Protocol of the Session on September 13, 2006

Warten Sie einmal ab, ich bin noch nicht fertig.

Wenn man aber Freiheit predigt, muss man auch wissen, dass die Freiheit des einen die Freiheit des anderen eingrenzen kann und in der Regel auch tut. Genauso sehe ich es bei diesem Gesetzesvorhaben: Natürlich kann ich mir vorstellen, dass es angenehm ist, nachts um 1 Uhr, wenn mir einmal wieder die Zigaretten ausgegangen sind – ich weiß, dass das ein anderes Thema ist, auf das ich gar nicht weiter eingehe –, um die Ecke im Supermarkt Nachschub zu holen.

Demgegenüber kann ich es mir als überhaupt nicht lustig vorstellen, würde ich nachts um 1 Uhr an der Kasse des besagten Supermarktes sitzen, nur weil manche Menschen nicht in der Lage sind, sich so zu organisieren, ihren Bedarf nach Konsum zu menschenwürdigen und weniger gesundheitsschädlichen Arbeitszeiten zu regeln.

Wenn jemand wegen der Bedürfnisse der Menschen oder – wie es in Ihrem Gesetzentwurf heißt – weil sich die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren nachhaltig geändert haben eine grundlegende Neukonzeption des Ladenschlussgesetzes will, muss er auch fragen, welchen Nutzen ein solches Gesetz und, wenn ja, für wen hat: Überwiegen die Vorteile? Überwiegen die Nachteile?

Glaubt man den wissenschaftlichen Untersuchungen, die es zum geltenden Ladenschluss gibt, kann man folgende Ergebnisse festhalten, wie es die Sozialforschungsstelle Dortmund beschreibt:

Die verlängerten Ladenöffnungszeiten waren nur zum Vorteil für großflächige Betriebssysteme. Kleinere Einzelhändler mussten insgesamt rückgängige Umsätze hinnehmen. Aber selbst bei den großflächigen Betrieben sind die Umsatzerwartungen nicht erfüllt worden.

Die beschäftigungspolitischen Hoffnungen, die mit der Lockerung des Öffnungszeitraumes verbunden waren, haben sich nicht erfüllt.

Die Arbeitsbedingungen haben sich für viele Beschäftigte durch die Arbeit zu sozial wertvollen Zeiten und den Druck auf die Personalkosten verschlechtert. Möglichkeiten der Flexibilisierung wurden kaum genutzt.

Konkret: Die Zahl der Arbeitsplätze wurde deutlich abgebaut. Überproportional wurden Vollzeit- und sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeitsplätze abgebaut.

Frau Kollegin.

Demgegenüber hat sich Zahl der geringfügig Beschäftigten deutlich erhöht. Betroffen waren hier überwiegend Frauen. Nur etwa ein Drittel der Betriebe macht von den neuen Öffnungszeiten Gebrauch.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme sofort zum Ende.

Nur etwa ein Drittel der Beschäftigten, die zu Spätöffnungszeiten arbeiten, erhält dafür nach eigenen Angaben Zuschläge. 90 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möchten keine weitere Ausdehnung der Arbeitszeit.

Frau Kollegin!

Nach diesen Ergebnissen habe ich zumindest Zweifel daran, ob es zu Ihrem Gesetz – wie es in der Vorlage steht – keine Alternative gibt. Deswegen befürworte auch ich eine Anhörung. Vielleicht hört man ja den Experten eher zu und nimmt von ihnen aufgezeigte Alternativen eher zur Kenntnis. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schwarz-Schumann. – Die nächste Wortmeldung für die CDU-Fraktion kommt von dem Kollegen Burkert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei der Landesregierung für diesen Gesetzentwurf über die Ladenöffnungszeiten ganz herzlich bedanken. Denn es ist ein Gesetz der Ladenöffnung und nicht – wie bisher – des Ladenschlusses. Damit passt sich das Gesetz veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen der Bevölkerung an.

Meine Damen und Herren, mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich einmal Ludwig Erhard, der in seinem Buch „Wohlstand für alle“ schrieb:

„Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selber tragen, ich will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin.“

Genau das soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erreicht werden.

Meine Damen und Herren, wir brauchen mehr Ludwig Erhards, mehr soziale Marktwirtschaft, mehr Freiraum für den Einzelnen und weniger Staat.

(Beifall von CDU und FDP)

Doch ganz besonders wichtig für mich als Christdemokrat ist, dass Ostern, Pfingsten, Weihnachten sowie Sonn- und Feiertage wie bisher geschützt sind. Das gilt selbstverständlich auch für den Karfreitag.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Stimmt nicht!)

Damit tragen wir der Stellungnahme der Evangelischen Kirche Deutschlands und der Deutschen Bischofskonferenz Rechnung, die weiterhin in aller Deutlichkeit für den Schutz von Sonn- und Feiertagen eintreten.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihrer Kollegin Beer?

Sehr geehrter Herr Kollege, halten Sie wirklich den Karfreitag für ausreichend geschützt, wenn die Möglichkeit besteht, an diesem Tag fünf Stunden zu öffnen? Dann ist der Karfreitag als höchster evangelischer Feiertag doch nachhaltig beschädigt.

Ich habe eben gesagt: Für mich ist der Karfreitag genauso schützenswert wie die anderen Tage auch.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dann schützen Sie ihn doch!)

Meiner Meinung nach gehört auch dazu, dass der 1. Mai geschützt ist, den die Kommunen in eigener Verantwortung ebenso schützen werden. Auch mein heimischer Einzelhandelsverband, der aus großen, aber auch aus kleineren Geschäften besteht, begrüßt ausdrücklich den Entwurf des Ladenöffnungsgesetzes. Ich zitiere mit Erlaubnis

des Präsidenten aus der Stellungnahme des Einzelhandelsverbandes:

„Endlich kann jeder Händler für sich entscheiden, wann er für seine Kunden öffnen will.“

Herr Kollege, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht. Ich möchte erst die Zitate zu Ende bringen.

Keine weiteren Zwischenfragen, gut.

„Vom Einzelhandel wird das Gesetz zu 100 % begrüßt. Eine über das Gesetz hinausgehende Forderung, die den Sonn- und Feiertag betrifft, wird nicht erhoben.

„Wie die Fußballweltmeisterschaft gezeigt hat, werden letztlich die Kunden entscheiden und mit den Füßen abstimmen, wann sie einkaufen wollen. Die Händler werden so öffnen, wie es der Kunde will.“

Selbstverständlich – darauf legen wir besonderen Wert – sind das Arbeitszeitgesetz, das Jugendarbeitsschutzgesetz, das Mutterschutzgesetz und die Vorschriften für die Nachtarbeit zu beachten. Gegebenenfalls sind hier, wenn notwendig, Änderungen vorzunehmen. Nach meinem jetzigen Kenntnisstand sind keine gravierenden Anpassungen zu erwarten.

Bei der Diskussion sind auch Argumente aus und Erfahrungen mit Ladenöffnungszeiten in anderen Ländern zu beachten. Die Erfahrungen in anderen Ländern mit liberaleren Regelungen zu Ladenöffnungszeiten legen nahe, dass meist inhabergeführte Geschäfte Profiteure der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten sein können.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: In welcher Welt leben Sie eigent- lich?)

Herr Schmeltzer, ich danke für die Wahlkampfunterstützung in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin, und zwar nicht für die SPD, sondern für die CDU. Ich werde wahrscheinlich gleich über den Ticker geben können:

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wow!)

SPD-NRW möchte keine SPD-Regierung in Berlin, weil die SPD in Berlin dort die Ladenöffnungszeiten – sechs mal 24 Stunden mit weiterer Aus

dehnung der Sonn- und Feiertagsgeschäfte – freigeben will.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Da bin ich aber mal gespannt, ob der Ticker auf Sie hört!)

Mecklenburg-Vorpommern macht es sogar noch doller: Sie wollen es sieben mal 24 Stunden.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Noch doller als Sie?)

Ich denke, Sie werden den Kollegen in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern die rote Karte zeigen.