Protocol of the Session on October 26, 2006

(Gisela Walsken [SPD]: Kein Zentimeter Pri- vatisierung!)

Allein durch das Zeitalter des Internets ist eines der Wesentlichkeitsmerkmale der Sparkassen, das Regionalprinzip, durchaus aufgeweicht worden.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Damit widerspre- chen Sie Herrn Kollegen Klein!)

Wenn wir uns weiterhin anschauen, welche Sparkassen-Fusionen es gibt, müssen wir zumindest sagen, dass es eine neue Definition der Region auch bei den Sparkassen gegeben hat.

Deswegen habe ich die herzliche Bitte an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam nach vorne schauen und moderne, fortschrittliche Rahmenbedingungen für unsere Sparkassen schaffen – im Interesse der Sparkassen, ihrer Mitarbeiter und ihrer Kunden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Freimuth. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Finanzminister Dr. Linssen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen uns in diesem Parlament nicht jeden Tag gegenseitig bestätigen, dass wir gegen eine Privatisierung von Sparkassen sind,

(Gisela Walsken [SPD]: Nach dem letzten Beitrag schon!)

dass wir für die regionale Zuständigkeit von Sparkassen sind, dass wir für das Dreisäulensystem in

unserem Bankensystem sind. Dass wir uns immer gegen eine Privatisierung ausgesprochen haben,

(Hannelore Kraft [SPD]: Aber die FDP nicht! – Zurufe von Gisela Walsken [SPD] und Syl- via Löhrmann [GRÜNE])

ist gemeinsame Basis dieses Parlaments, meine Damen und Herren.

(Gisela Walsken [SPD]: Dann können wir ja gemeinsam stimmen!)

Aber ich glaube – darauf hat die Kollegin Frau Freimuth zu Recht aufmerksam gemacht –, dass es auch im Sparkassensektor einige Ungereimtheiten gibt, die trotz aller Beteuerungen, die dann bei DSGV-Veranstaltungen in Berlin abgelassen werden, nicht aus der Welt geräumt werden können. Dass das Regionalprinzip durch Direktbanken, die sowohl im bayerischen als auch im hessischen Bereich vorhanden sind, von den eigenen Leuten durchlöchert wird, ist eine Tatsache. Dass es in bestimmten Bereichen natürlich die vertikale Integration gibt, ist auch eine Tatsache. Dass man dabei ist, viel Geld für Berlin nach Berlin zu schicken – man muss sich die Konstruktion in Berlin einmal sehr genau anschauen –, verträgt sich auch nicht mit vielem, was aus dem Sparkassensektor immer wieder geäußert wird.

Meine Damen und Herren, das Thema ist sehr kompliziert. Hintergrund ist die aktuelle Befassung mit der Frage des Bezeichnungsschutzes für Sparkassen und damit natürlich auch die miteinander zusammenhängenden Verfahren der Europäischen Kommission, also das sogenannte Umstrukturierungsbeihilfeverfahren Bankgesellschaft Berlin AG und das sogenannte Vertragsverletzungsverfahren zu § 40 KWG. Da geht es oft ziemlich durcheinander.

Zum Beihilfeverfahren Bankgesellschaft Berlin AG: Dabei ist die Auslegung des § 40 KWG durch die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, wie man so sagt, europaauffällig geworden. Danach erfordere – § 40 KWG – die Verwendung der Bezeichnung Sparkasse, dass eine öffentliche Einrichtung die Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen behält beziehungsweise dass sämtliche Gewinne ausschließlich Zwecken des Gemeinwohls zugeführt werden. Allein bei der Auslegung des Begriffs des Gemeinwohls gibt es unendlichen Streit: Gilt das nur für die Ausschüttungsverwendung? Gilt das für die Gewinnverwendung? – Darüber kann man ganze Bücher schreiben. Das ist für eine Debatte hier in diesem Forum vielleicht auch etwas zu kompliziert.

Im Vertragsverletzungsverfahren, meine Damen und Herren, geht es dagegen um die generelle Frage, wer die Bezeichnung Sparkasse führen darf. Dazu, meine Damen und Herren, gibt es jetzt eine Klage in Berlin. – Frau Walsken, Sie interessiert das doch besonders, weil Sie den Punkt angesprochen haben.

(Gisela Walsken [SPD]: Sie haben meinem Beitrag eben auch nicht gelauscht! Locker bleiben!)

Sie haben sich hier gerade zum Bezeichnungs- und Markenschutz eingelassen, und Sie wissen, dass es ein Verfahren in Berlin gibt, bei dem der DSGV gegen Berlin klagt. Am 14. November ist die Eröffnung des Verfahrens.

Die Bundesregierung hat in ihrer Mitteilung vom Juni 2006 in beiden Verfahren eine Verständigung mit der Kommission gesucht. Danach sollte die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren einstellen und bestätigen, dass die Bezeichnung für Sparkassen und das deutsche Dreisäulenmodell mit Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Nur im Sonderfall der Berliner Sparkasse sollte dieser Bezeichnungsschutz von höherrangigem, unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht überlagert sein. Auch das war zu Beginn natürlich sehr umstritten, hat sich aber durchgesetzt. Deshalb hat die Bundesregierung das so vorgeschlagen.

Diesem Vorschlag, meine Damen und Herren, ist die Europäische Kommission in ihrer begründeten Stellungnahme vom Juli 2006 nicht gefolgt. Ich hatte mir erlaubt, im März in einem Artikel im „Handelsblatt“ vorzuschlagen, das Berliner Verfahren möglichst schnell zu separieren, um sich dann nicht weiter in einen langwierigen Streit über § 40 KWG zu begeben. Dem ist nicht gefolgt worden. Ich kann nur feststellen: Wir haben jetzt den Kladderadatsch, das heißt, wir müssen uns jetzt beeilen, damit wir zumindest bis Dezember eine Einigung hinbekommen. Ich darf Ihnen sagen, dass die Unterhändler auch heute wieder in Brüssel zusammensitzen, um in diesem Streit weiterzukommen.

Aus dieser begründeten Stellungnahme der Europäischen Kommission vom Juli 2006 ergibt sich unter anderem, dass es entsprechend dem Schutz der Eigentumsordnung – das ist der berühmte Art. 295 EU-Vertrag – allein der Entscheidung des Mitgliedstaates obliege, ob eine Privatisierung durchgeführt werden solle oder nicht. Das Ob ist völlig unumstritten und in allen Schreiben der EU immer wieder bestätigt. Es ist auch Auffassung der Bundesregierung, dass das allein den nationalen Parlamenten obliegt.

Für den Fall einer Privatisierung, wie sie für Berlin durch das Beihilfeverfahren nun verlangt wird, ist das Wie allerdings nach den Regeln der EU durchzuführen. Dann darf nicht differenziert werden – so sagt die EU –, ob der Erwerber der öffentlichen Hand zuzurechen ist oder ob es sich um ein privates Unternehmen handele. Man hätte sicherlich gut daran getan, den Fall Berlin von vornherein als Sonderfall zu behandeln.

Nun hat die Bundesregierung daraufhin Ende Juli 2006 neue Vorschläge unterbreitet. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen solle aufgefordert werden, ihre Rechtsauffassung zu modifizieren, und die Norm zum Bezeichnungsschutz in § 40 KWG solle um einen weiteren Absatz ergänzt werden. Danach solle bei Sparkassen in privater Rechts- oder Trägerform insbesondere eine gemeinnützige Gewinnverwendung erfolgen.

Auch diese Vorschläge, meine Damen und Herren, hat die Kommission abgelehnt. Im Wesentlichen werden dabei die unterschiedlichen Regeln für die Privatisierung der Berliner Sparkasse und für mögliche weitere Privatisierungen, die ja durch den neuen Gesetzestext des § 40 KWG präjudiziert sind, abgelehnt. Darüber hinaus sieht die Kommission für den Fall der Privatisierung von Sparkassen die Beschränkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, namentlich Kapital-, Verkehrs- und Niederlassungsfreiheit, als nicht gerechtfertigt an.

Nach weiteren Gesprächen hat die Bundesregierung der Kommission durch Mitteilung vom 2. Oktober 2006 einen neuen Kompromissvorschlag unterbreitet. Darin resümiert die Bundesregierung die gemeinsamen Standpunkte und bekräftigt ihre Position. Zur Erzielung einer Einigung will die Bundesregierung den vorgeschlagenen Bezeichnungsschutz für privatisierte Sparkassen, also für den Fall Berlin und, falls weitere folgen sollten – falls also irgendein Landesgesetzgeber so etwas vorschlägt –, auch für weitere Sparkassen, zulassen, wenn der Jahresüberschuss weit überwiegend für gemeinnützige Zwecke im Geschäftsgebiet verwendet wird. Das war die letzte Formulierung. Das würde bedeuten, dass ehemals öffentlich-rechtliche Sparkassen auch dann vom Bezeichnungsschutz erfasst werden, wenn sie mehr als drei Viertel – vorgeschlagen sind 75,1 % – ihres Jahresüberschusses für gemeinnützige Zwecke verwenden.

Alternativ zu einer Rechtsänderung wird eine untergesetzliche Lösung vorgeschlagen. Das erste wird übrigens in dem Vorschlag der Bundesregierung auf etwa 13 Seiten abgehandelt, und dann folgt eine halbe Seite zu untergesetzlichen Rege

lungen. Hier wird erwogen, in mit Berlin vergleichbaren Fällen eine Namensfortführung zu gewährleisten. Darüber wird auch heute die Diskussion in Brüssel geführt.

Eine Reaktion der EU-Kommission auf die Vorschläge der Bundesregierung ist offiziell nicht bekannt. Darüber wird heute mündlich verhandelt. Es zeigt sich aber, dass es hier um argumentative Verästelungen und das Ausloten von Verhandlungsspielräumen geht.

Meine Damen und Herren, dem würde der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion nicht gerecht. Der gleichlautende im Deutschen Bundestag beschlossene Antrag hatte das Ziel, die Verhandlungsposition der Bundesregierung zu bekräftigen. Das war Intention der Bemühungen der Bundestagskolleginnen und -kollegen. Dies ist in dem neuen Kompromissvorschlag der Bundesregierung umgesetzt worden; das ist also erledigt. Da die zu unterstützende Stellungnahme der Bundesregierung abgegeben worden ist, bleibt die Reaktion der Kommission auf die bundesrechtliche Problematik abzuwarten.

(Unruhe)

Herr Minister, ich darf Sie einmal kurz unterbrechen. Ich weiß nicht, ob Sie das auch wahrnehmen: Es ist sehr unruhig im Saal. Ich bitte Sie, die Gespräche draußen zu führen und dem Redner zuzuhören.

(Gisela Walsken [SPD]: Ich kann das ja ver- stehen!)

Es ist eine sehr komplizierte Materie, die man nicht nur mit populistischen Sprüchen abarbeiten kann, Frau Kollegin.

Außerdem bedürfte es einer zeitlich intensiveren inhaltlichen Prüfung, ob sich der Antrag noch voll umfänglich in der gestellten Fassung nach der erfolgten Mitteilung an die Kommission halten lässt. Der Antrag enthält die Aussage, das EU-Recht enthalte grundsätzlich keine Verpflichtung, einem privaten Investor die Nutzung der Bezeichnung Sparkasse zu gestatten. Diese wäre dann in Einklang zu bringen mit dem alternativen Kompromissvorschlag der Bundesregierung, in mit Berlin vergleichbaren Fällen eine Namensfortführung zu gewährleisten. Darüber, Frau Kollegin, haben Sie nicht gesprochen.

Schließlich glaube ich, dass der Versuch einer Problemlösung in diesem Verfahren auch immer die Gefahr berücksichtigen muss, damit fast ein

Bundessparkassengesetz zu etablieren, was nicht im Interesse unseres Landes sein kann.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich vermisse in der gesamten Diskussion, gerade bei denjenigen, die die Meinungen des DSGV einfach nachbeten, dass man die Interessen der Länder als Sparkassengesetzgeber verfolgt. Im Übrigen weiß man aus früheren Verfahren bei der EU-Kommission – wir sind ja als Land NordrheinWestfalen durch das Wfa-Verfahren hinlänglich geprügelt worden, kennen uns aber dadurch in den Verästelungen in Brüssel in solchen Verfahren besonders gut aus –, dass sich Fronten verhärten können. Deshalb sind Verhandlungen auf politischer Ebene vielversprechender als die formelle Bekräftigung vermeintlich zutreffender Positionen.

In dieser Phase der Verhandlungen der Bundesregierung mit der EU-Kommission sollte der Antrag der SPD-Fraktion aus unserer Sicht daher nicht beschlossen werden.

Ich empfehle hingegen, dass wir uns auf die Reform unseres Sparkassenrechts in NordrheinWestfalen konzentrieren. Für die Sparkassen ist die Förderung von Bürgern und Mittelstand öffentlicher Auftrag und Geschäftsmodell zugleich. Die geschäftliche Betätigung der Sparkassen ist auf die Region ausgerichtet – ich wiederhole das, was ich zu Beginn gesagt habe –, und ihr Mehrwert bleibt der Region erhalten. Dies soll auch in Zukunft so sein. Daher wurde mit der in der Koalitionsvereinbarung der Landesregierung vorgesehenen Modernisierung des Sparkassenrechts eine Zielsetzung klar umrissen. Es geht um die Stärkung des Sparkassenwesens, die Stärkung und zukunftssichere Ausgestaltung der dritten Säule unseres Bankensystems in Deutschland.

Ich bin daher der Meinung, dass der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen Ihre volle Unterstützung, die Unterstützung des Parlamentes finden sollte. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Finanzminister. – Für die SPD spricht nun der Abgeordnete Kuschke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Dr. Linssen, ich bin mir nicht sicher, ob nonchalante Arroganz, die Sie hier zu Tage getragen haben,

(Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU)

und ein akademischer Vortrag, zu dem Sie uns attestiert haben, dass wir ihn sowieso nicht verstehen, eine klare Positionierung in dieser Frage überflüssig machen. Das ist doch die entscheidende Frage.

(Beifall von der SPD)

Wir könnten in dieser Debatte heute und auch in Zukunft einigermaßen ruhig und gelassen sein, wenn wir uns auf Sie in der CDU-Fraktion und Ihre kommunalpolitischen Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen verlassen könnten, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)