Protocol of the Session on October 25, 2006

„Nach dem Beschluss der Amtschefkonferenz der KMK vom 17. November 2005 soll die ZVS in eine andere Rechtsform mit verändertem Aufgabenspektrum überführt werden. Diese Clearingstelle“

diesen Begriff haben wir in der letzten Legislaturperiode auch schon sehr häufig benutzt –

„soll für die Länder die verfassungsrechtlich gebotenen Aufgaben im zentralen Vergabeverfahren durchführen und im Auftrag der Hochschulen und auf deren Kosten koordinierende und unterstützende Aufgaben im Zulassungsverfahren der Hochschulen, insbesondere bei der Bearbeitung von Mehrfachbewerbungen, übernehmen.“

Klarer geht es doch nicht, meine Damen und Herren!

Es kann nicht darauf hinauslaufen, sämtliche Studienplätze über individuelle Auswahlverfahren der Hochschulen zu vergeben. Dieses Ziel ist von Ihnen ja schon des Öfteren definiert worden – auch schon in der letzten Legislaturperiode. Weil wir an die Verfassung gebunden sind, kann es aber eben nicht dazu kommen. Ein solcher vollständiger Systemwechsel stellt – konsequent zu Ende gedacht – nämlich auch die Bedeutung des Abiturs als allgemeine Hochschulreife und hinreichende Hochschulzugangsberechtigung

(Christian Lindner [FDP]: Aber nicht für jedes Fach!)

infrage.

Ob die ZVS nun zu einer Serviceeinrichtung weiterentwickelt wird oder ob sie in eine andere Rechtsform überführt wird und dann möglicherweise einen anderen Namen erhält, wird nichts an der Tatsache ändern, dass wir eine solche zentrale Einrichtung weiterhin brauchen;

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

denn die Hochschulen sehen sich derzeit und auch künftig nicht in der Lage, die Selbstauswahl der Studierenden zu bewältigen und den Mehrfachbewerbungen gerecht zu werden.

Viel mehr als eine private Servicestelle zur Verwaltung des Studienplatzmangels brauchen wir allerdings – das will ich an dieser Stelle deutlich sagen – den Aufbau von neuen Kapazitäten

(Beifall von den GRÜNEN)

für einen arbeitsmarkt- und demografiegerechten Ausbau unseres Hochschulsystems.

Meine Damen und Herren, ich wage zu bezweifeln, dass die derzeitigen Aktivitäten unseres Wissenschaftsministers im Rahmen des Hochschulpaktes ausreichen, um genügend frisches Geld nach Nordrhein-Westfalen und in unsere Hochschulen zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn wir aber nicht jetzt vorsorgen und zeitnah beginnen, Kapazitäten aufzubauen, werden uns mittelfristig die hochqualifizierten Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt fehlen.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Herr Minister, jetzt hören Sie endlich einmal zu!)

Das macht nichts; das erleben wir ja häufiger. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb geht es an dieser Stelle nicht um die Abschaffung oder Nichtabschaffung der ZVS – diese Auseinandersetzung bringt aus meiner Sicht kaum Gewinn –,

sondern um die Schaffung neuer Studienplätze und die Ausweitung der Kapazitäten zur Bewältigung der geburtenstarken Jahrgänge und der doppelten Abiturjahrgänge in den Jahren 2012 und 2013 sowie zur qualitativen Verbesserung der konsekutiven Bachelor- und Master-Studiengänge. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Lindner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Frau Dr. Seidl, zunächst will ich auf Sie Bezug nehmen. Sie haben gesagt, wir bräuchten neue Kapazitäten und frisches Geld. – Dann müssen Sie aber auch Ihren politischen Beitrag dazu leisten, dass diese Ziele erreichbar sind.

(Dr. Ruth Seidl [GRÜNE]: Sie aber auch!)

Bei den Kapazitäten geht es ja nicht ausschließlich darum, neue zu schaffen, sondern auch darum, die bisherigen besser nutzen. Dank Ihrer Politik haben wir eine hohe Schwundquote. 30 % der Studienanfänger erreichen keinen Abschluss. Hier müssen wir Ressourcen heben. Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die studieren, auch einen Abschluss machen, und diejenigen, die nicht ernsthaft einen Abschluss anstreben, sich für andere berufliche Perspektiven öffnen.

Zum Stichwort „frisches Geld“: Sie haben sich unserem Studienbeitragsgesetz doch verweigert. In Bezug auf den öffentlichen Finanzierungsanteil in Nordrhein-Westfalen haben wir den Hochschulen mit dem Zukunftspakt eine verlässliche Planungsgrundlage gegeben.

Daneben haben wir das Bildungssystem vom Kopf auf die Füße gestellt und dafür gesorgt, dass diejenigen, die vor allen Dingen einen individuellen Nutzen aus ihrer Ausbildung ziehen, auch einen Teil zu seiner Finanzierung beitragen. Wir wissen, dass Absolventen eines Hochschulstudiums im Durchschnitt weniger oft und, falls doch, weniger lange arbeitslos sind und die Chance haben, höhere Einkommen zu erzielen. Deshalb ist es angemessen und richtig, einen Beitrag zu verlangen, der ausschließlich in die Verbesserung der Lehrbedingungen fließt und damit allen zugute kommt.

Von daher müssen wir feststellen, dass Sie Ihren freundlichen Appellen, die Sie hier äußern, selbst nicht gerecht werden.

Zum Antrag der SPD-Fraktion unter der Überschrift „ZVS nicht abschaffen“: Es gibt eigentlich keine neue Sachlage und damit keine Veranlassung für diese neuerliche Initiative. Sie bringen uns damit aber nicht aus der Ruhe. Wir erläutern Ihnen gerne ein weiteres Mal unsere Position. Offenbar ist sie bei Ihnen noch nicht angekommen – oder Sie wollen sie gar nicht zur Kenntnis nehmen.

Unser erstes Ziel ist es, dass die Hochschulen von dem ihnen schon eingeräumten Auswahlrecht auch Gebrauch machen. Diese Möglichkeit nutzen sie bislang noch nicht hinreichend. Sie könnten 60 % der Studienplätze in eigenen Verfahren vergeben, was sie aber noch nicht tun. Wir wollen sie ermuntern und unterstützen, damit sie von diesem Auswahlrecht auch Gebrauch machen.

Unser langfristiges Ziel bleibt aber, dass möglichst jede Studierende und jeder Studierende sich ihre beziehungsweise seine Wunschhochschule aussuchen kann und auf der anderen Seite die Hochschulen je nach Fach entscheiden können, wen sie für qualifiziert halten, ein Studium am Ende des Tages auch abzuschließen.

Deshalb: Wir bekennen uns ganz klar zum Verfassungsgrundsatz der Berufsfreiheit. Jeder, der über einen Hochschulzugang verfügt, soll auch studieren können. Aber es kann nicht sein, dass jeder an jedem Ort, durch eine staatliche Vergabestelle dekretiert, jedes Fach studieren kann. Die örtliche Auswahl des einzelnen Studienbewerbers ist auch im Interesse von Studierenden, die sich vielleicht für Disziplinen interessieren, für die sie eigentlich nicht geeignet sind. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.

Insofern hat sich an unserer Position nichts verändert. Dieses Ziel, das Selbstauswahlrecht zu nutzen und mehr Freiheit bei der Studienortwahl und bei der Studierendenauswahl zu gewähren, hat zwingend einen Koordinationsbedarf als Konsequenz.

Deshalb wollen wir weiterhin – um in Ihrer Diktion zu bleiben – die ZVS als Behörde mit hoheitlicher Funktion abschaffen. Aber wir wollen nicht, dass die Aufgabe unerledigt bleibt. Es besteht entsprechender Bedarf.

Deshalb begrüßt die FDP-Landtagsfraktion, dass es eine Arbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz gibt, in der ein nordrhein-westfälischer Staatssekretär den Vorsitz führt und die sich der Aufgabe widmet, die ZVS in eine private Rechtsform zu überführen, damit sie als Dienstleistungsträger tätig werden kann. Das ist unsere Position, die Ihnen verschiedentlich erklärt worden ist. Of

fenbar ist sie bei Ihnen nicht angekommen. Denn Sie lassen sich immer noch solche Anträge aufschreiben.

Zuletzt: Auch Ziffer 3 des Antrags, die auf das Abitur Bezug nimmt, ist schon hinreichend dargelegt worden. Im Dezember des vergangenen Jahres hat der Wissenschaftsminister auf eine Kleine Anfrage des SPD-Kollegen Leuchtenberg ausgeführt, dass das Abitur oder die Abiturnote einen wichtigen Anhaltspunkt bietet, um die Qualifikation zu ermessen, Untersuchungen aber belegen, dass Auswahlgespräche, die Gewichtung einzelner Bestandteile der Abiturnote oder vielleicht Aufnahmeverfahren eine noch bessere Erfolgswahrscheinlichkeit garantieren, als wenn man sich nur auf die Abiturnote konzentriert. Wir wollen den Hochschulen diese Möglichkeit, zu variieren und zu ergänzen, einräumen. Eine zentrale Serviceeinrichtung steht dem nicht im Wege, sondern versetzt im Gegenteil die Hochschulen in die Lage, ihrem Recht Taten folgen zu lassen.

Dieser Antrag ist überflüssig und geht an der Sachlage vorbei. Deshalb werden wir ihn ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Pinkwart das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD trägt ein gewisses Dilemma in sich. Denn er will die Landesregierung zu etwas auffordern, was wir schon längst tun. Daran allerdings, das zu einem Abschluss zu führen, was Sie uns ans Herz legen, wir aber ohnehin schon tun, würde uns Ihr Beschluss hindern. Sie sagen, wir müssten die beschlossene Rechtslage einhalten. – Wir können aber nichts verändern und gleichzeitig die beschlossene Rechtslage einhalten. Das funktioniert nicht. Wenn wir etwas verändern, werden wir auch die Rechtslage anpassen müssen. Denn in einem Rechtsstaat muss eine entsprechende Rechtsgrundlage gegeben sein.

Wir haben Ihnen wiederholt vorgetragen, in welche Richtung die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung die ZVS entwickeln wollen und wie die Perspektive aussieht. Die Zielsetzung ist für uns völlig klar: Wir wollen, dass sich die Hochschulen ihre Studierenden und die Studierenden ihre Hochschule selbst aussuchen können, und

zwar viel effizienter, als das bisher in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist.

Dazu müssen wir auch bürokratische Strukturen infrage stellen, überprüfen und neue Grundlagen dafür schaffen, damit das – erst recht mit Blick auf steigende Studierendenzahlen – funktioniert.

Daran arbeiten wir. Wir müssen nicht eingeladen oder dazu aufgefordert werden, dass NordrheinWestfalen dabei eine Rolle spielt. Es gibt einen Staatssekretärsausschuss, der, von der KMK eingerichtet, unter Führung Nordrhein-Westfalens tätig ist und in den nächsten Wochen einen abschließenden Bericht geben wird.

Der Beschluss der KMK wird zwingend zum Gegenstand haben, dass wir die Rechtslage anpassen müssen. Dazu brauchen wir einen neuen Staatsvertrag. Das habe ich Ihnen schon beim letzten Mal mitgeteilt, als wir hier über den ersten Schritt der Reform abgestimmt haben. Der nächste Schritt ist in die Wege geleitet und wird genau diesem Ziel entsprechen, mehr Freiheiten für die Hochschulen und für die Studierenden zu bekommen. Insofern wird es einer Organisation bedürfen, die sich mehr als Serviceeinrichtung, als Dienstleister der Studierenden und Hochschulen versteht, als das gegenwärtig der Fall ist.

Dass das Abitur auch in Zukunft einen wichtigen Stellenwert haben wird, ist völlig unbestritten. Das habe ich immer wieder dargelegt. Aber das Abitur wird nicht alleine für die Auswahl entscheidend sein, sondern auch andere Kriterien.

Herr Minister, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Seidl?

Gerne.

Bitte, Frau Dr. Seidl.

Sie haben eben gesagt, Sie wollten rechtlich etwas verändern; Wie Sie wissen, gibt es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Hochschulzugang. Heißt das, Sie wollen die Verfassung ändern? Wie wollen Sie das alleine machen? Was haben Sie vor?

Frau Seidl, wir wollen keine Verfassungsänderung – das