Protocol of the Session on June 1, 2006

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

denn dann kämen wir möglicherweise zueinander. Es sind genau die Punkte, die wir, Bündnis 90/Die Grünen und SPD, in dem Antrag wiederfinden wollten und die Ihre Fraktion mit allen Mitteln der Kunst bekämpft hat. In der parlamentarischen Beratung ist das Thema bereits, denn der Antrag ist ja schon im letzten Jahr eingebracht worden. Das hätten wir also bereits alles gut regeln können.

Wir haben von Anfang an vorgeschlagen, dass sich Ihr Haus an der Beratung des gemeinsamen Antrages beteiligt. Ihre Fraktion hat jedoch gesagt, das ginge auf gar keinen Fall. Vielleicht wären wir schon zueinander gekommen, möglicherweise hätten wir schon einen gemeinsamen Antrag und könnten als Parlament darstellen, dass wir alle bei dem Thema dicht beieinander stehen. Man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Nutzen Sie die Gelegenheit, reden Sie mit Ihrer Fraktion, dann bekommen wir es vielleicht hin.

(Beifall von der SPD)

Einen Punkt möchte ich noch kurz ansprechen. Muss ich davon ausgehen, wenn ein Minister dieser Landesregierung am 23. März 2006 „bis zur Sommerpause“ sagt,

(Minister Armin Laschet: Das war ein Scherz!)

dass das vielleicht in 20 Jahren ist, oder kann ich mich darauf verlassen, dass dieses Jahr gemeint ist? – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Deswegen schließe ich die Beratung, und wir kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt uns die Überweisung des Antrags in der Drucksache 14/1985 im Neudruck an den Ausschuss für Frauenpolitik – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration, an den Innenausschuss und an den Rechtsausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer möchte dieser Ältestenratsempfehlung zustimmen? – Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

3 Die Zukunft des Nahverkehrs in NRW planen – den von der Bundesregierung beschlossenen Mittelkürzungen nicht konzeptionslos begegnen!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/1976

In Verbindung damit:

Keine Kürzung der Regionalisierungsmittel für NRW – Landesregierung soll Bundeshaushalt im Bundesrat ablehnen

Eilantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/2011

Ich weise auf den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/2029 – Neudruck – zum Antrag der SPD hin.

Ich eröffne die Beratung. Als erster Redner hat der Abgeordnete Wißen von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem öffentlichen Nahverkehr in NordrheinWestfalen geht es an den Kragen. Nach einer beispiellosen Erfolgsgeschichte mit einer erheblichen Angebotsausweitung und Zuwachsraten von ÖPNV-Nutzern von bis zu 40 % in den vergangenen zehn Jahren ist der öffentliche Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen zu einer echten Mobilitätsalternative geworden. Das war und ist dringend notwendig; denn das nordrheinwestfälische Straßennetz ist hoffnungslos überlastet. Auch machen steigende Energiepreise den motorisierten Individualverkehr zu reinem Luxus. Nicht zuletzt: Einen besseren Umweltschutz als einen funktionsfähigen ÖPNV kann es doch gar nicht geben.

Es sind gerade Kinder und Jugendliche, Berufspendler und ältere Menschen, die auf ein gut funktionierendes Nahverkehrsangebot angewiesen sind. Uns Sozialdemokraten ist es ein Anliegen, dass die Menschen in NRW qualitativ hochwertig und zu bezahlbaren Preisen von A nach B kommen. Das jedoch ist mit einer reinen Privat-vorStaat-Debatte von Schwarz-Gelb nicht zu erreichen. Wir Sozialdemokraten wissen um die sozia

le Bedeutung des öffentlichen Personennahverkehrs.

Sehr geehrte Damen und Herren, gleichzeitig werden in dem vom Ministerpräsidenten ausgerufenen Jahr des Kindes 2006 die dringend notwendigen Schülerbeförderungskosten nun um über 27 Millionen € gekürzt. Gleichzeitig leugnet Ankündigungsminister Wittke die eigenen Kürzungen hier im Landtag, bringt aber im Rahmen der Haushaltsverhandlungen eine Kompensation in Höhe von 20 Millionen € aus Resten der Regionalisierungsmittel des Vorjahres zur Unterstützung des ÖPNV im ländlichen Bereich ein. Hier werden Kürzungen auf zwielichtige und kurzfristige Art und Weise überdeckt. Einige glauben fälschlicherweise, Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Immer da, wo wir einen Lichtstrahl der Landesregierung entdecken, ist es aber nicht die gleißende Sonne, sondern ein Kerzchen, dessen Docht an beiden Enden brennt.

(Beifall von der SPD)

So stellt sich die Frage, warum diese Kompensation notwendig war, wenn Kürzungen angeblich nicht stattfinden. Reflexartig reagiert Baustellenminister Wittke, indem er auf die Kürzungsvereinbarungen aus dem Koch/Steinbrück-Papier oder auf den Bundesfinanzminister selbst verweist.

Bei diesem ausgestreckten Zeigefinger weisen allerdings vier Finger derselben Hand auf Aktionsminister Wittke selber zurück:

Zum einen steht die CDU durch den hessischen Ministerpräsidenten Koch selber in der Verantwortung, das Koch/Steinbrück-Papier initiiert zu haben.

(Angela Freimuth [FDP]: Welcher Fraktion gehört denn Herr Steinbrück an?)

Zum anderen war Ministerpräsident Rüttgers persönlich in der Verhandlungskommission zur Ausarbeitung des Koalitionsvertrages auf Bundesebene beteiligt und hat, wie andere CDUMinisterpräsidenten, die vereinbarte Kürzung der Regionalisierungsmittel selber zu verantworten. Wo war da der laute Protest des ansonsten lauten Ministers Wittke zu hören?

(Beifall von der SPD)

Und mehr als das: Blockademinister Wittke trägt eigene Kürzungsvorschläge zulasten des ÖPNV in der Verkehrsministerkonferenz mit, um sich dann über genau diesen Umstand zu beschweren. Offenbar haben wir es mit einer gespaltenen

Persönlichkeit, mindestens aber mit einer gespaltenen Zunge des Ressortministers zu tun.

(Christof Rasche [FDP]: Steinbrück!)

Letztlich bereitet die Landesregierung durch ihre sogenannte ideologiefreie Politik und damit gegen die bisherige Vorrangstellung öffentlicher Verkehrsträger dem Angriff auf den ÖPNV noch das Feld.

Sehr geehrte Damen und Herren, im vorliegenden Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen wird bereits das Festhalten an der gesetzlich vereinbarten Revision des Bundesregionalisierungsgesetzes ab 2008 als großer Verhandlungserfolg der nordrhein-westfälischen Landesregierung gefeiert.

(Parl. Staatssekretär Manfred Palmen [CDU]: Das ist es auch!)

Wenn das bei der akuten Bedrohung der ÖPNVFinanzierung schon ein großer Erfolg war, möchte ich über die künftigen Verhandlungsergebnisse mit dem Bund in keinster Weise spekulieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, diese Landesregierung weiß also, dass es zu Kürzungen kommt – einerseits, weil Ministerpräsident Rüttgers die Kürzungen der Regionalisierungsmittel selbst unterschrieben hat, und andererseits, weil sie selbst die Kürzungen noch verschärft. Es soll sich hier keiner von der Union in die Büsche schlagen und sagen, er habe von nichts gewusst, wenn demnächst Linien ausgedünnt oder aufgegeben werden müssen. Die Täter sitzen in diesem Hause und im Stadttor.

Was die Landesregierung jetzt vorlegen muss, ist ein Konzept, wie mit diesen Kürzungen umgegangen werden soll. Doch Fehlanzeige! Statt sich mit Sammelbildchen zu beschäftigen, sollte Presseminister Wittke jetzt endlich für Planungssicherheit bei allen Beteiligten im ÖPNV sorgen.

(Beifall von der SPD)

Das ist er auch den vielen Nutzerinnen und Nutzern des ÖPNV in diesem Lande schuldig. Wiederholt fordert er von den Verkehrsverbünden effizientere Arbeit als bisher und fordert bis Ende 2007 Fusionen im nordrhein-westfälischen Nahverkehr. Die Verkehrsverbünde, die Blockademinister Wittke an die Spitze ihres Aktionsbündnisses gegen Kürzungen bei Bahn und Bus beriefen, haben wohl den Bock zum Gärtner gemacht. Schon jetzt verkündet er, dass neun Verkehrsverbünde in NRW zu viel seien und die Landesregierung die Agentur Nahverkehr, bei der bisher die

Aktivitäten der NRW-Verbünde erfolgreich koordiniert wurden, nicht mehr fördern will.

Bei diesen vielen Ideen des Vorschlagsministers Wittke ist es doch erstaunlich, dass die Landesregierung noch nicht einmal andeutungsweise weiß, wie die Zukunft des Nahverkehrs in NRW ausgestaltet werden soll.

Sehr geehrte Damen und Herren, eines müsste den Regierungsfraktionen doch klar sein: Die von ihnen geforderte Anrufung des Vermittlungsausschusses wird in keiner Weise die Situation des Nahverkehrs in NRW verbessern. Auf den Ausgang eines möglichen Vermittlungsverfahrens auf Bundesebene und die Verabschiedung des Bundeshaushalts zu warten heißt, unnötig Unsicherheiten in den Nahverkehr des Landes zu tragen. Besser wäre es vielmehr, wenn die Landesregierung verschiedene mögliche Optionen darlegt, um den Bürgerinnen und Bürgern des Landes offenkundig zu machen, dass es bei intelligenter Politikgestaltung zu den Hiobsbotschaften der Streckenstilllegungen nicht kommen muss.

Glauben Sie denn ernsthaft, Herr Minister, dass die Haushalts- und Finanzpolitiker noch fachliche Einwände gelten lassen werden? – Sie und Ihre beteiligten Kollegen haben sich das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen. Das war ein wahrer Pyrrhussieg. Mich wundert auch, dass die FDP diese Forderung mitträgt, denn im Vermittlungsausschussverfahren sitzt sie noch nicht einmal mit am Tisch. Letztlich wird die Bundeskanzlerin mit ihren CDU-Granden in den Ländern das Ergebnis bestimmen, und die FDP sitzt völlig am Rande.

Sehr geehrte Damen und Herren, die SPDFraktion fordert die Landesregierung mit dem vorliegenden Antrag auf darzustellen, wie sie selber die Zukunft des Nahverkehrs in NordrheinWestfalen planen will. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Revision der Bundesregionalisierungsmittel, sondern auch bezüglich der eigenen Kürzungen bei den Schülerbeförderungskosten und erst recht hinsichtlich der vielen Rationalisierungsvorschläge des Verhandlungsministers.

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Beispiel sollte folgender Sachverhalt zu denken geben: Laut einer Presseinformation der DB-AG vom 5. Mai 2006 haben die Verkehrsministers des Bundes und der Länder im Rahmen einer Festveranstaltung eine Bilanz der vor zehn Jahren gestarteten Regionalisierung des SPNV gezogen. Im Rahmen dieser Veranstaltung erklärte Herr Mehdorn den Regionalverkehr zum Herzstück des Konzerns. Mit 554 Millionen € erwirtschaftete die

DB-AG im Jahr 2005 im Regionalverkehr über 40 % ihres Gewinns. Dieser dreistellige Millionengewinn aus dem Nahverkehr kommt zu einem bedeutenden Anteil aus Nordrhein-Westfalen und besteht im Wesentlichen aus Regionalisierungsmitteln des Bundes.

Es stellt sich jedoch die Frage, wie sich die DBAG ihrerseits für den Nahverkehr in NRW engagiert. Das betrifft die Pünktlichkeit, ein ausreichendes Sitzplatzangebot, Sauberkeit und anderes mehr. Angesichts solcher Gewinne der DB-AG in NRW fordern wir mehr Qualität zu einem vernünftigen Preis. Diese Forderung muss sich der zuständige Minister zu Eigen machen.

(Beifall von der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir fordern Sie ebenfalls auf, aus eigener CDU-Regierungsverantwortung heraus für Nordrhein-Westfalen und im Bund den Menschen in diesem Lande, die von Ihnen zu verantwortende Zukunft des Nahverkehrs darzustellen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)