Protocol of the Session on September 27, 2006

Es ist schwierig, landesweit gültige Daten zur Gebührenkalkulation in den einzelnen Gemeinden zu erheben. Festzustellen ist allerdings – da habe ich eine andere Wahrnehmung als der Kollege Stinka –, dass die Gebühren in Nordrhein-Westfalen absolut gesehen auf einem sehr hohen Niveau sind. Die Spreizung der Gebühren ist ebenfalls sehr groß. Das ist nicht allein mit topografischen Gegebenheiten zu erklären. In vielen Gesprächen mit den Bürgern vor Ort ist mir, aber Ihnen sicherlich auch, deutlich geworden, dass die Bürger bei der Gebührenerhebung mangelnde Nachvollziehbarkeit beklagen. Da müssen wir sicherlich etwas tun.

Wie kommt es zu dieser mangelnden Nachvollziehbarkeit? Rot-Grün hat doch in den letzten Jahren immer mehr Lasten auf die Kommunen übergewälzt und das Konnexitätsprinzip verletzt, ohne eine entsprechende finanzielle Ausstattung der Kommunen vorzusehen. Also waren die Kämmerer vor Ort wirklich dazu gezwungen, ihre Handlungsspielräume über Gebühr auszudehnen. Das bedeutete, dass bei den Gebühren auch ein erheblicher – aus unserer Sicht viel zu hoher – kalkulatorischer Normalmischzins in Ansatz gebracht wurde. Die kalkulatorischen Zinsen waren bei den Anschaffungswerten, die sie zugrunde gelegt haben, sowieso viel zu hoch.

Die Kalkulation für die Bürger muss transparent sein und für die Gemeinde kostendeckend erfolgen. Das Gebührensystem darf nicht dazu genutzt werden, dass man Gelder erwirtschaftet und Erträge in den allgemeinen Haushalt überführt.

Meine Damen und Herren, was für ein Staat ist das, der seine Bürger letztendlich dazu zwingt, sein Recht auf Nachvollziehbarkeit mithilfe des Oberverwaltungsgerichtes durchzusetzen? Dessen Urteile sind ja konsequent zu beachten. Da das Gesetz auch zu beachten ist, muss das KAG ausgesprochen schlank sein und für jedermann erkenntlich. Wir müssen eine vernünftige Umgangsform haben.

Die neue Landesregierung ist angetreten, den Kommunen mehr Handlungsspielräume zu gewähren. Das muss man deutlich machen. Deswegen auch das Ziel, ein schlankes, handlungsoffenes KAG einzuführen.

Herr Kollege, die Änderungen, die Sie vorgeschlagen haben, sind aus meiner Sicht wirklich unsauber formuliert: Was ist bei Ihnen ein „Wiederbeschaffungswert“? Ist das der Zeitwert? Ist das der Anschaffungswert? – Das sind neue Wortschöpfungen. Die vergangene Legislaturperiode hat bei mir die Überzeugung reifen lassen, ganz vorsichtig zu sein, wenn Rot-Grün neue Wortschöpfungen macht. Dahinter verbirgt sich immer etwas, was letztendlich sehr viele Probleme mit sich bringt.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Meine Damen und Herren, die Kollegen der Grünen führen ein Gutachten an. Allerdings haben sie dieses Gutachten nicht ganz zu Ende gelesen. Dort heißt es nämlich, dass im Randbereich der Selbstverwaltungsgarantie jede vorgesehene Regelung auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden muss. Der Zweck, nämlich durch die geplanten Regelungen eine Senkung der Gebührenlast zu erreichen, ist genannt worden. Aber sie müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein.

Die Regelung, die Sie vorschlagen, ist unzulässig, weil sie nämlich ungeeignet ist, den von Ihnen beschriebenen Zweck, nämlich die Gebührenlast zu senken, zu erfüllen. Sie verlangen, dass die Gemeinden Anreize zu einem umweltgerechten Verhalten leisten. Auch dabei handelt es sich wieder um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Es muss Anknüpfungspunkte geben, an denen man das festmachen kann. Ansonsten sind erneut für nicht transparente, nicht nachvollziehbare Gebührenerhöhungen Tür und Tor geöffnet. Das wollen wir nicht.

Man könnte sogar sagen: Der Antrag der Grünen ist ein Versehen, weil die Grünen auf einmal den Begriff „Gebührensenkung“ in den Mund nehmen. Allerdings wollen sie beim Wiederbeschaffungswert durch die Hintertür Gebühren erhöhen. Sie müssen sich klar darüber werden, was Sie wollen.

Vielleicht wird das im Ausschuss deutlich. Ich will nicht sagen, dass ich mich auf die Beratungen freue, aber ich trage die Beratungen im Ausschuss natürlich mit. Schauen wir, was daraus wird. – Danke schön.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ellerbrock. – Jetzt hat Herr Innenminister Dr. Wolf das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung ist sich der Tatsache bewusst, dass die kommunalen Abgaben die Bürgerinnen und Bürger erheblich belasten. Die Problematik der Gebührenlast gerade im Bereich der Abwasserbeseitigung ist von fast allen Fraktionen schon in der vergangenen Legislaturperiode thematisiert worden.

Selbstverständlich will die Landesregierung die Gebührenlast und auch die Steuerlast grundsätzlich abbauen. Wir haben aber im Koalitionsvertrag unter anderem vereinbart, den Gemeinden ein größtmögliches Maß an Freiheit zu verschaffen, um ihnen zu ermöglichen, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu gestalten. Dazu zählt auch, dass nicht erforderliche gesetzgeberische Eingriffe in die Finanz- und Organisationsautonomie der Kommunen unterbleiben. Eine Änderung des KAG NRW müsste sich in diesem Spannungsfeld zwischen einer Entlastung der Bürger und der Sicherstellung eines auskömmlichen Gebührenaufkommens für die Kommunen bewegen.

Sollten wir die entsprechenden Gesetze auf den Prüfstand stellen, werden wir das mit Sorgfalt. Wir würden keine Schnellschüsse machen, die solche handwerklichen Mängel enthalten wie der Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion.

Die Grünen fordern wieder einmal mehr Staat, einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung an der falschen Stelle. Hier ist nicht der Ort, um zu sehr ins Detail zu gehen. Deshalb will ich es bei einigen kurzen Anmerkungen belassen:

Wir tun gut daran, den Grundgedanken des KAG nicht zu verwässern. Bestimmte Regelungen – hier die Regelungen zum Anreiz für ökologisches Verhalten – sollten wie bisher speziellen fachgesetzlichen Regelungen überlassen bleiben. Mir ist natürlich bekannt, dass es in anderen Bundesländern andere Ansätze gibt. Das birgt aber die Gefahr, dass die Kommunalabgabengesetze zu sperrigen, schwer les- und handhabbaren Gesetzeswerken werden. Nicht alles, was andere Länder regeln, muss auch in NRW notwendigerweise

geregelt werden. Es ist geradezu ein Markenzeichen des Föderalismus, dass die Länder mit ihren unterschiedlichen Problemlagen auch zu unterschiedlichen gesetzlichen Problemlösungen finden.

Herr Minister, darf ich Sie eine Sekunde unterbrechen. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Remmel.

Ich möchte jetzt im Zusammenhang vortragen. – Andere Vorschläge im Änderungsantrag betreffen die Einführung des getrennten Gebührenmaßstabes sowie Regelungen zur Gebührenkalkulation. Hier hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber den Kommunen bewusst mehr Spielräume gelassen. Diese Spielräume sind durch eine mittlerweile sehr gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung mit klaren Konturen versehen worden. Es besteht kein Erfordernis, den Stand dieser Rechtsprechung unnötig zu zementieren, wie dies der Gesetzentwurf hinsichtlich der getrennten Regenwassergebühr einfordert.

Der Gesetzentwurf versucht sich auch an Festlegungen der Abschreibungsmethode bei der Gebührenkalkulation. Das ist ein zugegebenermaßen schwieriges und komplexes Thema, bei dem man sich leicht verheddern kann. Dieses Missgeschick ist der Fraktion der Grünen widerfahren. Jedenfalls ist Ihnen der Wortlaut der entsprechenden Formulierung völlig missglückt.

Der Gesetzentwurf regelt in § 6 Abs. 2 Satz 6 KAG, dass Abschreibungen auf der Grundlage von Wiederbeschaffungswert und Herstellungskosten zu berechnen sind. Das ist ein Widerspruch in sich, da die Berechnungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert oder nach den Herstellungs- beziehungsweise Anschaffungskosten gerade unterschiedlich sind und nur alternativ angewendet werden können.

Die Begründung dieser Änderung trägt nur weiter zur Verwirrung bei, da einerseits aufgeführt wird, dass bei Abschreibungen zwingend der Wiederbeschaffungswert festzuschreiben sei, andererseits jedoch auf Landesgesetze Bezug genommen wird, die den Anschaffungswert festlegen. Da kann man sich nur verwundert fragen: Was wollen Sie eigentlich?

Auch die vorgesehene Änderung der Gemeindeordnung mit der Festschreibung der Rechtsform des Eigenbetriebs als Mindestform für die kommunale Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung halte ich für alles andere als gelungen. Sie wählen gesetzessystematisch einen zumindest

fragwürdigen Standort. Sie haben die Systematik der Gemeindeordnung, die zwischen Unternehmen und Einrichtungen und demzufolge zwischen Eigenbetrieben und eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen unterscheidet, nicht hinreichend beachtet. Die Änderungen stellen aber auch eine nicht notwendige Überregulierung dar. Auch Regiebetriebe sind an die Regeln der Gebührenkalkulation des KAG gebunden.

Die Landesregierung wird sich nicht dazu verleiten lassen, sich in ihren Aktivitäten zu verzetteln und unnötige Korrekturen an bewährten Gesetzen durchzuführen. Wir werden weiter daran arbeiten, die Gemeinden von unnötigen Fesseln zu befreien, wie wir es mit dem Gesetz zur Übertragung des OWL-Modells auf das gesamte Landesgebiet und mit dem Standardbefreiungsgesetz begonnen haben. Wir werden die Gemeindeordnung dort ändern, wo es nach unserer Auffassung dringend notwendig ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Innenminister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/2594 an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt

11 Den nordrhein-westfälischen Ansatz der Immobilien- und Standortgemeinschaften zur Stärkung von Innenstädten, Stadtteilzentren und Wohnquartieren weiterentwickeln!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/2583

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der Abgeordneten Frau RuffHändelkes, die heute Geburtstag hat, das Wort.

(Beifall von der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entwicklung und

Förderung von Immobilien- und Standortgemeinschaften ist die sozialdemokratische Antwort auf die seit Jahren bestehende Herausforderung der Stadtentwicklung.

Bereits im Jahr 2003 haben wir diesen freiwilligen Zusammenschluss zur Stärkung regionaler Immobilienstandorte eingeführt. Bis heute haben sich 20 dieser Interessengemeinschaften gebildet, um dem Druck des großflächigen Einzelhandels und der Discountermärkte eine attraktive Selbstorganisation entgegenzustellen.

Im Gegensatz zu der Situation bei den Einkaufsmalls mangelt es beim innerstädtischen Einzelhandel häufig am abgestimmten Management, an ausreichenden Verkehrsanbindungen oder an Absprachen hinsichtlich Öffnungszeiten, Marketing und Veranstaltungen. Insbesondere mangelt es auch im Hinblick auf Sicherheit und Sauberkeit. Das ist ein besonderes Ärgernis.

Die Magnetwirkung des großflächigen Einzelhandels sowie die von der Landesregierung beabsichtigten weitreichenden Ladenöffnungszeiten verstärken jedoch den Bedarf an Kooperation des innerstädtischen Einzelhandels.

Meine Damen und Herren, ein zentrales Problem im Einzelhandel – wie übrigens auch bei den Wohnimmobilien – ist jedoch oft die mangelnde Solidarität der Akteure untereinander. Anstelle notwendiger Abstimmungen und gemeinsamer Engagements verhält sich jeder Beteiligte wie beim Mikadospiel: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.

Trittbrettfahrer profitieren zusätzlich vom Engagement der anderen. Es gilt gegenzusteuern, indem wir gesetzliche Regelungen einführen, die den regionalen Akteuren ausreichenden Gestaltungsspielraum lassen. Die Fortentwicklung unseres bisher erfolgreichen Ansatzes der Immobilien- und Standortgemeinschaften hin zu dieser verpflichtenden Regelung sowie – ganz wichtig – die Erweiterung auf die Wohnimmobilien sind Ansinnen unseres Antrags.

Es ist erfreulich, dass die Landesregierung ihren fatalen Grundsatz „Privat vor Staat“ angesichts der Notwendigkeiten der Stadtentwicklung fällen lässt und die sogenannten Business-ImprovementDistricts nun auch in NRW einführen will. Insofern hat sich die USA-Reise von Herrn Minister Wittke sicherlich gelohnt. Man sieht wieder einmal, dass Reisen bildet,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

und auch, dass dem Marktliberalismus verschriebene Politiker zu einer neuen Weltanschauung

kommen, wenn sie sich tatsächlich die Welt anschauen. Fahren Sie doch einmal ins Dichterviertel nach Duisburg oder reisen Sie zu den öffentlichen Wohnungsbeständen in Skandinavien, Herr Minister. Ich glaube, dann würde sich der beabsichtigte LEG-Verkauf von allein erledigen.

(Beifall von der SPD)

Leider erkennt die Landesregierung bisher nicht die Notwendigkeit, den Ansatz der Immobilien- und Standortgemeinschaften auf den Wohnungssektor zu erweitern. Dabei wird dies gerade von der Wohnungswirtschaft – wie jüngst auf der VdW-Verbandstagung in Münster – gefordert. Mit dem Instrument eines BID- und HID-Gesetzes – so nennen wir es – schaffen wir es, das Engagement zugunsten bestehender Einzelhandelsstandorte und der Wohnquartiere zu stärken. Dies geschieht unter Beibehaltung der bisherigen Förderung für diese Bereiche. Das ist ganz wichtig. Ich freue mich auf die Diskussion.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Ruff-Händelkes. – Für die CDUFraktion spricht Herr Abgeordneter Sahnen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Strukturwandel in den Städten ist allen bekannt. Es ist zu beobachten, dass gerade die Leerstände der Ladenlokale zunehmen, sich die Kundenfrequenzen völlig verändern und sich im Grunde genommen gerade entsprechende Quartiere verschlechtern, was Sauberkeit, Sicherheit usw. angeht.

Die Ursachen sind vielfältig. Die zunehmende Wettbewerbssituation muss man ganz klar zur Kenntnis nehmen. Sie kommt den Kunden in Teilen zugute. Auf die Konkurrenz des großflächigen Einzelhandels wurde schon hingewiesen. Das ist in der Tat eine Problemlage, die dazu führt, dass die Innenstädte zunehmend ausbluten. Das Entstehen von Shopping-Centern ist allen bekannt.