Protocol of the Session on July 13, 2005

(Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD])

Nein, es ist in der Tat so - diese Dinge können Sie nicht gegeneinander ausspielen -: Beim Agrarstandort Nordrhein-Westfalen geht es um 45.000 landwirtschaftliche Betriebe. In der Landwirtschaft und in den vor- und nachgelagerten Bereichen arbeiten mehr Menschen als in der Automobil- und Stahlindustrie.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Warum kommt das dann bei Herrn Rüttgers nicht vor?)

Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit dieser Betriebe. Sie haben in Europa nur dann eine Chance, wenn sie wettbewerbsfähig sind, wenn die Idylle ein Stück zur Seite geschoben wird, wenn wir die Landwirte als Unternehmer sehen und wenn sie nicht durch Ihre tausend Programme bevormundet werden, die Sie in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben mit dem Ergebnis, dass immer mehr Betriebe bei uns in Nordrhein-Westfalen aufgegeben wurden.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Landwirte wollen nicht mehr bevormundet werden. Sie wollen ernst genommen werden. Sie wollen den Erhalt der Selbstverwaltung in der Agrarverwaltung. Wir können den Agrarstandort Nordrhein-Westfalen nicht stärken, indem wir die Wettbewerbsfähigkeit gegen die anderen Instrumente der Politik ausspielen. Das ist nicht zu machen. Daher gibt es mit dieser neuen Landesregierung, mit diesem neuen Ministerpräsidenten, der heute Morgen in seiner Regierungserklärung zu diesem Thema klare Worte gefunden hat,

(Dr. Axel Horstmann [SPD] und Svenja Schulze [SPD]: Fast nichts!)

mit dem neuen Agrarminister und mit den beiden Koalitionsfraktionen einen Neubeginn in der Agrarpolitik in Nordrhein-Westfalen.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Da haben Sie die ersten Chancen schon vertan!)

Das ist notwendig, um in den nächsten Jahren das Schlimmste zu verhindern.

Meine Damen und Herren, es ist schon ein starkes Stück der SPD, der neuen Landesregierung ein einseitiges Vorgehen bei der Konzeption des künftigen Förderprogramms für den ländlichen Raum für die Förderphase ab 2007 vorzuwerfen, obwohl Ihnen die Inhalte noch gar nicht bekannt sind. Im Übrigen ist bis 2007 ist alles festgeschrieben.

Sie diskutieren bereits heute über das Jahr 2007 und erwarten von uns, dass wir bereits 14 Tage nach der Landtagswahl das Programm für 2007 der Öffentlichkeit vorlegen. Die Fakten werden von Ihnen, ohne rot zu werden, auf den Kopf gestellt.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wer hat denn viele Jahre Ökologie auf Kosten der Ökonomie betrieben?

(Beifall von der CDU)

Wer hat ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen …

Entschuldigung, Herr Minister. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Horstmann?

Gerne.

Nachdem Sie, Herr Minister, die programmatische Kraft der neuen

Landesregierung bei der Politik für den ländlichen Raum so beschrieben haben, frage ich Sie: Wieso ist es nicht dazu gekommen, dass das im CDUWahlprogramm angekündigte Leitbild für die Entwicklung des ländlichen Raumes in der Koalitionsvereinbarung und in der Regierungserklärung erwähnt wurde? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass das eine ziemliche Enttäuschung ist und dass Sie damit unter der Hürde hergelaufen sind?

(Minister Dr. Helmut Linssen: Och!)

Herr Kollege Horstmann, wenn Sie etwas zurückblicken und sich das Agrarprogramm der CDU Nordrhein-Westfalen zur Landtagswahl ansehen, stellen Sie fest: Es ist sehr umfangreich. Alles ist darin beschrieben.

Wenn Sie sich den Koalitionsvertrag ansehen, werden Sie feststellen: Die notwendigen Dinge, die in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden müssen, sind darin beschrieben.

Wenn Sie sich die Aussagen des Ministerpräsidenten von heute Morgen ansehen, hat er die entsprechenden Aussagen des Koalitionsvertrages noch einmal in seiner Regierungserklärung aufgegriffen. Das werden wir politisch in den nächsten Tagen und Wochen auf den Weg bringen.

(Beifall von CDU und FDP - Dr. Axel Horst- mann [SPD]: Damit sind Sie schon fertig!)

Meine Damen und Herren, es geht auch nicht um eine Einseitigkeit, wie Sie es, Frau Kollegin Schulze, eben wieder dargestellt haben; denn dieser Vorwurf ist haltlos. Das Gegenteil ist zutreffend: Die neue Landesregierung wird die Förderprioritäten ausgewogen setzen. Das war bei der alten Landesregierung nicht der Fall. Wir werden den Zielsetzungen und Weichenstellungen der EU-Kommission für mehr Wettbewerb und Lebensqualität bei Schonung der natürlichen Ressourcen besser Rechnung tragen, als das bei der bisherigen Regierung der Fall war.

Eines ist noch wichtig: Die Landesregierung hat unverzüglich nach der Regierungsübernahme die Arbeiten für die Konzeption eines neuen nordrhein-westfälischen Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum aufgenommen.

(Svenja Schulze [SPD]: Ach!)

Wir werden termingerecht, Frau Kollegin Schulze, bis Ende Juni 2006 - so viel Zeit haben wir - einen

Programmentwurf erarbeiten. Unter Berücksichtigung einer zu erwartenden sechsmonatigen Genehmigungsdauer durch die Europäische Kommission kann das neue Programm dann fristgerecht zum 1. Januar 2007 in Kraft treten.

Es ist doch wohl selbstverständlich, dass ich den zuständigen Ausschuss des Landtages über den Fortgang der Programmarbeiten an diesem Programm „Ländlicher Raum“ informieren werde.

Meine Damen und Herren, wir werden, was Informationen und die Debatte über ein Programm für den ländlichen Raum angeht, mit diesem Ausschuss anders umgehen als es die Vorgängerregierung in der vergangenen Wahlperiode getan hat. Darauf können Sie sich verlassen.

Zum gegenwärtigen Sachstand: Die für die anstehenden Arbeiten notwendigen inhaltlichen und rechtlichen Voraussetzungen liegen inzwischen weitgehend vor. Am 20. Juni 2005 hat der EUAgrarrat eine politische Einigung über die ELERVerordnung erzielt. Diese Verordnung steckt den künftigen Förderrahmen für die sogenannte zweite Säule der EU-Agrarpolitik. Die formale Verabschiedung der Verordnung kann allerdings erst nach der Verabschiedung des EU-Finanzrahmens 2007 bis 2013 erfolgen. Darüber hinaus fehlt auch noch eine Durchführungsverordnung, in der die wichtigen Details des Programms geregelt werden.

Aus der Sicht der Landesregierung ist es bedauerlich, dass sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten beim letzten Europäischen Rat in Brüssel nicht über den EU-Finanzrahmen 2007 bis 2013 einigen konnten. Damit wurde die Chance verspielt, frühzeitig neben den inhaltlichen auch die finanziellen Rahmenbedingungen für den nächsten Förderzeitraum festzulegen. Davon sind in Deutschland vor allem die Länder betroffen, die für die Konzeption und Umsetzung der Förderprogramme für die ländliche Entwicklung zuständig sind, also auch Nordrhein-Westfalen.

Meine Damen und Herren, nachdem ich nun den Antrag der SPD gelesen habe, bin ich mir nicht sicher, Frau Kollegin Schulze, ob die SPD die Einzelheiten der EU-Agrarpolitik und der EUFinanzierung richtig verstanden hat.

(Svenja Schulze [SPD]: Also bitte!)

Es leuchtet mir überhaupt nicht ein, warum die Ziele und Aufgabenschwerpunkte der zweiten Säule der EU-Agrarpolitik - Herr Kollege Ortgies hat dazu gerade schon einiges gesagt - geändert werden sollen, wenn die Mittelansätze gekürzt werden.

Wir müssen in Zukunft von deutlich weniger Geld als in den vergangenen Jahren ausgehen. Denn die Inhalte der ELER-Verordnung stecken einen weiten Rahmen an Fördermöglichkeiten ab. Jede Region - in Deutschland sind es die Bundesländer, also auch Nordrhein-Westfalen - entscheidet in eigener Zuständigkeit, welche Maßnahmen sie aus diesem Förderrahmen auswählt und anbietet. Dabei sind die Probleme und die sich daraus ergebenden Fördernotwendigkeiten genauso zu berücksichtigen wie die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen.

Damit wird dem Subsidiaritätsprinzip voll Rechnung getragen. Es gibt also überhaupt keinen Grund, auf europäischer Ebene noch einmal über die Ausrichtung der Ela-Verordnung zu diskutieren. Die Entscheidungen sind gefallen. Jetzt liegt es an uns, bei den wenigen finanziellen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, das Beste daraus zu machen.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, den Damen und Herren von der SPD sind bei der Formulierung ihres Antrags auch handwerklich Fehler unterlaufen. Offensichtlich haben sich die Verfasser nicht die Mühe gemacht, sich die Struktur der neuen Ela-Verordnung einmal anzuschauen. Sonst hätten sie eigentlich gleich merken müssen, wie wenig Substanz in ihrem Vorwurf steckt, die Landesregierung gehe einseitig nur mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit vor.

In der Ela-Verordnung sind vier Förderachsen vorgesehen. Für jede Förderachse muss bezogen auf den Gesamtplafond des Programms eine finanzielle Mindestausstattung sichergestellt werden, und der EU-Agrarrat hat sich nach zähen Verhandlungen auf folgende Mindestansätze verständigt: Achse eins: Wettbewerbsfähigkeit mindestens 10 %, Achse zwei: Verbesserung der Umwelt mindestens 25 %, Achse drei: Diversifizierung im ländlichen Raum 10 %, Achse vier: wieder mindestens 5 %.

Wenn diese Mittelansätze nicht eingehalten werden, ist das Programm allein aus diesen Gründen nicht genehmigungsfähig. Es kann also überhaupt keine Rede davon sein, dass sich die Landesregierung bei der Zielsetzung für das neue Programm ausschließlich auf den Bereich Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren wird.

Zurzeit, Frau Kollegin Schulze, werden 70 % der Mittel aus diesem Programm in NordrheinWestfalen für den Bereich Umwelt und Naturschutz ausgegeben. 25 % sind vorgeschrieben. Die anderen Bereiche sind entsprechend unterfinanziert. Deswegen können Sie sich vorstellen,

dass wir in diesem Bereich noch viel Arbeit haben und einiges auf den Kopf stellen müssen.

Die Landesregierung wird allerdings sehr wohl in der nächsten Förderperiode die Fehler und die falschen Weichenstellungen der Vorgängerregierung korrigieren. So sind die Maßnahmen eben in diesem Bereich überarbeitungswürdig. Diese Überarbeitung werden wir vornehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun möchte ich noch einiges zur Finanzierung der EUAgrarpolitik sagen. Auch das Thema ist ja eben angesprochen worden.

Ich halte nichts davon - wie es auch in dem Antrag der Grünen wieder festzustellen ist -, die erste Säule gegen die zweite Säule der Agrarpolitik auszuspielen. Beide Säulen sind gleichermaßen wichtig. Es ist notwendig, die erste und die zweite Säule der EU-Agrarpolitik finanziell angemessen auszustatten. Nur dann wird es gelingen, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen, der deutschen und der nordrhein-westfälischen Landwirtschaft zu sichern, damit die multifunktionale Bedeutung der Landwirtschaft aufrechterhalten bleibt, was wiederum unverzichtbar ist für unsere prosperierenden ländlichen Räume in NordrheinWestfalen.

So wäre die touristische Entwicklung vieler ländlicher Regionen in Deutschland und in NordrheinWestfalen ohne Landwirtschaft nicht möglich und nicht aufrechtzuerhalten. Eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen ist nämlich eine intakte Kulturlandschaft.

Aus Sicht der Landesregierung sollten vor dem Hintergrund der laufenden Debatte und des Finanzrahmens 2007 bis 2013 alternative Finanzierungsmöglichkeiten im EU-Haushalt ernsthaft geprüft werden.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle noch einmal den Gedanken der Kofinanzierung aufgreifen. Das heißt, dass sich die Länder an der Finanzierung auch der Agrarpolitik entsprechend beteiligen werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Landesregierung feststellen muss, dass die Bundesregierung in den vergangenen Jahren die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe - das sind neben den Mitteln der Europäischen Union die Mittel des Bundes - drastisch zusammengestrichen hat. Wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, von rund 900 Millionen € auf 700 Millionen €.

Auf der einen Seite, Frau Kollegin Schulze, erwarten Sie umfangreiche Programme für den ländlichen Raum, auf der anderen Seite hat aber gera