Protocol of the Session on September 28, 2006

Wir haben mit der Handwerkskammer ein Projekt in Hauptschulen in Gang gesetzt, um gesellschaftliche und berufliche Integration zum Erfolg zu führen. Ich will Sie nicht mit all diesen vielen Seiten langweilen, aber die konkreten Projekte belegen – und das nicht einmal in 100 Tagen – unsere erfolgreiche Politik. Deshalb ist es wirklich belustigend, dass Sie sagen, wir täten nichts anderes, als Arbeitskreise zu errichten.

Dennoch haben wir einen Integrationsbeirat. Das ist einer der 20 Punkte, die in diesem Aktionsplan enthalten sind. Schauen Sie sich einmal an, wer in diesem Integrationsbeirat mitwirkt: Das ist zum einen ein Integrationsbeirat, in dem Vertreter aller Parteien hier im Landtag sitzen. Darin vertreten sind zum anderen Wissenschaftler, die eine hohe Reputation in der deutschen Integrations- und Migrationsdebatte genießen. Diese sind bereit, hierher nach Nordrhein-Westfalen zu kommen,

mit uns eine Analyse über den Istzustand der Integrationspolitik durchzuführen und weiter gehende Dinge jetzt schon in den Blick zu nehmen, die über den Aktionsplan hinausgehen.

Insofern kann ich sagen: So schlecht, so symbolhaft kann die Integrationspolitik in NordrheinWestfalen nicht sein, wenn so viele Menschen bereit sind, in diesem Land, in dem die spannenden Debatten über Integration stattfinden, mitzuwirken.

(Beifall von der CDU)

Jetzt glauben die SPD und auch die Grünen, dass so etwas nur dann funktioniert, wenn man ein Gesetz hat. Nun, ein Gesetz mag manchmal helfen. Bei dem, was nötig ist, hilft es zunächst einmal nicht. Vielmehr muss man konkret vor Ort etwas in Gang setzen. Man darf nicht glauben, dass Gesetze alles lösen, was man ansonsten nicht schafft.

Aber ein Gesetz macht doch erst nach einer gewissen Zeit Sinn. Zunächst muss man eine gewisse Zeit abwarten und schauen, was sich aus dem, was angestoßen ist und sich in der Umsetzung befindet, entwickelt. Dann sieht man, was man daraus resultierend gesetzlich normieren kann und wo Handlungsbedarf besteht.

Ich will zum Beispiel wissen, wie der Aktionsplan wirkt. Ich will wissen, wo es hakt. Ich will wissen, was die Kommunen, mit denen wir bei KOMM-IN eng zusammenarbeiten, auch zur Umsetzung dieses Aktionsplans sagen.

Liebe Frau Altenkamp, Sie haben gefordert, ich solle die Größe haben zu sagen, dass KOMM-IN nicht von mir erfunden wurde. Ich habe nie gesagt, dass wir das erfunden haben. Es wäre auch absurd, wenn man im September überall flächendeckend KOMM-IN wirken lassen könnte, wenn man erst im Juni die Regierung übernommen hat. Das ist ein Beschluss der alten Landesregierung, den wir fortsetzen. Es bricht uns auch gar keinen Zacken aus der Krone, das anzuerkennen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Düker?

Ja.

Herr Minister, ich stimme Ihnen zu, dass ein Gesetz kein Wert an sich ist und dass die Integrationspolitik nicht direkt

besser läuft, weil „Gesetz“ darüber steht. Dass Sie alles prüfen wollen, ist gut und schön.

Stimmen Sie mir denn zu, dass das Gesetz, das wir jetzt haben – namentlich das Landesaufnahmegesetz –, keine zielgerichtete Integrationsförderung mit dieser pauschalen Unterbringungsgeschichte, die ich gerade dargestellt habe, gewährleistet? Und stimmen Sie mir auch zu, dass hier Korrekturbedarf besteht?

Ich stimme Ihnen in dieser Einschätzung zu. Wir sind eine Regierung aus CDU und FDP, nicht aus SPD und Grünen. Wären wir Rot-Grüne, würden wir das Landesaufnahmegesetz einfach umbenennen, es Integrationsgesetz bezeichnen und das als Erfolg verkünden. Unser Anspruch ist aber höher. Wenn wir ein Integrationsgesetz machen, muss da mehr Substanz hinein. Dort müssen sich die 20 Punkte des Aktionsplans wiederfinden. Man kann zu dem Zweck nicht einfach ein Landesaufnahmegesetz in Integrationsgesetz umbenennen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das hat auch nie- mand gesagt!)

Insofern haben Sie Recht, liebe Frau Kollegin Düker: Das Landesaufnahmegesetz ist überarbeitungsbedürftig. Es ist nicht gut genug für die Zukunft. Aber ein Integrationsgesetz hat bei uns und in unserer Politik einen höheren Anspruch als nur Etikettenschwindel.

(Beifall bei CDU und FDP – Monika Düker [GRÜNE]: Das reicht mir nicht!)

Ich habe Ihnen die Liste dessen, was ich alles abwarten möchte, noch gar nicht genannt. Beispielsweise geht es um die Frage, was die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege zu der Idee sagen, Migrationsfachdienste in Integrationsagenturen umzubenennen. Wir stehen hier mitten im Prozess. So etwas muss sich im Integrationsgesetz auch wiederfinden: Was sagen die, die das vor Ort machen?

Das Schulgesetz haben wir hinsichtlich der Sprachförderung gerade erst geändert. Ehe das Ganze in Kraft getreten ist, macht es doch keinen Sinn, ein neues Integrationsgesetz jetzt, hier und heute im Landtag auf den Weg zu geben, wie es Ihre Anträge nahelegen, ohne abzuwarten, bis erste Erfahrungen vorliegen.

Das Zuwanderungsgesetz des Bundes ist seit dem 1. Januar 2005 in Kraft. Bundesweit ist das ein erster Schritt hin zu einer systematischen Sprach- und Integrationsförderung. Insofern ist es

richtig, dass es dort Evaluierungsbedarf gibt. Es stimmt, dass 600 Stunden für Personen mit Alphabetisierungsbedarf nicht ausreichen. Das ist ein Problem des Bundesgesetzes. An der Stelle gibt es Nachbesserungsbedarf. Wenn wir ein Integrationsgesetz machen, müssen wir diesen Akzent aufgreifen.

Ich komme noch einmal auf das Landesaufnahmegesetz zurück: Dieses Gesetz ist wahrscheinlich das reformbedürftigste aller Gesetze in der Integrationspolitik. Zurzeit gibt es darin das Prinzip, dass die Kommunen eine personenbezogene Quartalspauschale für jeden vorläufig in einem Übergangsheim untergebrachten Berechtigten in Höhe von 200 € erhalten. Damit werden die Kosten der Übergangsheime finanziert. Wir müssen auf Dauer zu einer Förderung kommen, die nicht einen Platz im Übergangsheim fördert, sondern die der Kommune...

(Monika Düker [GRÜNE]: Da sind wir uns doch einig!)

Wir sind uns einig. Ich sage aber: Etikettenschwindel machen wir nicht, sondern wir brauchen mehr Substanz als diese eine Frage. Aber diese eine Frage ist berechtigt; da gebe ich Ihnen Recht.

(Monika Düker [GRÜNE]: Konstruieren Sie doch keinen Widerspruch, wo es keinen gibt!)

Frau Düker, das ist kein konstruierter Gegensatz. – Wenn wir morgen damit beginnen, hier ein Integrationsgesetz zu machen, kann das nicht viel anderes sein als die Umbenennung des alten Landesaufnahmegesetzes, wobei dieses eine Problem gelöst wird.

Wenn Sie aber die anderen Probleme lösen wollen, bei denen Sie die Wohlfahrtsverbände und die anderen, die in der Integrationspolitik tätig sind, brauchen, und das ernsthaft aufgreifen, was die sagen, brauchen Sie noch einen bestimmten Zeitraum für Erfahrungen mit dem, was im Aktionsplan steht, sich jetzt in der Umsetzung befindet und dann in ein Gesetz münden muss. Das können wir nicht heute im September hier beschließen. Insofern gibt es schon einen Unterschied zwischen uns beiden. Ich glaube, dass wir ein umfassendes Integrationsgesetz benötigen. Sie hingegen glauben, wir müssten beim Landesaufnahmegesetz ansetzen.

Ich denke, dass diese im Moment wie eine große Kluft wirkenden Gegensätze überwindbar sind, wenn wir im Fachausschuss an der Sache entlang erörtern. Ich würde mir wünschen, dass in Fort

setzung der Integrationsoffensive die Arbeit dieses Landtags, auf der wir vielerorts aufbauen können, fortgeführt wird. Dieses Fundament ist – ein Novum in Deutschland – aus einem Parlament über vier Fraktionen hinweg entstanden. Wenn daraus eine Integrationsoffensive II entstehen kann, die in ein Integrationsgesetz mündet, sind wir wirklich im besten Sinne die Besten im Westen. Das bezieht dann nicht nur diese Regierung ein, sondern alle, die an diesem Prozess mitwirken. Ich glaube, dass wir diesen Konsens in der Integrationspolitik hinbekommen können.

(Beifall von CDU, FDP und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Laschet. – Ich habe jetzt noch die Wortmeldung der Kollegin Altenkamp für die SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal sagen, warum es jetzt ein Gesetz geben sollte: Wir haben den Gesetzentwurf der CDU nicht abgelehnt, weil er in irgendeiner Form nicht die richtigen Fragen stellte. Jeder Gesetzentwurf hat ja eine Geschichte. Zu dem Zeitpunkt gab es überhaupt keine Notwendigkeit, sich landespolitisch festzulegen. Im Gegenteil: Im Interesse des Landes wäre das kontraproduktiv gewesen.

Vor diesem Hintergrund haben wir immer – so auch damals – gesagt: Ein Integrationsgesetz macht dann Sinn, wenn es ein Zuwanderungsgesetz gibt und wir wissen, welchen Teil des Zuwanderungsprozesses und Integrationsprozesses das Land übernehmen soll. Das haben wir geklärt.

(Beifall von der SPD)

Deshalb gibt es KOMM-IN und andere Geschichten. Das hat die Landesregierung übernommen, und das finden wir sehr gut.

Vor dem Hintergrund macht ein Integrationsgesetz jetzt Sinn. Da sind wir sehr konstant in unserer Argumentation.

Herr Lindner hat davon gesprochen, es habe jahrzehntelang keine Integrationspolitik gegeben. Herr Lindner, so einfach kommen Sie aus der Nummer nicht heraus. Es hat auch in der Bundesrepublik insgesamt jahrzehntelang keine Integrationspolitik gegeben, weil es überhaupt keine klare Vorstellung darüber gab, wie diese Integrationspolitik aussehen sollte.

Wissen Sie, woran das auch gelegen hat? – Das hat unter anderem daran gelegen, dass die CDU auf der Bundesebene besonders auf der Bremse

gestanden hat. Außerdem hat es auf Bundesebene jahrelang eine Koalition gegeben, die überhaupt nicht deutlich gemacht hat, ob sie Integration und Integrationspolitik wirklich als solch ein wichtiges Feld ansieht, dass sie darüber auf Bundesebene diskutiert. Null Antworten auf Bundesebene! Die FDP war dabei wunderbar mit im Boot.

(Beifall von der SPD)

Herr Solf, den Zielkonflikt, vor dem Sie stehen, verstehe ich und kann ihn gut nachvollziehen. Sie haben vorhin gefragt, ob wir damals nicht konnten oder nicht durften. Eines ist heute jedenfalls hier im Saale deutlich geworden: Sie und auch der Minister dürfen nicht. Sie wissen ganz genau, dass jetzt ein guter Zeitpunkt wäre, ein Integrationsgesetz zu machen. Sie wissen auch, dass es sinnvoll wäre, bei den wirklich guten Ansätzen des Aktionsplans – das räume ich ein – an einigen Stellen mehr Verbindlichkeit durch ein Gesetz hinzubekommen, das Integrationspolitik als Landesaufgabe in der Weise, wie Sie dort definiert wird, anerkennt. Aber Sie dürfen nicht. Und das erkenne ich durchaus.

Frau Kollegin Altenkamp, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lindner?

Liebe Britta Altenkamp, weil Sie auch auf die Rolle der FDP hingewiesen haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Zuwanderungsgesetz des Bundes seine Existenz ausschließlich der Vermittlung der FDP über das Bundesland Rheinland-Pfalz verdankt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Oh!)

Das wiederum, Herr Lindner, bin ich nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, weil die Historie um dieses Zuwanderungsgesetz weit komplexer ist, als Sie sie darstellen.

(Beifall von der SPD – Gisela Walsken [SPD]: Das weiß er nicht! Er war nicht da- bei!)

Zu der Tatsache, dass wir überhaupt ein Gesetz haben, hat bei Weitem nicht nur die FDP in Rheinland-Pfalz beigetragen.

Eine letzte Bemerkung will ich, Herr Minister, noch zu dem Beirat machen, den Sie gebildet haben. Jeder Mensch, der in diesem Land aus seiner Sicht, seiner persönlichen Erfahrung, seiner Aus

bildung und überhaupt dazu beitragen kann, Brücken zu schlagen und deutlich zu machen, welche Aufgabe für die Integrationspolitik besteht, ist herzlich eingeladen. Aber auch ohne diesen Integrationsbeirat hätten wir und auch Sie die Aufgabe, Integrationspolitik zu machen.