Protocol of the Session on November 15, 2006

Wir haben häufig erlebt, wie Sie mit Münsterländer Bauernschläue rhetorisch Feuerwerke abfeuern und danach politisch nichts kommt. Peinlich war Ihr Eigenlob vor den Kolleginnen und Kollegen von Allianz und BenQ. Die Quittung war das Pfeifkonzert.

(Beifall von der SPD)

Sie sind nicht nah bei den Menschen, Sie sind nah bei Ihren eigenen rhetorischen Figuren und bei der Demoskopie, die Taschenspielertricks nahelegt.

(Beifall von der SPD)

Jetzt kommen wir zu dem, Kollege Laumann, wie es wirklich ist. – Was tun Sie als Arbeitsminister, damit alle Menschen in diesem Land kürzer arbeitslos sind? Alle Menschen – das ist das Ziel.

Wie sieht es aus beim Beschäftigungsaufbau? Nichts haben Sie da geleistet, weder Sie noch Frau Thoben.

Wie sieht es aus bei der Jugendarbeitslosigkeit? Überall, hier im Landtag und in jedem informellen Gespräch auf Ihrer Ausbildungstour, verkünden sie: Ich mache diese Lügerei vom Ausbildungskonsens nicht mehr mit; die Jugendarbeitslosigkeit steigt. – Ja, Ihre Jugendarbeitslosigkeit steigt in diesem Land, Kollege Laumann.

(Beifall von der SPD)

Das, was Sie zur Frauenbeschäftigung erklärt haben, ist zynisch. Warum ist das zynisch? – Weil weder Sie noch der Ministerpräsident dem Finanzminister in die Hand gefahren sind, als er bei den regionalen Beratungsstellen „Frau und Beruf“, bei den Müttermaßnahmen, bei den KitaGebühren gestrichen hat.

(Beifall von der SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Jawohl!)

Sie betreiben eine Politik gegen die Frauen und gegen die Vereinbarkeit von Frau und Beruf.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Und jetzt noch der Stopp der Projektmittel!)

Sich jetzt noch hier hinzustellen und das Recht der Frauen einzufordern, ist Zynismus.

(Beifall von der SPD)

Deshalb: Herr Ministerpräsident, Sie betreiben politischen Sozialmissbrauch. Das wurde deutlich im Verbund mit dem, was die FDP heute als Katze aus dem Sack gelassen hat.

(Beifall von der SPD)

Was hat die FDP gesagt? – Sie hat gesagt: Ja, wir stützen die Rüttgers-Vorschläge und verbinden sie mit den eigentlich notwendigen Reformvorhaben. „Eigentlich notwendig“ ist aus Ihrer Sicht offensichtlich eine gemeinsame Bundesratsinitiative zum Abbau von sozialen Arbeitnehmerrechten. Flächentarife sollen geschliffen werden.

Es sollen Arbeitnehmerrechte zurückgestutzt werden, und es soll auf Kosten der arbeitenden Menschen Aufschwung herbeiinitiiert werden.

Das ist eine Politik, die weder die SPD noch die Gewerkschaften Ihnen werden durchgehen lassen und für die Sie auch in Ihrer eigenen Partei keine Mehrheit haben, weder Sie als nordrheinwestfälischer Landesvorsitzender noch Sie im Bund.

Deshalb noch einmal: Es ist eine gigantische Mogelpackung, die hier von Ihnen immer wieder neu geschnürt wird. Langsam nähern wir uns der Wahrheit. Die Wahrheit ist: Einige wenige ältere Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, würden bessere Leistungen bekommen. Viele Ältere würden schlechtere Leistungen bekommen. Alle Jungen müssen die Zeche für die Älteren zahlen, Familien für Kinder, Kinder für Familien. Letztendlich ist das kein Finanzierungskonzept. Sie sind jede solide Antwort schuldig. Sie haben als Ministerpräsident Ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Groschek. – Für die Landesregierung hat noch einmal Ministerpräsident Rüttgers das Wort.

(Ralf Jäger [SPD]: Jetzt kommt die Gegenfi- nanzierung!)

Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich auf so etwas antworte?

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Darum ging es doch! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Es geht um die Frage der Finanzierung!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir geht es darum, mich mit einigen Argumenten zu beschäftigen, die in den letzten Tagen vorgetragen worden sind.

Das eine ist die Frage – dazu habe ich eben am Ende meines ersten Wortbeitrages etwas gesagt –,

(Zuruf von der SPD: Lauter!)

wen das denn trifft. Das ist relativ leicht durch den Vorschlag beantwortet. Es trifft diejenigen, die weniger lange eingezahlt haben, und es nützt denjenigen, die länger eingezahlt haben. Damit nehmen wir das auf, was wir an realer Situation auf dem Arbeitsmarkt haben. Ich glaube, das ist auch gerade in einer Situation wie der jetzigen eine Sache, die richtig und gut ist, wenn wir sie da

mit verbinden, dass das, was ursprünglich bei den Hartz-Gesetzen vorgesehen war, auch eintritt, nämlich dass diejenigen, die arbeitslos werden, in den Arbeitsagenturen auch möglichst schnell ein Gespräch mit ihrem Fallmanager bekommen und nicht monatelang darauf warten müssen,

(Beifall von der CDU)

damit sie möglichst schnell Hilfe bekommen, wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen.

(Zurufe von der SPD)

Wenn Sie sich darum gekümmert hätten, dann hätten Sie für Arbeitnehmer, die arbeitslos geworden sind, wirklich etwas getan, statt hier nur Angriffe zu fahren, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD)

Es wird eingewandt, dass der Vorschlag systemfremd sei, die Arbeitslosenversicherung sei eine Risiko- und keine Ansparversicherung.

Da will ich zuerst einmal in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass die Arbeitslosenversicherung bereits heute eine Staffelung im Bereich der Auszahlungsdauer vorsieht. Diese ist von uns allen beschlossen worden.

(Zuruf von der SPD: Aber Sie stehen nicht dazu!)

Das ist übrigens eine Staffelung, die sich an der Einzahlungsdauer orientiert. Also kann doch das Argument, es sei eine Risikosteuer und keine Ansparsteuer, nicht richtig sein.

Der Zwischenruf, ich stünde nicht dazu, hat wahrscheinlich etwas zu tun mit dem Satz, mit dem Frau Kraft eben geschlossen hat: Mit einer Politik der Vergangenheit kann man Zukunft nicht gestalten.

(Ralf Jäger [SPD]: Jetzt nuschelt er wieder!)

Auch wenn einmal etwas beschlossen ist, kann man doch klüger werden. Man kann es doch besser machen, wenn es den Menschen hilft.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Wer sagt: „Wir haben das einmal beschlossen, und es muss jetzt so bleiben“, ist ein Apparatschik und nichts anderes,

(Beifall von CDU und FDP)

weil er nicht mehr weiß, was konkret bei den Menschen los ist.

Einmal ganz abgesehen davon, dass die Frage der Risikoversicherung auch gar nicht zu diesem

System passt. Wenn Sie eine Risikoversicherung abschließen – sei es im Bereich der Hausversicherung oder wo auch immer –, dann haben Sie heute bei privaten Risikoversicherungen selbstverständlich Prämien, die sich an der Risikohöhe orientieren. Arbeitslosigkeit ist aber kein Risiko, das man an der Risikohöhe orientieren kann. Wollen Sie denn in Zukunft, da Sie immer „Risikoversicherung, Risikoversicherung, Risikoversicherung!“ rufen, argumentieren: „Der hat einen Arbeitsplatz, da ist das Risiko, arbeitslos zu werden, höher“? Also müssten dann diejenigen, die zum Beispiel mit ihren Händen arbeiten, höhere Beiträge bezahlen als Akademiker, die nachweislich ein geringeres Risiko haben? Das ist eine Debatte, die völlig an der Sache vorbeigeht.

(Beifall von der CDU)

Auch hier ist wieder vorgetragen worden, das Ganze würde wiederum eine Tür in die Frühverrentung öffnen. Karl-Josef Laumann hat bereits darauf hingewiesen. Die Wahrheit ist, dass genau diese Instrumente übrigens auch von der Großen Koalition mit Recht, wie ich betone, neu gestaltet worden sind, damit eben diese Arbeitsmarktinstrumente nicht mehr dazu führen, als Brücke in eine Frühverrentung benutzt zu werden. Ich bitte Sie herzlich darum, die Beschlüsse, die man gefasst hat, auch zur Kenntnis zu nehmen.

Lassen Sie mich noch einen vierten Punkt ansprechen, weil er auch etwas mit der Frage des Arbeitsmarktes zu tun hat. Ich gehe bewusst nicht darauf ein, ob es zum Beispiel im Rahmen eines solchen Systems – da gibt es gewichtige Aussagen etwa von Richtern von Bundesgerichten – eine Äquivalenz zwischen dem geben muss, was man einzahlt, und der Chance, etwas herauszubekommen. Das ist die Frage, wie hoch sich die Solidarität in den Auszahlungsmöglichkeiten widerspiegelt. Ich will das alles wegen der Zeit nicht erläutern.