Wie Minister Pinkwart am 10.08.2006 der Presse mitteilte, hat die Landesregierung die Unternehmensberatung Roland Berger damit beauftragt, die sechs Universitätskliniken des Landes in Augenschein zu nehmen. Konkret bedeutet dies aus seiner Sicht die Prüfung auf Fusions- und Schließungsmöglichkeiten sowie Pläne der vollständigen Privatisierung der Kliniken. Hinsichtlich der geplanten Neustruktu
rierung der Universitätskliniken ist eine Privatisierung dieser Krankenhäuser laut Aussagen Minister Pinkwarts gegenüber der Presse ein mögliches und durchaus gewünschtes Ergebnis.
Solch eine Privatisierung kann sich infolge von kostensparenden Maßnahmen durch den neuen Betreiber negativ auf die gegenwärtige Beschäftigungssituation an den Kliniken auswirken. Neben dem möglichen Verlust von Arbeitsplätzen bedeutet die Privatisierung auch eine Enteignung der Bürgerinnen und Bürger. Diese haben nämlich mit ihren Steuergeldern die Universitätskliniken als öffentliche Einrichtungen bezahlt. Eine Privatisierung der Unikliniken führt zudem nicht nur zu einem Wechsel der Klinikeigentümer, sondern auch zu neuen Verpflichtungen der Krankenhäuser. Neben der eigentlichen Hauptaufgabe der medizinischen Versorgung der Bevölkerung entsteht bei einer Privatisierung die zusätzliche Pflicht, möglichst hohe Dividende an profitorientierte Aktionäre auszuzahlen.
Warum wird Roland Berger beauftragt, wenn sich nach Aussage des Ministers auf Nachfrage der SPD-Fraktion im Wissenschaftsausschuss am 11.05.2006 im Verlauf des Jahres eine ministeriumsinterne Arbeitsgruppe mit dem Thema befassen wird?
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schultheis! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat gegenwärtig noch keine Entscheidung über die zukünftige Struktur der Universitätsklinika im Lande getroffen. Dies bedeutet, dass es zurzeit keine Entscheidung in Richtung Privatisierung der Universitätsklinika oder eines Universitätsklinikums gibt.
Das Gutachten von Roland Berger soll helfen, eine Entscheidung vorzubereiten. Wegen der Komplexität des Themas und der möglichen politischen, haushaltsmäßigen oder beschäftigungspolitischen Auswirkungen soll Grundlage der Entscheidung ein Gutachten eines unabhängigen externen Beraters sein.
Ziel des Gutachtens ist die Vor- und Gegenüberstellung verschiedener Organisationsmodelle. Denkbar sind aus heutiger Sicht eine Konzernstruktur ebenso wie Public-Privat-PartnershipModelle etwa für Baumaßnahmen oder auch die
Privatisierung eines Universitätsklinikums und eine Optimierung der bestehenden Struktur der Universitätsklinika, die, wie sie hier im Hause wissen, seit über fünf Jahren Anstalten des öffentlichen Rechts sind.
Der externe Gutachter, den wir beauftragt haben, soll diese möglichen Strukturen unter betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und steuerrechtlichen Gesichtspunkten beleuchten. Zielrichtung ist die Schaffung organisatorischer Strukturen, die den Erhalt der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Universitätsklinika und deren wirtschaftliche Stabilität gewährleisten.
Nach Vorlage des Gutachtens wird dieses ausgewertet und ein entsprechender Entscheidungsvorschlag vorbereitet. Parallel dazu erwarte ich durch den im Herbst vorliegenden Bericht der Expertenkommission „Hochschulmedizin“ Aussagen zu den Forschungsschwerpunkten der Medizinischen Fakultäten.
Die Expertenkommission hat das Ziel, Empfehlungen zu entwickeln, wie die Stärken der Hochschulmedizin in Nordrhein-Westfalen künftig noch deutlicher herausgehoben werden können, um ihre internationale Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Während das Gutachten von Roland Berger Grundlage für eine Verbesserung der organisatorischen Strukturen sein soll, dient die Empfehlung der Expertenkommission „Hochschulmedizin“ der Schärfung der Profile und der wissenschaftlichen Stärken der Medizinischen Fakultäten.
Herr Minister, auch das Land Schleswig-Holstein hat im Jahre 2005 eine Überprüfung der Universitätskliniken in Auftrag gegeben und bei dieser Gelegenheit explizit auf eine Beauftragung der Firma Roland Berger verzichtet, weil man bei vorangegangenen Beauftragungen zu Krankenhausfusionen schlechte Erfahrungen gemacht hat. Ich frage Sie: Ist Ihnen dieser Sachverhalt bekannt? Und wie bewertet die Landesregierung diesen Sachverhalt?
mit dieser externen Begutachtung verfolgen. Wir haben natürlich auch ein entsprechendes Ausschreibungsverfahren durchgeführt. Dieses Beratungsunternehmen erwies sich für die gegebene Aufgabenstellung als das leistungsfähigste Beratungsunternehmen, das im Übrigen nach meiner Kenntnis etwa in Berlin an der Charité auch entsprechende Untersuchungen durchgeführt hat, die als sehr erfolgreich bewertet worden sind.
Nach einer Abwägung der Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Berater schien uns dieses das geeignetste Institut zu sein. Ich gehe davon aus, dass wir sehr praktikable Vorschläge bekommen, um die Zielsetzung, die ich Ihnen dargelegt habe, erfüllen zu können.
Herr Minister, uns ist bekannt, dass Herr Baganz keinerlei Kontakte zu Roland Berger pflegte. Gleichwohl frage ich Sie, ob Ihnen bekannt ist, dass Roland Berger im Grunde Pate der Gruppe „The Black Stone Group“ in Deutschland ist, die bekanntlich Investorenmodelle im Gesundheitsbereich favorisiert und verfolgt.
Mit Blick auf Schleswig-Holstein und die Entscheidung dort stellt sich uns die Frage, warum Sie in Nordrhein-Westfalen keine Sorge der Befangenheit bei einer solchen Auftragsvergabe haben, obwohl im Grunde deutlich ist, wie groß der Interessenskonflikt bei Roland Berger sein muss, wenn er parallel eine Investorengruppe berät, die genau eine Privatisierungsperspektive für sich eröffnen will.
Herr Abgeordneter, wir haben uns mit der Frage beschäftigt, ob mit Blick auf unsere Zielsetzung ein solches Institut in der Lage ist, eine entsprechende Beratungsleistung erbringen zu können. Das ist vom Haus geprüft und positiv entschieden worden. Ich gehe also davon aus, dass wir hier ein ordentliches Beratungsergebnis bekommen werden. Wir gehen ohne Vorfestlegung in die Untersuchung hinein, auch was die von Ihnen angesprochene Privatisierung anbetrifft.
Im Übrigen haben wir dieses Unternehmen gebeten – um nicht zusätzliche Untersuchungsaufwendungen vornehmen zu müssen –, auch Gutach
ten, die der der Vorgängerregierungszeit von meinem Haus mit der Zielsetzung der Privatisierung von Universitätsklinika in Auftrag gegeben worden sind, in Ihre Überlegung einzubinden. Insofern sehen Sie auch hier, dass in Kontinuität an diesen Fragen gearbeitet werden kann.
Wie möchte die Landesregierung nach einer Privatisierung der Universitätskliniken einen ausreichenden Medizinernachwuchs im Land gewährleisten?
Sie nehmen mit Ihrer Frage eine Entscheidung der Landesregierung vorweg, die noch gar nicht getroffen worden ist, die sich zwar im Raum der Möglichkeiten bewegt, aber nicht Ziel unserer Handlungen schlechthin ist, sondern eine Option. Ob die Option zum Tragen kommt, wird die Begutachtung und die Auswertung der Begutachtung zeigen. Dann könnten Ihre Fragen in dem Kontext diskutiert werden.
Herr Minister Pinkwart, Sie haben die Frage von Herrn Kollegen Groschek nicht beantwortet. Deshalb frage ich noch einmal genau nach: Ist Ihnen die geschäftliche Beziehung Roland Bergers zu der Blackstone Group bekannt? Welche Schlüsse ziehen Sie daraus bezüglich der Befangenheit von Roland Berger, eine solche Beauftragung anzunehmen?
Ich habe Ihnen dargelegt, dass wir das Gutachten nach den üblichen Bedingungen zur Ausschreibung von Begutachtungsverfahren ausgeschrieben haben. Roland Berger hat sich als die leistungsfähigste Beratungsgesellschaft für diese Fragestellungen erwiesen. Nach diesem Aspekt haben wir diesen Auftrag vergeben. Die anderen Aspekte spielen für diese Fragestellung nach den Regelungen für Ausschreibungen aus meiner Sicht keine Rolle.
Herr Minister, wenn ich das richtig verstanden habe, erwarten Sie dadurch mehr Investitionen in Universitätskliniken. Wie soll es zu diesen Mehrinvestitionen kommen? Die Krankenhäuser dürfen nur nach Fallpauschalen abrechnen und können keine höheren Behandlungsgebühren erheben. Gleichzeitig müssen sie Dividenden an die Aktionäre auszahlen.
Sie stellen auf ein mögliches Privatisierungsmodell und seine innere Begründetheit ab. In jedem Einzelfall ist genau zu untersuchen, ob eine solche Option gewählt werden sollte. Wir kennen in der Bundesrepublik Deutschland – etwa im Bundesland Hessen – Beispiele, die sich nach all dem, was ich dazu bisher gelesen und von Dritten erfahren habe, als durchaus positiv erweisen.
Es hängt in solchen Fällen offensichtlich auch immer von der Ausgestaltung eines Privatisierungsmodells ab, ob die Ziele der Investoren mit den Zielen der öffentlichen Hand zusammenpassen. Die öffentliche Hand ist sehr daran interessiert, dass sich gerade Universitätskliniken auf dem modernsten international vergleichbaren Stand befinden.
Die medizinischen Einrichtungen haben heute schon einen erheblichen Investitionsbedarf. In Zukunft wird der Bedarf noch darüber hinausgehen. Das wissen Sie. Insofern muss die öffentliche Hand bei ihren begrenzten Möglichkeiten den besten Weg wählen, um eine exzellente Forschung mit den dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen zusammenzubringen.
Wenn Privatisierungsmodelle in diesem Zusammenhang einen Weg weisen könnten, dann sollte man diesen beschreiten. Vielleicht gibt es aber auch andere Wege. Wir wollen das aus dieser objektiven Analysesituation heraus so klären, dass wir die Fragen möglichst positiv beantworten können.
Herr Minister, Sie haben bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Schultheis eben festgestellt, dass Sie eine mögliche Interessenkollision zwischen der Tätigkeit von
Herrn Berger für die Blackstone Group und der Erstellung Ihres Gutachtens nicht bei der Vergabe des Gutachtens überprüft haben. Deshalb frage ich Sie, ob Sie nunmehr gedenken, das zu überprüfen und uns mitzuteilen, welche Konsequenzen Sie gegebenenfalls aus einer möglichen Interessenkollision ziehen.
Ich werde dieser Frage gerne noch einmal nachgehen. Vor allen Dingen werde ich mit Spannung auf das Ergebnis dieses Gutachtens warten.
Dann kann man vielleicht auch feststellen, ob die Analysemethoden, die Herangehensweise und die Schlussfolgerungen, die aus dem Gutachten gezogen worden sind, Anhaltspunkte dafür liefern könnten, dass solche Interessenverflechtungen maßgeblich für die Begutachtung waren oder ob die Auseinandersetzung mit intersubjektiv nachvollziehbaren Argumenten erfolgte.
Herr Minister, wie schätzen Sie oder die Landesregierung die Gefahr ein, dass durch Privatisierung Monopole für die Behandlung von bestimmten Krankheitsbildern entstehen können?
Eine solche Entscheidung, die Sie antizipieren, ist von uns weder so geplant noch vollzogen worden. Sie hat aber eine komplexe Fragestellung zum Gegenstand. Das habe ich eingangs gesagt. Es müssen verschiedene Aspekte mit abgewogen werden. Das ist sicherlich ein Aspekt dabei.