Protocol of the Session on November 15, 2006

(Beifall von der FDP)

Das wird in Berlin nicht angepackt. Wir brauchen dringend eine Kommunalisierung der Arbeitsvermittlung, weil die Arbeitsgemeinschaften so nicht effizient arbeiten. Wir wollen betriebliche Bündnisse für Arbeit ermöglichen. Frau Kraft, das heißt, die Arbeitnehmerrechte zu stärken und die Fremdbestimmung durch hochdotierte Gewerkschaftsfunktionäre abzubauen.

(Beifall von der FDP)

Dass der SPD das nicht gefällt, verstehe ich. Das Problem ist doch, dass insgesamt in dieser Gesellschaft das Gerechtigkeitsempfinden abgenommen hat.

(Zuruf von den GRÜNEN: Daran sind Sie maßgeblich schuld!)

Nur ein Drittel der Bevölkerung sagt, dass das staatliche Regelungswerk eigentlich noch gerecht ist. Diese gefühlte Gerechtigkeit ist aber wichtig für eine sozial verantwortliche Gesellschaft. Diese gefühlte Ungerechtigkeit wird von der SPD aber im Moment nicht wahrgenommen. Anstatt dass Sie sie wahrnehmen, beschimpfen Sie den politischen Gegner, und zwar mit recht unschönen Worten. Das ist ein weiteres Zeichen mangelnder sozialer Kompetenz. Das ist schon beachtlich für die Sozialdemokratie.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD: Oh!)

Es ist bemerkenswert, wie aufgescheucht Sie im Moment durch die Gegend laufen. Offensichtlich fühlen sich Genossinnen und Genossen auf ihrem ureigensten Terrain bedrängt. Man hat ja gesehen, wie sich Herr Schmeltzer darauf bewegt hat.

Nur so ist es auch zu erklären, dass Sie so schweres Geschütz auffahren: Populismus, Sozialheuchelei waren ja noch die harmlosen Worte aus Ihrem Mund.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Aber alles wahr!)

Das Problem ist, dass die SPD auf dem sozialen Ohr über die Jahre ein wenig taub geworden ist. Nur so ist dieser Vorwurf zu erklären.

(Lachen von der SPD)

Wir halten es nicht für populistisch, wenn man die Sorgen von arbeitslosen Menschen oder denjenigen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, ernst nimmt. Darüber nachzudenken, kann sich nicht im Abstrakten erschöpfen, sondern man muss auch

konkret etwas vorlegen, was man verändern will. Es reicht nicht aus, eine Armutsdebatte nur anzustoßen, sondern man muss eben auch Lösungsvorschläge erarbeiten.

Sie sind deshalb so nervös – und das ist Ihr Problem –, weil Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen einerseits den Aspekt der sozialen Verantwortung und andererseits die Seite der wirtschaftlichen Kompetenz deutlich macht. Und für die SPD bleibt kein Kompetenzfeld mehr übrig. Sie werden unwichtig.

(Beifall von FDP und CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sagt der Richtige!)

Das macht Sie so nervös, das zeigt sich in den Umfragen, und deshalb kennt Sie doch keiner hier im Land.

(Weitere Zurufe von der SPD)

Die Maßnahmen, die allein an den Symptomen der Arbeitslosigkeit ansetzen, sind aus FDP-Sicht nicht zielführend. Wir sprechen uns dafür aus, primär die Ursachen der Arbeitsmarktprobleme anzugehen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Das bedeutet, dass wir weitere Anstrengungen unternehmen müssen, damit sich mehr Chancen für Menschen, die einen Arbeitsplatz suchen oder ihren erhalten wollen, bieten.

Dabei ist es primäre Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass sie zu mehr Beschäftigung führen. Diese Problematik nehmen wir sehr ernst. Wir haben Konzepte.

Das, was ich von Ihnen hier gehört habe, war absolut gar nichts. Und das, was der Arbeitsminister in Berlin im Moment produziert, hilft dem Arbeitsmarkt auch nicht weiter.

Diese kleine konjunkturelle Schwankung, diese momentan leichte Erholung, die zum Glück die Arbeitslosigkeit etwas absenkt, sorgt doch dafür, dass die Probleme erst Recht nicht angegangen werden.

Das ist mit uns nicht zu machen. Wir brauchen Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt als Chancen für Arbeitnehmer und für die, die wieder in Arbeit kommen wollen. – Danke sehr.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. – Das Wort erhält jetzt Herr Ministerpräsident Dr. Rüttgers. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über Menschen,

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers spricht betont langsam. – Zuruf von der SPD: Vali- um C!)

die davor Angst haben, arbeitslos zu werden. Wir diskutieren über Menschen, die arbeitslos sind, und wir diskutieren über das Thema soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft.

(Bodo Wißen [SPD]: Populismus!)

In dieser Situation stellt sich Frau Abgeordnete Kraft hier hin und erhebt den Vorwurf: Sie – damit meint sie die Koalition, aber auch mich persönlich – reden über Randbereiche.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das Wort habe ich gar nicht benutzt! – Weitere Zurufe von der SPD)

Es fällt mir sehr schwer, diese Formulierung zu kommentieren, weil ich nicht verstehe, wie man so etwas sagen kann.

Die Fraktion der Grünen hat eine Aktuelle Stunde beantragt wegen eines Antrags, den die CDU Nordrhein-Westfalen für den Bundesparteitag der CDU in Dresden am 27. und 28. November eingebracht hat.

Bei diesem Antrag geht es uns um Alleinerziehende und ihre Kinder. Uns geht es um die Frage, ob es eigentlich richtig ist, dass Alleinerziehende deshalb zu Hartz-IV-Empfängern werden, weil sie ein Kind haben. Das sind, werte Kolleginnen und Kollegen, für mich keine Randbereiche.

Wir diskutieren über Menschen, die Angst haben, wenn sie unverschuldet arbeitslos werden, später in Altersarmut zu fallen. Das, werte Kolleginnen und Kollegen, sind für mich keine Randbereiche.

Und wir reden von Menschen wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer etwa von BenQ, die in diesen Tagen hoffen, dass es zu irgendeiner gemeinsamen Lösung kommt, die ihnen wieder ein Stück Perspektive gibt, und die natürlich wissen wollen, wie ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Familien aussehen. Das, werte Kolleginnen und Kollegen, sind für mich keine Randbereiche.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Im Gegensatz zu dem, wie Sie mit den Menschen umgehen!)

Es ist ein Thema, das nicht neu ist; es ist ein Thema, das uns in diesem Haus und darüber hinaus seit vielen, vielen Monaten und Jahren beglei

tet, ein Thema, das plötzlich – vor allen Dingen von der SPD – in einer Art und Weise behandelt wird, die ich nicht verstehe.

Seit heute Morgen gibt es – ich weiß nicht, woher sie gekommen ist – eine Mitschrift einer Rede, die der ehemalige SPD-Vorsitzende Müntefering in der SPD-Bundestagsfraktion gehalten hat. Ich will daraus einmal wenige Sätze zitieren:

„Rüttgers Vorschläge laufen natürlich als Attacke auf uns. Das ist schon kalkuliert. Ich weiß ja nicht, was die da auf ihrem Parteitag beschließen werden, aber bei mir ist da der Spaß zu Ende. „

Oder:

„Wir müssen uns an dieser Stelle wirklich tapfer zeigen, und wir dürfen nicht weglaufen davor. Ich weiß, die Diskussion ist verdammt schwer. Da werden viele kommen und sagen: Das wäre doch so schön. Ich bin geladen, aber ich habe die Nerven dafür, das auszuhalten. Wir werden den richtigen Punkt suchen an der Stelle, aber ich bitte wirklich um Verständnis, wenn ich da knallhart reingehe. Und ich bin dankbar für jeden, der auch ein bisschen mithilft. Die in Nordrhein-Westfalen, die stöhnen in der Partei und sagen: Die fallen alle über uns her, weil: Der fährt durchs Land und lässt sich anstrahlen.“

Zitat Ende, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall von CDU und FDP – Marc Jan Eumann [SPD]: Sie haben doch Hartz IV mitgemacht!)

Wenn das, Frau Abgeordnete Kraft, das Motiv für diese Debatte ist, dann muss ich sagen: Sie sind nicht mehr nahe bei den Menschen. Sie wissen nicht mehr, was die Menschen in diesem Land umtreibt.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich will Ihnen jetzt nicht all die Umfragen vorhalten, die in den letzten Tagen erschienen sind.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Darum geht es Ihnen! Nur darum!)