vorratspolitik. Wir sollten viel stärker überlegen, ob wir nicht in anderen Bereichen mehr Potentiale haben, nämlich dort, wo wir im Tagebau das Material zum Teil ungenutzt wieder in den Abraum schütten, anstatt die Flächen intensiv zu nutzen.
Ich habe mit einer gewissen Freude die Ankündigung der Ministerin zum Gesetzentwurf bezüglich des großflächigen Einzelhandels gelesen. Hierauf bin ich wirklich gespannt. Hier haben Sie unsere Unterstützung, wenn der Wildwuchs eingedämmt wird, denn das geht zulasten der Innenzentren. Was am Rande von Ostwestfalen-Lippe, in Diemelstadt passieren soll, ist aus meiner Sicht der größte Unfug, den man machen kann. Das ruiniert reihenweise die Innenstädte.
Ich weiß gar nicht, warum die FDP das im Kabinett mitgemacht hat. Ich bin gespannt auf die Debatte, ob das so geht, was wir in der Sache unterstützen würden. Normalerweise dürfte die FDP dem nie zugestimmt haben. Entweder haben die Minister geschlafen, oder die Fraktion haben sie zurückgeholt. Gegen Ihren ordnungspolitischen Kompass muss das doch um Hunderte von Graden verstoßen. Insofern bin ich auf die Debatte gespannt. Da wir noch viel Zeit haben, darüber zu diskutieren und kurz vor Weihnachten sind, möchte ich dem Präsidenten folgen und zwei Minuten Redezeit einsparen. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Priggen. Ich bin Ihnen sehr dankbar. – Herr Ellerbrock hat für die FDP das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Prof. Bollermann, in einem Punkt gebe ich Ihnen Recht: Landesplanung
hat keinen merkantilen Stellenwert, was den Haushalt selbst angeht, aber die Wirkung kann groß sein.
„Täuschen“ und „Tarnen“ sind keine Vokabeln, die ich verwende. Wenn Sie aber der Landesregierung den Vorwurf machen, zu täuschen, dann sollten Sie bedenken, dass, wenn man mit dem Zeigefinger auf andere zeigt, drei Finger auf einen selbst zurückzeigen. Sie, die SPD, waren es, die 2001 gesagt haben: Wir führen Landesentwicklungsplanung und Landesentwicklungsprogrammgesetz zusammen. Sie haben von 2001 bis 2005, also viereinhalb Jahre, geschlafen, angekündigt und nichts getan. Nun müsste ich in Ihrer Diktion sagen: täuschen und enttäuschen. Null Aussage!
Sie sagen, die Ministerin hat zum Landesplanungsgesetz etwas angekündigt. Dass Sie als SPD die Begriffe „Änderung“ und „Landesplanungsgesetz“, ohne zu stottern, über die Lippen bringen vor dem Hintergrund, dass Sie bei der letzten Änderung des Landesplanungsgesetzes diesem Hause mehr als 50 redaktionelle Änderungen zugemutet haben, ist ein starkes Stück. Hier finde ich es besser, es lieber ein bisschen langsamer, aber dafür vernünftiger zu machen. Aber, Frau Ministerin, eingefordert ist dies; das muss auf den Tisch.
Herr Priggen hat gesagt, wir müssten uns um mehrere hundert Grad drehen. Das wäre ja ein Kreiselkompass, Herr Kollege. Der Kreiselkompass hat aber den Vorteil, dass er – kardanisch aufgehängt – auch bei Schieflagen genauen Kurs angibt. Sie haben völlig Recht: Das machen wir bei der FDP; da haben wir einen völlig klaren Kurs.
Wenn wir die Innenstädte stärken wollen – auch da sind wir sogar bei Ihnen –, müssen wir schauen, ob in der Innenstadt Flächen für den großflächigen Einzelhandel tatsächlich verfügbar sind. Man muss überlegen, ob randstädtische Lagen nicht eventuell einbezogen werden können. Das ist, glaube ich, nicht ganz so einfach. Auch wenn es von der Theorie her sehr einfach wirkt, kann in der Praxis noch einiges dazwischenkommen.
Ich bin nicht derjenige, der der sektoralen Fachplanung das Wort redet. Ich glaube, dass die Landesplanung nur dann eine Berechtigung und wirkliche Steuerungswirkung hat, wenn wir es schaffen, den integrativen Ansatz nicht nur auf ministerieller Ebene zu formulieren, sondern ihn vor Ort in enger Motivation mit den Regionalräten,
die manchmal auch gegen die Landesregierung und die Bezirksregierung agieren, wirklich durchzusetzen. Es kann nicht sein, dass vor Ort gegen die landesplanerischen Zielsetzungen gehandelt wird.
Zum Bereich der Rohstoffwirtschaft. Den Bericht haben Sie vorgelegt. Schönen Dank, das ist eine gute Arbeitsgrundlage. Jetzt kommt die Umsetzung, bei der es um die Planungszeiträume von zweimal 25 Jahren oder 30 Jahren geht. Frau Ministerin, um eines bitte ich Sie eindringlich: Lassen wir die akademische Selbstbefriedigung der Diskussion über Angebots- und Bedarfsplanung usw. Es geht nur um eine Flächensicherung. Was gebraucht wird, wird gebraucht und abgebaggert. Deswegen können wir einen möglichst langfristigen Zeitraum bestimmen, indem wir hochrechnen, was in den letzten fünf bis zehn Jahren wirklich verbraucht wurde, und nicht solche akademischen Diskussionen. Die Niederländer sind da übrigens sehr viel praktischer.
Aber, Herr Kollege Priggen, ich unterstütze Ihre Forderung: Lasst uns die Ressourcen sinnvoll nutzen. Nur: Leider ist es so, dass große Teile des Braunkohlekieses nicht als Betonkies geeignet sind. dort haben wir große Chancen, auch wenn sich da gleichwohl vielleicht noch etwas machen lässt. Da sehe ich wirklich Chancen.
Herr Prof. Bollermann, Sie sprachen die Zukunftsorientierung der Landesplanung an. Das Erste, was Sie gesagt haben, ist: Oberzentren, Mittelzentren und Unterzentren. Herr Prof. Bollermann, diese Einteilung interessiert nicht einmal mehr meine tote Oma. Das war eine Einteilung aus dem Jahre 1975 – Nordrhein-WestfalenProgramm 1975 –: SPD-Finanzsteuerung zentral vom Land aus für die Kommunen. Dies zeigt, dass Sie noch in einem Feldversuch der Planwirtschaft verhaftet sind.
Der planwirtschaftliche Feldversuch ist mit dem Niedergang der DDR beendet. Das interessiert keinen mehr; das wollen wir nicht. Diese Regierung ist dafür angetreten, den Kommunen Chancen zu eröffnen, sich in ein Gesamtes einbinden zu können. Aber wir wollen keine Planungskategorien wie Ober-, Mittel- und Unterzentren. Auch in der Wissenschaftstheorie interessiert das überhaupt keinen mehr. Danke schön, dass ist der Weg nach vorne zurück in die Zukunft. – Nein, nicht in die Zukunft. Der Weg in die Zukunft liegt bei Ihnen mit einer solchen Argumentation in der Vergangenheit.
Meine Damen und Herren, der nächste Punkt, den wir noch einmal ansprechen sollten, ist: Wie geht es eigentlich weiter? – Wichtig war, was der Kollege Schulte eben noch einmal dargestellt hat: Wir haben jetzt mit der Landesplanung die Chance, eine der wesentlichen Zielrichtungen dieser schwarz-gelben Koalition aufzuarbeiten und den ländlichen Raum nicht als Restfläche der Verdichtungsgebiete für Sondermülldeponien, Wasserschutzgebiete, ökologischen Ausgleichsraum usw., sondern als einen eigenständigen Lebens-, Wirtschafts- und Entwicklungsraum zu definieren.
Ihr Haus hat den Begriff Kulturlandschaft geprägt. Dazu können wir Aussagen machen. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Ich jedenfalls bin gespannt darauf, was aus Ihrem Hause kommen wird, und hoffe, dass es Ihnen gelingt, dem Parlament nicht die Zumutung aufzuerlegen, wie es die SPD mehrfach gemacht hat, mehr als 50 redaktionelle Änderungen wie beim Landesplanungsgesetz vornehmen zu müssen, weil geschlampt worden ist. Das sollten wir sein lassen.
In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, frohe Weihnachten und einen Ihren Wünschen entsprechenden Jahreswechsel! – Schönen Dank.