Wo ist die Finanzierung? Einen Moment, Herr Schmeltzer. Ich habe auch von den 1,2 Milliarden gelesen, jeweils 0,7 und 0,5 Milliarden, habe aber in keiner Weise nachvollziehen können, wie diese Zahlen berechnet worden sind.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das kann nicht wahr sein! Nehmen Sie die Zahlen von der BA; das sind 0,5 Milliarden!)
Das ist nicht offengelegt worden. Ich weiß aus langer Erfahrung – jeder weiß es, der auf diesem Feld nicht so frisch ist wie Sie –, dass es überhaupt keinen Sinn macht, jetzt die öffentliche Diskussion zu führen, ob das nun in der Gegenfinanzierung 0,35 Millionen mehr oder 0,35 Millionen weniger sein würden.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie belügen die Menschen! Kassieren wollen Sie bei den Jungen! Das ist heuchlerisch!)
Im Kern geht es darum: Wie organisieren wir soziale Sicherung in diesem Land? Da haben wir als CDU NRW im Rahmen unserer Grundsatzprogrammdebatte ein Prinzip.
Dieses Prinzip heißt Äquivalenz. Es ist das Prinzip des aufrechten Ganges. Wer mehr und länger einbezahlt hat, soll auch mehr und länger Geld bekommen – selbstverständlich unter Beachtung von Grenzen.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Haben Sie die Beispiele nicht zur Kenntnis genommen, wen Sie alles abstrafen?)
„Es ist für einen Sozialdemokraten nicht einfach, an einer solchen Stelle links überholt zu werden.“,
Ich lehne es ab, von Linksüberholen zu sprechen. Links steht für Fürsorge, für Almosen, welche der Staat den Versicherten gewährt. Wir wollen Versicherung. Wir wollen eine Stärkung des Äquivalenzprinzips. Wir wollen auch in der sozialen Sicherung den einzelnen Menschen betrachten, wir wollen den aufrechten Gang. Das ist der Kern der Diskussion, die wir führen.
Fazit: Auch andere haben in dieser Debatte gute Argumente. Wir haben uns untereinander darüber ausgetauscht. Wir haben in der CDU NRW diskutiert. Wir haben diesen Weg bestimmt. Wir haben diesen Weg gefunden. Wir werden ihn durchsetzen und für ihn kämpfen. Das ist ein ganz normaler demokratischer Willensbildungsprozess in einer großen Volkspartei. Demgegenüber, verehrte Frau Kraft, verehrte Frau Löhrmann, sind Sie sprachlos, kraftlos, perspektivlos. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Stahl. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält die Frau Abgeordnete Steffens das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein Satz vorab: Herr Stahl, ich wusste nicht, dass man mit aufrechtem Gang Finanzierungen sichern kann. Ich finde, das ist ein spannendes neues Finanzierungsinstrument.
Zur wirklichen Finanzierung Ihrer Vorschläge haben Sie hier nämlich nichts, aber auch gar nichts gesagt. Als Einziges haben Sie immer wieder auf den aufrechten Gang hingewiesen. Das finde ich mehr als dürftig.
Vor allem Herr Laumann hat heute hier eine glanzvolle Rede hingelegt. Er hat sich und die ganze Fraktion in Rage geredet. Aber eine Antwort darauf, wie die Vorschläge des Ministerpräsidenten auch nur irgendwie gegenfinanziert werden sollen, ist hier von niemandem geliefert worden. Vielmehr hat man das Gefühl, Ihre Redebeiträge waren wieder nur ein Ablenkungsmanöver. Sie sollten davon ablenken, dass Sie den Menschen die Antworten schuldig geblieben sind.
Wenn man in die Vergangenheit zurückschaut, kann man feststellen, dass der jetzige Ministerpräsident Rüttgers hier genau die Befristung des Arbeitslosengeldes auf zwölf Monate gefordert hat. Das war sein Vorschlag an die damalige rotgrüne Landesregierung.
Ich möchte zitieren: Er hat eine Reihe von Vorschlägen in den Plenarsaal geworfen und uns erzählt, was wir erstens, zweitens, drittens, viertens, fünftens und sechstens machen sollen. Der sechste Vorschlag war, das Arbeitslosengeld auf zwölf Monate zu befristen, um die „Anreize zur Arbeitsaufnahme zu erhöhen“. Das ist das wörtliche Zitat des heutigen Ministerpräsidenten Rüttgers.
Jetzt stellt er sich hin und hängt sich ein soziales Tarnmäntelchen um, um von seinen eigenen dilettantischen Kürzungen im Sozialbereich abzulenken. Er hängt sich dieses Tarnmäntelchen um und schreit: Wir brauchen längere Bezugszeiten.
Heuchelei ist auch, dass er sagt, er tue den Menschen Gutes damit. Aber er bleibt die Antwort auf die Frage schuldig, wo die Finanzierung herkommt.
Herr Stahl, Sie können sich nett hierhin stellen und beklagen, dass uns irgendwelche Konzepte fehlen. Ihr Ministerpräsident hat sogar eine Bundesratsinitiative angekündigt. Bei einer Bundesratsinitiative kann man schlecht fordern: „Wir wollen ein bisschen mehr“, aber nicht erklären, woher
Aber Herr Rüttgers ist nicht in der Lage, einen Finanzierungsvorschlag laut zu verkünden, denn dann würde das Tarnmäntelchen herunterfallen und das wahre Gesicht zum Vorschein kommen. Deswegen macht er das an dieser Stelle nicht, und deswegen bleibt er den Menschen die Antwort hier und heute schuldig.
Wenn man die Bezugszeiten des Arbeitslosengeldes für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die über einen längeren Zeitraum eingezahlt haben und jetzt arbeitslos werden, verlängert, dann muss man die Bezugszeiten des Arbeitslosengeldes I für andere massiv verkürzen. Das heißt, wir werden Menschen haben, die nicht aus eigenem Verschulden arbeitslos werden, zum Beispiel BenQ-Mitarbeiter, die dann nicht mehr zwölf Monate lang Arbeitslosengeld I bekommen, sondern vielleicht nur noch die statistischen fünf oder sechs Monate, wie es uns Herr Laumann hier vorgerechnet hat.
Das ist keine soziale Politik. Es ist unmöglich, die Menschen in diesem Land – die Herr Laumann so nett zitiert hat –, die zu Recht Angst haben, im Ungewissen zu belassen und ihnen nicht zu sagen, was sie perspektivisch erwartet.
Bei dem zweiten Punkt geht es um das, was auch immer als Sozialtat im Raum steht. Natürlich brauchen die Menschen eigentlich ein anderes Schonvermögen, gerade für Rückstellungen in der Rente. Aber zu sagen: „Wir haben da einmal 700 € kalkuliert“, und deswegen den anderen bei ihrem allgemeinen Schonvermögen Geld wegzunehmen, nämlich den Jüngeren, den Alleinerziehenden und anderen, die in einer Unterbrechung sind, und denjenigen, die morgen arbeitslos werden – auch das ist illegitim, denn diese Menschen brauchen ebenfalls ein Schonvermögen, womit sie Anschaffungen tätigen, damit sie nicht aus dem sozialen Netz herausfallen.
Was das Schonvermögen für die Altersrückstellung betrifft, so sind Sie auch da wieder viel zu kurz gesprungen. Es geht Ihnen ja gar nicht um den Inhalt, sondern nur um Phrasendreschen.
Das Problem ist doch nicht das Alter, also die Rentenzeiten und letztendlich das Schonvermögen pauschal zu erhöhen. Vielmehr müsste das Schonvermögen eigentlich an die zu erwartenden
Renten gekoppelt werden. Ihr Schonvermögen – 700 € pro Lebensjahr, in dem man gearbeitet hat –, nützt den Frauen letztendlich überhaupt nicht, die hinterher mit einer 74-€-Rente hinausgehen, denn wenn sie 234 € obendrauf bekommen, sind sie immer noch von der Sozialhilfe abhängig. Deswegen bräuchten wir auch da ein differenziertes System, das von der später zu erwartenden Rente ausgeht.
Als Letztes noch einmal: Wenn das hier keine Heucheleinummer sein soll, müssen Sie – die Fraktion und der Ministerpräsident – an der Stelle ganz klar sagen, womit Sie in den Bundesrat gehen. Soll frisches Geld vom Bund als Gegenfinanzierung in die Hand genommen werden, damit Sie den Menschen wirklich etwas Gutes tun, oder stellen Sie sich wenigstens hin und verkünden ganz ehrlich, wem Sie alles perspektivisch Geld wegnehmen, damit Sie pseudosozial durchs Land laufen können?
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Steffens. – Für die FDP-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Dr. Romberg das Wort.
(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist die aller- schärfste Waffe! – Gegenruf von Dr. Gerhard Papke [FDP]: An Sie kommt keiner ran! Mit Ihnen kann keiner konkurrieren!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kraft, vielleicht noch einmal ein paar liberale Gedanken zur Aufklärung: Die Arbeitslosenversicherung ist zurzeit keine Risikoversicherung, sondern eine Versicherung mit Umverteilung. Wenn wir so ein System haben, müssen wir Leistung stärker belohnen als bisher und Ungerechtigkeit abbauen. Wenn Herr Gerhardt eine Risikoversicherung favorisiert, stehen wir natürlich voll dahinter.
Eine solche Risikoversicherung ist aber im Moment nicht machbar, und deshalb müssen wir das jetzige System zumindest so verbessern, dass leistungsbereite Menschen auch wirklich stärker belohnt werden. Wir haben weiterhin unseren Rückhalt in der Bundespartei. Da brauchen Sie sich also gar keine Sorgen zu machen.
Wir sagen ja – das hat Herr Lindner hervorgehoben – zur gestaffelten Verlängerung des Arbeitslosengeldes im Zusammenhang mit weiteren Reformen für den Arbeitsmarkt, die einfach wichtig sind. Das darf eben nicht nur solo erfolgen, son