Protocol of the Session on November 16, 2006

Meine Damen und Herren, man könnte sagen, das ist eine prognostische Warnung. Man kann aber auch feststellen, das ist genau der empirische Befund, der die Realität und die Vergangenheit dieses Landes kennzeichnet.

(Carina Gödecke [SPD]: Eine Aussage ist ein empirischer Befund?)

Rechnet euch nicht die Steuern schön, weil sonst der Haushalt sofort wieder in die Schieflage kommt: Wenn wir uns anschauen, wie es in der Vergangenheit in Nordrhein-Westfalen gelaufen ist, stellen wir fest, dass dies genau das Problem ist, das Sie uns hinterlassen haben. Sie haben alles schöngerechnet. Die Haushalte sind in eine Schieflage geraten. Daher hat Dieter Engels mit dieser Aussage im Grunde genommen den empirischen Befund dafür, wie es in der Vergangenheit in Nordrhein-Westfalen gelaufen ist, festgehalten.

Daher ist es für Sie als Opposition ganz in Ordnung, dass Sie sich hier sozusagen noch einmal aus dem Gestern melden. In dem Beitrag der Frau Kollegin Walsken ging es doch nur darum, dieses Gestern zu zelebrieren: mehr Steuereinnahmen, mehr Ausgaben. Aber das ist nicht unsere Politik. Im Übrigen werfen Sie dem Finanzminister vor, Steuerfehleinschätzungen vorgenommen zu haben. Natürlich freuen wir uns darüber, dass jetzt mehr Steuern hereinkommen, als der Finanzminister vorsichtig geschätzt hat.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Damit habe ich nicht gerechnet! – Zuruf von den GRÜNEN)

Aber wenn wir einmal nur die Differenz zwischen der Steuereinnahmeerwartung im ersten Haushaltsplan und dem, was dann tatsächlich hereinkommt, betrachten, müssen wir leider feststellen, dass die Vergangenheit nicht nur unter einem anderen Vorzeichen stand, sondern dass auch die Dimension eine andere war.

Der Finanzminister hat sich 2002 bei den Steuern um 1,7 Milliarden € verschätzt. Aber leider hat er sie zu hoch eingeschätzt. 2003 hat er die Steuern um 3,66 Milliarden € zu hoch eingeschätzt. Im Jahr 2004 hat er sie um 1,45 Milliarden € zu hoch eingeschätzt. Eine solch hohe Zahl kann ich Ihnen auch für 2005 nicht ersparen: 2005 hat der Finanzminister die Steuereinnahmeerwartungen um 3,05 Milliarden € zu hoch eingeschätzt. Das ist das Problem, unter dem wir heute noch leiden. Freuen Sie sich mit darüber, dass heute nicht nur besser, sondern auch vorsichtig geschätzt wird – damit wir für das Land auf der sicheren Seite bleiben.

(Carina Gödecke [SPD]: Du meine Güte! – Hans-Willi Körfges [SPD]: Heiteres Milliar- denraten!)

Ich habe gehört, mit welch arroganten Bemerkungen eben der Zwischenruf des Kollegen Kern

(Gisela Walsken [SPD]: Das war knalle!)

beantwortet werden sollte. Das entlarvt Ihre Denkweise, denn das vom Kollegen Kern angesprochene Niederstwertprinzip ist genau eines der Prinzipien, die für den vorsichtigen Kaufmann stehen.

(Beifall von der CDU – Hans-Willi Körfges [SPD]: Da ist er wieder!)

Dass Sie das jetzt so verhöhnen, macht doch deutlich, welch Geistes Kind Sie sind.

(Beifall von der CDU)

Ich sage nur, es ist gut, dass der Finanzminister vorsichtig schätzt. Es wäre doch aus Ihrer Sicht nur kritikwürdig – Frau Kollegin Walsken, Sie haben das mit Ihrem weiteren Beitrag untermauert –, uns vorzuhalten, wir hätten die Steuern eventuell zu vorsichtig eingeschätzt.

Zu vorsichtig eingeschätzte Steuern -das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Aber dieser Vorwurf ist doch nur dann stichhaltig, wenn man sagt, das habe die Meinungsbildung und die Willensbildung dieses Parlaments beeinflusst und dass mehr Geld für andere Zwecke ausgegeben worden wäre, wenn die Steuereinnahmeerwartung höher gewesen wäre. Genau das haben sie dann auch vorgeschlagen.

Aber genau das ist eben nicht unsere Position. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir uns, wenn nach der vorsichtigen Steuereinnahmeerwartung die tatsächlich eingehenden Beträge höher sind, darüber freuen – hoffentlich gemeinsam – und mit

dem gesamten Betrag die Nettokreditaufnahme reduzieren.

Damit komme ich zu den beiden Punkten, die ich für die eindeutige Untermauerung der Aussage halte, bei diesem Nachtragshaushaltsplan handele es sich eigentlich um ein Dokument der Konsolidierung. 1.480 Millionen € weniger Schulden werden aufgenommen, weil wir die kompletten Steuermehreinnahmen und die kompletten Einsparungen im Länderfinanzausgleich wirklich dazu nutzen, die Kreditaufnahme zu reduzieren. Das ist nichts, was nur haushaltstechnisch ein Erfolg ist.

Natürlich ist es schön, wenn sich der Finanzminister an einer solchen Stelle richtigerweise durchsetzt. Das ist aber viel mehr als nur Finanzpolitik. Es ist im Interesse künftiger Generationen geboten. Deswegen ist es ethisch richtig, einzusparen und weniger Lasten an spätere Generationen weiterzugeben.

(Beifall von der CDU)

Ihnen fällt das offensichtlich schwer. Sie wollen lieber darüber nachdenken, wo mehr Geld ausgegeben werden kann. Aber ich wiederhole: Wenn es wirklich dazu kommt, dass die Steuerquellen noch mehr sprudeln, als es jetzt im Nachtragshaushalt zum Ausdruck kommt, würden wir uns noch einmal darüber freuen und es als selbstverständlich betrachten. So ist mit diesem Nachtragshaushaltsplan verbunden, dass die Nettokreditaufnahmeermächtigung weiter reduziert wird. Das ist ein Dokument der Konsolidierung.

Aber das gilt auch für andere Stellen. Wir müssen ja überall als Aufräumkommando für uns hinterlassene Probleme arbeiten. Es geht zum Beispiel darum, ob es uns jetzt gelingt, den Berg an Versprechungen, die Sie in Bezug auf die Krankenhausfinanzierung abgegeben haben, abzubauen. Sie haben Mittel in einer solchen Höhe zugesagt, dass schon die jährliche Summe höher war als die Barmittel, die eingestellt worden waren. Sie haben das Geld für die nächsten vielen Jahre gebunden. Sie haben Zusagen und Versprechungen im Vertrauen darauf gemacht, dass andere dies später bezahlen müssen.

Natürlich ist das rechtlich bindend. Aber wenn es jetzt gelingt, den Berg Ihrer Versprechungen schneller als ursprünglich geplant abzubauen, nämlich 70 Millionen € an Investitionsmitteln in dieses Jahr vorzuziehen, ist das ein weiterer Beitrag dazu, dass in diesem Landeshaushalt der Konsolidierungsgeist in die Wirklichkeit umgesetzt wird.

Herr Kollege Klein, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie unterbreche. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Gödecke?

Aber selbstverständlich, gerne.

Bitte schön, Frau Gödecke.

Danke schön, Herr Kollege. – Herr Kollege Klein, bei den Haushaltsplanberatungen zum Haushalt 2006, über dessen Nachtrag wir reden, der jetzt eingebracht wird, haben Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion und der FDP vor Ort reihenweise erklärt, dass die Kürzungen im GTK-Bereich, im Landesjugendplan, bei der Weiterbildung, in der Frauenpolitik – die Liste könnte ich fast endlos weiterführen – ausschließlich aufgrund der nicht vorhandenen finanziellen Möglichkeiten des Landes NordrheinWestfalen in der Fraktion und in der Koalition entscheiden worden seien.

Verstehe ich Ihren Redebeitrag richtig, dass das völlig unabhängig von der finanziellen Situation des Landes zu verstehen war, weil es eine politische Entscheidung gab, diese Kürzungen vorzunehmen?

Liebe Frau Kollegin Gödecke, ich glaube, Sie haben immer noch eine gewisse Realitätsverweigerung.

(Carina Gödecke [SPD]: Ich frage nach Ihren Kollegen!)

Wir freuen uns, dass mehr Steuern eingenommen werden. Trotzdem sind wir noch meilenweit davon entfernt, in einem Land zu leben, das finanziell solide wäre. Wir sind auf dem Weg zu einer Haushaltskonsolidierung und haben mit diesem Nachtragshaushaltsplan eine wichtige Etappe hinter uns gebracht. Trotz dieses Nachtragshaushaltsplans sind wir noch oberhalb der Kreditverfassungsgrenze nach der Landesverfassung.

Wenn Sie jetzt ans Ausgeben denken, negieren Sie nach wie vor – genau wie in den letzten zehn Jahren – die finanzielle Realität in diesem Lande. Das ist eine Schande. Es ist gut, dass jetzt anders als mit diesen Methoden von gestern und vorgestern entschieden wird.

(Lebhafter Widerspruch von Carina Gödecke [SPD])

Ich habe Ihnen erklärt, dass wir uns im Moment noch nicht in der Situation befinden, Geld verteilen zu können. Wir haben eine gute Etappe erreicht und werden die Einhaltung der Kreditverfassungsgrenze nächstes Jahr möglicherweise erreichen. Wir sind aber noch meilenweit davon entfernt, keine neuen Schulden mehr aufzunehmen. Dieses Ziel müssen und werden wir erreichen. Ich freue mich, wenn wir daran gemeinsam arbeiten können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Klein. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Sagel das Wort.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident Keymis! Ich freue mich, dass Sie das erste Mal präsidieren, wenn ich rede.

(Minister Armin Laschet: Das ist eine Stern- stunde!)

Herr Minister, ich hoffe, dass es eine Sternstunde wird.

Herr Klein, worin der Grund Ihrer Freude liegt, ist nicht so richtig nachzuvollziehen. Sie fragen, wes Geistes Kind wir sind. Ich muss diese Frage zurückgeben: Wes Geistes Kind sind Sie denn eigentlich? Festzustellen ist doch, dass auch dieser Nachtragshaushalt nach wie vor verfassungswidrig ist. Das ist die Situation. Dieser Haushalt ist nach wie vor verfassungswidrig!

Sie sparen insgesamt doch nicht ein, sondern Sie sparen nur an den falschen Stellen und geben Geld an anderer Stelle aus. Das ist die Realität, auf die man an dieser Stelle auch einmal hinweisen muss.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Der Sozialabbau in Nordrhein-Westfalen wird nämlich fortgesetzt. Die kleinen Leute werden geschröpft. Leute mit Kindern in NRW werden zur Kasse gebeten. Das ist die soziale Politik von Herrn Rüttgers in Nordrhein-Westfalen. Sie, Herr Linssen, sind sein Vollzugsgehilfe. In Richtung Berlin sozial predigen, hier aber konkret Sozialabbau betreiben – so sieht die Praxis aus. Es ist wirklich eine Frechheit, wenn unter dem Deckmäntelchen vorgeblich sozialer Politik tatsächlich ein schlechtes Schauspiel abgeliefert wird. Immer

mehr Menschen durchschauen aber, was Sie in Nordrhein-Westfalen machen.

Der Nachtragshaushalt 2006 setzt die unsoziale Politik fort, bringt aber keine Korrekturen. Es gibt keine Umschichtungen und keinen sozialen Ausgleich.

Herr Dr. Linssen, natürlich ist es für jeden Finanzminister schön, einen Nachtrag deswegen einzubringen, weil er die Nettoneuverschuldung reduzieren kann. Doch Sie ernten Lorbeeren, die Sie nicht verdient haben. Denn Sie haben keine Ahnung davon gehabt, wie die Steuerschätzung konkret aussehen wird. Noch im Frühjahr dieses Jahres haben Sie steif und fest behauptet: Ich brauche keinen Nachtragshaushalt! – Doch Sie lagen völlig falsch und haben Glück gehabt, dass sich die Steuerschätzer dieses Mal mit Ihren Prognosen – anders als in der Vergangenheit – nicht um 14 % nach oben, sondern zum ersten Mal in der Geschichte der Steuerschätzungen überhaupt nach unten verschätzt haben.

Die fünf Waisen, nicht Sie haben die Steuerschätzung gemacht. Alle Finanzminister beziehen sich immer wieder auf die Prognosen dieser Steuerschätzer. Deswegen haben Sie dieses Mal tatsächlich nur reines Glück gehabt, mehr nicht. Wir werden genau beobachten, wie genau Ihre Prognosen in der Zukunft sind. Ich bin sehr gespannt darauf. Herr Klein, Sie sollten sich hier nicht an dieser Freude weiden. Dazu haben Sie überhaupt keinen Grund.

Sie gehen von Steuermehreinnahmen in Höhe von 1,2 Milliarden € und einer Minderausgabe im Länderfinanzausgleich in Höhe von 280 Millionen € aus. Gerade aber die Minderausgabe beim Länderfinanzausgleich – Frau Thoben, jetzt sollten Sie vielleicht genau zuhören – ist aber auch ein Indiz dafür, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu anderen Ländern in den letzten beiden Jahren weniger Schwung bekommen hat. Angesichts dessen sollten Sie ein sehr ernstes Gesicht machen. Es gibt keinen Grund zur Freude.

Die Reduzierung beträgt fast die Hälfte dessen, was insgesamt in den Länderfinanzausgleich eingezahlt worden ist. Sie haben das Land im Vergleich zu anderen Ländern nicht vorangebracht, sondern Sie sind – seitdem Sie an der Regierung sind – zurückgefallen.