Protocol of the Session on November 16, 2006

Die Reduzierung beträgt fast die Hälfte dessen, was insgesamt in den Länderfinanzausgleich eingezahlt worden ist. Sie haben das Land im Vergleich zu anderen Ländern nicht vorangebracht, sondern Sie sind – seitdem Sie an der Regierung sind – zurückgefallen.

Der Betrag von 1,4 Milliarden € wird vollständig zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung eingesetzt. Diese reduziert sich somit von 5,58 Milliarden € auf 4,1 Milliarden €. Die Investitionen liegen nach den Eckpunkten des Nachtragshaus

halts bei 3,31 Milliarden €. Die Verfassungsgrenze wird somit um gut 700 Millionen € überschritten. Deswegen ist dieser Haushalt weiterhin verfassungswidrig.

Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn Sie das tun, was der Finanzminister jetzt macht, nämlich die zusätzlichen Steuereinnahmen für die Senkung der Verschuldung einzusetzen. Aber das gilt natürlich nicht für den gesamten Haushaltsbereich. Sie haben nämlich im Haushaltsplan die falschen Prioritäten gesetzt.

Wir haben bereits im Frühjahr mit über 130 Änderungsanträgen deutlich gemacht, wie man sehr wohl einen soliden Kurs und gleichzeitig einen sozial gerechten Kurs fahren kann. Genau das aber machen Sie nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

An dieser Stelle will ich aber auch deutlich machen, dass Sie finanzpolitisch nichts Überzeugendes geleistet haben. Mit einer prognostizierten Steuereinnahme von 38,6 Milliarden € für das Jahr 2007 liegt Schwarz-Gelb mittlerweile um mehr als 5,3 Milliarden € über den Einnahmen des Jahres 2001.

Das heißt: Wir haben eine ganz andere Situation bei den Steuereinnahmen gehabt. Sie lag vor einigen Jahren um 5,3 Milliarden € schlechter. Auch in den Jahren darauf war sie deutlich schlechter als in diesem Jahr.

Doch bei den Investitionen, also bei dem, was langfristig für das Land zählt, liegen Sie um eine halbe Milliarde Euro unter dem Stand von 2001. Auch bei den konsumtiven Ausgaben liegen Sie um 5,8 Milliarden € schlechter als Rot-Grün im Jahre 2001.

Selbst gegenüber dem Jahr 2003 haben sich die Einnahmen des Landes um mehr als 5 Milliarden € verbessert. Es ist also nicht der Konsolidierungskurs der Landesregierung, es sind die Steuermehreinnahmen, die Ihnen ein wenig aus der Bredouille helfen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wem wird dieser Erfolg von den führenden Wirtschaftsinstituten zugeschrieben?

(Dr. Jens Petersen [CDU]: Uns!)

Nein, Ihnen überhaupt nicht. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, die nicht als linkes Organ, sondern eher als konservative Zeitung bekannt ist, schreibt in ihrer vorletzten Ausgabe, dass die Innovationen, die zu diesem Wirtschaftswachstum geführt haben, im Wesentlichen,

und zwar sehr unerwartet, auf den Bereich Umwelt und Umwelttechnologien zurückzuführen sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da frage ich Sie: Wer ist wohl dafür verantwortlich, dass wir gerade im Bereich Umweltwirtschaft jetzt weltweit führend sind und so hohe Exportraten haben?

(Zuruf von Dr. Jens Petersen [CDU])

Das ist bestimmt nicht der Fall, weil die CDU eine so gute Politik in den letzten Jahren gemacht hat!

Trotz enormer Steuermehreinnahmen sieht der Finanzminister keinen Spielraum für eine bessere Beteiligung der Kommunen an dieser Entwicklung. Nach den Worten des Finanzministers ist das Land in einer deutlich schwierigeren Situation als die Kommunen. Nein, die Regierung versteigt sich sogar dazu, die Kommunen zum Sparschwein des Jahres 2007 zu machen! Darüber werden wir in den nächsten Tagen und Wochen sicherlich noch im Detail beraten.

Statt im Bundesrat noch öffentlichkeitswirksam gegen die Mehrwertsteuererhöhung zu reden und dann die Einnahmen in Höhe von 1,4 Milliarden € im Haushalt einzuplanen, hätte sich Ministerpräsident Rüttgers vehement gegen die Kürzung der Regionalisierungsmittel einsetzen sollen, denn das schadet auch dem Land Nordrhein-Westfalen. Es ist weder nachhaltig noch eine Konsolidierung der Staatsfinanzen, sondern schlicht kommunalfeindlich, wenn das Land auf Kosten der Kommunen 500 Millionen € sparen will.

Geradezu skandalös erscheint uns das Auftreten des Finanzministers im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform. Wenn er 700 Millionen € an Mindereinnahmen für das Land verschenkt, und zwar an Unternehmen und an Kapitaleigner, also Vermögende, und das durch die Bevölkerung über die erhöhte Mehrwertsteuer gegenfinanzieren lässt, kann ich nur sagen: Herr Linssen, auch das ist mehr als unsozial! Ich wundere mich über Ihre Politik. Eine Frechheit und Dreistigkeit auf dem Rücken der Eltern und insbesondere auf dem Rücken der Kinder ist es sowieso.

CDU und FDP wollen die Spaltung des Landes. Sie wollen bewusst die Bildungschancen für Kinder aus sozial benachteiligten Bereichen verschlechtern – und das nicht nur beim Stichwort Lehrmittelfreiheit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Anders sind diese politischen Auftritte nicht zu bewerten. Rüttgers macht dumm – CDU und FDP machen arm! Das ist die Realität hier in Nordrhein-Westfalen, seitdem Sie an der Regierung sind.

Strukturschwache Kommunen werden nun noch zusätzlich belastet. Viele Kommunen werden darauf wegen ihrer eigenen finanziellen Situation mit einer Erhöhung der Elternbeiträge reagieren, das heißt, die Eltern werden für die Kindergärten höhere Beiträge zahlen müssen. Träger haben bereits angekündigt, Kindergärten schließen zu müssen.

Von einer Politik vor allem für Kinder und Familien, wie sie die Landesregierung versprochen hatte, kann daher keine Rede sein. Kinder, Jugendliche und Familien sind vielmehr Hauptopfer der Kürzungen.

(Minister Armin Laschet: Stimmt doch gar nicht!)

Sie betreiben also keinen Konsolidierungskurs, sondern einen Kürzungskurs gegen Familien mit Kindern.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Armin Laschet: Stimmt doch gar nicht!)

Das ist die konkrete Politik in diesem Land. Deswegen kann man nur geißeln, was Herr Rüttgers in Richtung Berlin macht. Sie sollten sich hier auf Nordrhein-Westfalen konzentrieren; da haben Sie genug zu tun.

(Minister Armin Laschet: Tun wir doch!)

Auf der anderen Seite gehen Sie nicht an die großen Lobbybereiche heran. Im Gegenteil: Sie machen weiterhin Klientelpolitik.

(Minister Armin Laschet: Kinder! Jugend!)

Die Steinkohle und die Bauern sind die großen Lieblinge von Herrn Rüttgers, seinem Finanzminister und der FDP.

Nach Ansicht der Grünen hätten wir allein im Jahr 2006 rund 226 Millionen € bei den Steinkohlesubventionen einsparen können.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Wie viel?)

Wir hätten auch über 20 Millionen € bei den Landwirtschaftskammern einsparen können. Stattdessen betreiben Sie dort Bürokratieaufbau. Ich wundere mich, dass die FDP das alles so mitmacht. Die selbsternannten Bürokratieabbauer haben überhaupt nichts dagegen, dass die Landwirtschaftskammern massiv gefördert werden.

Und Sie werfen das Geld der Ruhrkohle AG hinterher, obwohl sie Riesengewinne gemacht hat: im letzten Jahr über 3 Milliarden € nach Steuern.

Mehr Geld für die Bauernlobby, Rinder statt Kinder: Das bleibt weiterhin Ihre Devise. Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Politik geht völlig an den Interessen der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen vorbei. Sie ist unsozial. Sie ist ungerecht. Sie ist auch nicht solide.

(Beifall von den GRÜNEN und von Anke Brunn [SPD])

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sagel. – Für die Fraktion der FDP hat jetzt Frau Kollegin Freimuth das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An der einen oder anderen Stelle war ich schon ein bisschen baff. In der Tat überrascht die sehr selektive Realitätswahrnehmung angesichts von Äußerungen wie „2 Milliarden € mehr“. Liebe Frau Kollegin Walsken, das sind 2 Milliarden €, die wir weniger an Krediten aufnehmen müssen.

(Gisela Walsken [SPD]: Steuermehreinnah- men!)

Entschuldigen Sie, sie decken aber immer noch nicht die Ausgaben. Es ist doch der Grundfehler der Politik der vergangenen Jahre, dass jedes Jahr mehr Geld ausgegeben wurde, als eingenommen worden ist.

(Beifall von FDP und CDU)

Das ist doch keine seriöse Finanz- und Haushaltspolitik.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Dann machen Sie es doch! – Gisela Walsken [SPD]: Ändern Sie das doch!)

Man kann über Jahrzehnte hinweg …

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Dann machen Sie es doch!)

Wir haben in der Debatte vor drei oder vier Wochen doch festgestellt, dass es den letzten ausgeglichenen Haushalt im Land NordrheinWestfalen im Jahr 1976 gab. Sie haben immer mit konjunkturellen Besonderheiten und Dergleichen argumentiert. Das stimmt aber einfach nicht.

(Gisela Walsken [SPD]: Ihre Politik stimmt nicht, Frau Kollegin! Sie stimmt leider nicht!)