Protocol of the Session on October 26, 2006

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Möbius. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht deren Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat eine sehr gravierende Entscheidung, über die heute diskutiert wird und die – da stimme ich Herrn Hilser zu – insgesamt in der Verantwortung des Ministerpräsidenten liegt. Deshalb ist diese Entscheidung auch in den Gesamtkontext der Regierungspolitik und der Widersprüche zu den Verlautbarungen zu stellen. In den Reden der Regierungsfraktionen und des Ministers war wieder das Muster erkennbar, dass sich sehr viel an der Vergangenheit abgearbeitet worden ist, anstatt die neue schwarz-gelbe Regierungspolitik zu erklären und zu begründen. Das ist wieder sehr deutlich geworden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es ist ein Unterschied – damit möchte ich diesen Aspekt bewenden lassen –, ob bezüglich der Haushaltssanierung ein Prüfauftrag vorliegt und man am Ende zu einer Zustimmung kommt oder ob man aus sozial- und wohnungspolitischen Gründen am Ende zu einer Ablehnung kommt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Insofern kann ich nur sagen, dass sich der Kollege Vesper aus unserer Sicht zu Recht gegen den Finanzminister durchgesetzt hat im Gegensatz zum jetzigen Wohnungsbauminister, der sich in diesem Fall nicht gegen den Finanzminister durchgesetzt hat. Es finden gute und richtige Abwägungsprozesse von Zielkonflikten statt. Bei uns ist das aus unserer Sicht für die Mieterinnen und Mieter gut ausgegangen, und bei Ihnen geht das eben schlecht aus.

Frau Abgeordnete Löhrmann, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Nein, das möchte ich nicht. Ich möchte im Zusammenhang ausführen, weil mir das sehr wichtig ist und weil diese Fragetechniken natürlich auch ein gewisses System haben; das gehört dazu, und das darf auch

so sein. Ich komme gerne am Ende meiner Rede darauf zurück.

Meine Damen und Herren, wenn ich Sie heute richtig verstanden habe, dann haben Sie dem staunenden Laien Folgendes erklärt: Wenn man beim Verkauf der LEG den höchsten Erlös und die beste soziale Absicherung sowohl für Mieterinnen und Mieter als auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzielen will, dann muss man die LEG im Ganzen verkaufen. Ich gehe davon aus, dass ich Sie richtig verstanden habe. Zusammengefasst bedeutet das: Es gibt nichts Besseres und nichts Sozialeres als den Verkauf der LEG an eine Heuschrecke. Das ist nämlich die Antwort auf diese Frage.

Meine Damen und Herren, das ist doch wohl die unverfrorenste Behauptung, die ich jemals hier gehört habe.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie wollen uns für dumm verkaufen. Das Schlimmere ist, Sie wollen die Menschen in NordrheinWestfalen für dumm verkaufen. Stellen Sie sich doch einfach folgende Frage: Seit wann bekommt der Verkäufer bei Paketverkäufen Mengenrabatt? Das glauben Sie doch selber nicht. Sie wissen ganz genau, dass es umgekehrt richtig ist. Die Menschen wissen auch, dass es umgekehrt richtig ist. Es ist immer schlecht, wenn man mit etwas argumentiert, das der Alltagserfahrung der Menschen widerspricht. Dann merken die Menschen nämlich, dass sie für dumm verkauft werden sollen, und das merken die sich hoffentlich sehr genau.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Frau Abgeordnete Löhrmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt nicht, später gern. – Weil der Käufer im Paket auch Bestände übernimmt, die man sonst nur schwer verkaufen kann, muss das Land natürlich Preisabschläge hinnehmen. Das ist bei allen Immobilienverkäufen so. Das war in Dresden so, und das wird auch bei der LEG nicht anders sein.

Nun, Herr Wittke, zu Ihrer Supersozialsicherung. Sie haben sich verdammt weit aus dem Fenster gelehnt. Wir werden sehen, Herr Minister, wann Sie herausfallen. Es geht um das Wann und nicht um das Ob, denn dass Sie herausfallen, das steht für mich felsenfest. Eines ist doch klar – das muss man den Menschen sagen –: Wenn Sie Ihre ganz tollen Sozialstandards im Vertrag nicht mit konkre

ten Vertragsstrafen unterlegen, dann ist dieser ganze Katalog nichts als heiße Luft.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dann können sich weder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch die Mieterinnen und Mieter der LEG für die Versprechungen der Landesregierung irgendetwas kaufen. Aber wenn Sie, was ich mir ehrlich gesagt überhaupt nicht vorstellen kann, einem Investor das, was Sie uns hier und heute vorgetragen haben, tatsächlich mit entsprechend hohen Vertragsstrafen in den Kaufvertrag diktieren wollen – das wäre ja in Ihrer Logik auch vernünftig –, dann möchte ich sehen, wie hoch der Kaufpreis noch sein wird. Erste Zweifel werden bereits heute in der Presse deutlich.

Herr Wittke, Sie haben ja in dem Verfahren sowieso nicht mehr so viel zu melden. Herr Linssen, der Finanzminister, hat ab heute die Zügel in der Hand. Ich bin mir sicher, Herr Wittke, so schnell können Sie gar nicht gucken, wie sich Ihr Sozialkatalog in Luft auflöst. Jede einzelne Vereinbarung zur Absicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, jede einzelne Vereinbarung zur Absicherung der Mieterinnen und Mieter kostet richtig viel Geld, Geld, das der Finanzminister nicht hat. Deshalb wird er einen nach dem anderen Standard kassieren. Dann liegen Sie auf der Nase, Herr Wittke, aber das ist ja bei Ihnen nichts Neues.

(Beifall von der SPD)

Ärgerlich daran ist nur, dass die Mieterinnen und Mieter, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihren Mist ausbaden müssen. Das Land gibt darüber hinaus mit dem LEG-Verkauf ein wichtiges wohnungs- und städteentwicklungspolitisches Instrument aus der Hand. Das ist fatal.

Der „Klartext“-Kommentar des WDR – damit möchte ich schließen und komme dann gerne zu Zwischenfragen – weist zu Recht auf den Widerspruch zwischen den Sonntagsreden des Ministerpräsidenten und dem Alltagshandeln seiner schwarz-gelben Regierung hin. Ich zitiere:

„Ministerpräsident Rüttgers versucht den Spagat zwischen wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Gerechtigkeit. Im Falle „BenQ Siemens“ appellierte er kürzlich an das Verantwortungsbewusstsein der Taiwan-Chinesen. Ähnliches könnte ihm in Zukunft mit einer Immobilienheuschrecke wieder passieren.“

Insofern schlagen Sie heute ein neues Kapitel der Regierungsserie auf: Reden wie Blüm, Regieren wie Westerwelle. Das ist fatal, und das werden wir aufzeigen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Jetzt komme ich gerne zu den Zwischenfragen.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Löhrmann. – Zu einer Zwischenfrage hat sich der Abgeordnete Möbius gemeldet. Bitte, Herr Möbius.

Frau Kollegin Löhrmann, Sie hatten eben im Zusammenhang mit der rot-grünen Regierungsverantwortung davon gesprochen, es sei lediglich bei einem Prüfauftrag geblieben. Seit wann werden Ergebnisse eines Prüfauftrags in den Landeshaushalt gestellt, wie es 2003 gewesen ist, wo 100 Millionen € eingestellt worden sind?

(Heiterkeit von Minister Dr. Helmut Linssen)

Das ist mit dem Prüfauftrag nicht zu vereinbaren.

Ich habe auch Kommunalpolitik gemacht, wie viele von Ihnen. Es gibt Haushaltssicherungskonzepte und Haushaltssicherungsvorhaben, wo man aufzeigt, wie man Erlöse erzielen, wie man Prüfaufträge machen will.

(Minister Oliver Wittke: Haushaltskosmetik!)

Das kenne ich aus der kommunalen Praxis. Es findet genauso statt, dass

(Zuruf von Christof Rasche [FDP] – Gisela Walsken [SPD]: Das macht der Finanzminis- ter mit den Steuereinnahmen doch genau- so!)

der Finanzminister zum Beispiel Steuereinnahmen einstellt, von denen er ausgeht.

(Gisela Walsken [SPD]: Nach dem Motto: Wir wollen mal gucken, was kommt!)

Dann trifft man in einem solchen Verfahren unter Abwägung von Pro und Kontra hinterher eine Entscheidung. So ist es in diesem Fall geschehen. Man hat dann andere Mittel und Wege finden müssen, die 100 Millionen €, die man dort nicht erwirtschaftet hat, an anderer Stelle zu erwirtschaften. So passiert es in Kommunen und im Landeshaushalt auch. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Horst Be- cker [GRÜNE]: Das ist der Unterschied!)

Frau Abgeordnete, es gibt noch eine Zwischenfrage. Möchten Sie die beantworten?

Ja, bitte.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Schemmer.

Frau Löhrmann, noch einmal darauf zurückkommend: Im Haushalt 2003 waren neben dieser LEG-Geschichte mit 100 Millionen € viele potenzielle Einnahmen angesetzt, die wir dann im Haushaltsergebnis als zusätzliche Neuverschuldung wiedergefunden haben.

Nochmals: Der Haushaltsansatz betrug 100 Millionen €.

(Zuruf von der SPD: Frage!)

In Ergänzung der Protokolle, die eben genannt worden sind: Dass die in dieser dilettantischen Form nie erlöst würden, war eigentlich klar, und es war kein Prüfauftrag.

(Zuruf von der SPD: Frage!)

Herr Abgeordneter Schemmer, stellen Sie bitte Ihre Frage.

… Warum hat man seinerzeit den Haushaltsansatz mit der Koalitionsmehrheit so festgelegt, ohne dabei gleichzeitig, auch nicht während des Verfahrens, in irgendeiner Form Sozialstandards für die Veräußerung vorzusehen?