Protocol of the Session on May 31, 2006

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sehen uns nach, dass wir zwar Ihre eigene Zerstörung akzeptieren, nicht aber die des Landes. Wie sagt Biedermann? „Verdacht. Das hatte ich sofort, meine Herren. Aber was hätten Sie an meiner Stelle getan?“ Wir können es Ihnen sagen: Nehmen Sie Ihren Gesetzentwurf zurück. Diskutieren Sie mit uns das, was Sie gerade angedeutet haben, nämlich ernsthaft und sachlich die Frage der Migration und der Integration. Dann kommen wir auch zu einem guten Ergebnis.

Herr Abgeordneter.

Ich bin so gut wie fertig, dann können Sie die Frage stellen lassen.

Sie opfern derzeit auf dem Altar der Symbolpolitik Ihres 200-Tage-Programms das Verständnis unseres Staates. Das höre ich die ganze Zeit hindurch in Ihren Wortbeiträgen. Dieses gefährliche Spiel macht unsere Fraktion nicht mit. Deshalb werden wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nun lässt Herr Stotko die Frage zu. – Bitte schön, Herr Papke.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Stotko, nachdem Sie doch sehr offensiv dahergekommen sind, gestatten Sie mir folgende Frage.

Sie haben in Ihrer Rede unter anderem ausgeführt – widersprechen Sie mir, wenn ich das missverstanden habe –, es gäbe bisher überhaupt keine Hinweise auf Schwierigkeiten mit kopftuchtragenden Lehrerinnen an nordrhein-westfälischen Schulen. Habe ich Sie da richtig verstanden?

Soll ich darauf antworten? – Ja.

Dann möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass die Wochenzeitung „Die Zeit“ Ende 2003 einige große Porträts von „Kopftuchlehrerinnen“, wie „Die Zeit“ geschrieben hat, gebracht hat, darunter auch das Porträt einer Grundschullehrerin aus Aachen. Ich möchte Sie gern fragen, ob Ihnen der Vorfall bekannt ist, den ich Ihnen ganz kurz darstellen möchte.

Bitte kurz, Herr Papke.

Ganz kurz, in wenigen Sätzen. Das ist nämlich von entscheidender Bedeutung für das, was der Kollege gesagt hat.

Ist Ihnen bekannt, dass die Lehrerin an einer nordrhein-westfälischen Grundschule auf die Frage, ob Ehebruch schädlich und ein Verbrechen sei, geantwortet hat – ich zitiere wörtlich aus „Die Zeit“ –: Der Ehebruch, sagte die Mutter einer Tochter, sollte auch in Deutschland wieder als schädlich erkannt werden, denn – ich zitiere weiter –, Ehebruch ist ein Verbrechen wie Mord.

Eines, das mit Steinigung geahndet werden müsste?, fragte der „Zeit“-Reporter. Antwort: Die Strafe steht in der Scharia.

Jetzt ist aber die Frage deutlich, Herr Papke.

Herr Präsident, ich darf doch die Frage zu Ende stellen oder nicht?

Ja, das muss aber ein gewisses Maß einhalten.

Herr Präsident, habe ich jetzt das Wort oder nicht? – Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege, dass sich die Lehrerin an einer nordrhein-westfälischen Grundschule öffentlich so eingelassen hat, oder ist Ihnen das bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen?

(Lebhafte Zurufe – Unruhe)

Auf diese recht komplizierte Frage kann ich einfach antworten.

Erstens. Es ist mir bekannt.

Zweitens. Das ist geklärt.

Drittens. Das hat überhaupt nichts mit dem Kopftuch zu tun. – Danke.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Fortgesetzt lebhafte Zurufe)

Zwischenfragen sollten auch zeitlich nicht die Dimension eines Redebeitrages annehmen. Deswegen hatte ich gebeten, sich etwas kurz zu fassen.

Jetzt hat Frau Abgeordnete Löhrmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Vesper hat offensichtlich heute Morgen die „Rheinische Post“ gelesen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Laschet, der jetzt leider nicht hier ist, war vorgestern anlässlich des 13. Jahrestages des Solinger Brandanschlages, wieder einmal in meiner Heimatstadt. Und er hat eine gute Rede gehalten und mit dem Gedanken Adornos geschlossen: Wir brauchen eine Gesellschaft, in der alle friedlich verschieden sein können. – Ja, da hat Herr Laschet Recht.

Aber was die Regierungsfraktionen heute beschließen, ist das genaue Gegenteil.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie begehen einen integrationspolitisch fatalen und folgenschweren Fehler. Ich verweise auch noch einmal auf die uns zugegangene Initiative für

Selbstbestimmung in Glaube und Gesellschaft. Zugunsten einer ausgeprägt kurzsichtigen und oberflächlichen Symbolpolitik, die wir bedauerlicherweise in so vielen Bereichen erleben müssen, wird in Nordrhein-Westfalen ein Kopftuchverbot Gesetz, ein Gesetz, das die tatsächlichen Probleme der Integration und die Herausforderungen einer zukunftsweisenden Integrationspolitik in keiner Weise löst,

(Beifall von GRÜNEN und Frank Sichau [SPD])

ein Gesetz, das ein Signal der Ausgrenzung ist.

Wie heißt es in einem Appell, der unter anderem vom Vorsitzenden der Jungen Liberalen in Nordrhein-Westfalen und vom Bundesminister a. D. Dr. Gerhart Baum unterschrieben ist? Ich zitiere, Herr Papke:

„Wir sind der Meinung, dass Kopftuchverbotsgesetze, wie dies jetzt wieder in NRW ansteht, vorhandene Vorurteile fördern und keinen Ersatz eines vernünftigen Integrationskonzeptes darstellen, welches dringend benötigt wird.“

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich möchte aber auch noch etwas zum Verfahren sagen. Anhörungen und das Befragen, also der Austausch mit Expertinnen und Experten, mit Betroffenen und Verbänden, sind ein Markenzeichen des Parlamentarismus. Ich bin entsetzt, was Sie von CDU und FDP binnen eines Jahres aus diesem wertvollen Verfahren gemacht haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie führen Anhörungen zwar formal durch, lassen sie aber mehr oder weniger über sich ergehen oder flüchten, picken sich die Bröckchen heraus, die Ihnen noch irgendwie in den Kram passen. Aber von einem Abwägungsprozess, der dem Gegenstand auch nur annähernd gerecht wird, kann nicht die Rede sein.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie wollen nicht lernen. Sie sind beratungsresistent. Dieses Verhalten wird zum „Makelzeichen“ der schwarz-gelben Koalition.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Mir ist unbegreiflich, wie leichtfertig Sie diesen Makel auch bei einem Gesetzgebungsverfahren durchziehen, bei dem es um Verfassungsfragen, um Grundrechte und um sensible Abwägungsprozesse dieses Grundrechts auf Religionsfreiheit, der staatlichen Neutralität und der Verfassung insgesamt geht. – Was für ein Unterschied zur letzten Wahlperiode!

Da haben wir uns mit den Ergebnissen von zwei Anhörungen intensiv auseinander gesetzt. Da wurde in allen Fraktionen um den richtigen Weg gerungen.

(Zuruf von der CDU: Ach, Frau Löhrmann!)

Zwei Fraktionen, SPD und FDP, haben aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedenken in diesem Verfahren ihre Meinung revidiert und entgegen der ursprünglichen Absicht von einem Kopftuchverbot Abstand genommen. Zwei Fraktionen haben also auch einen Prozess mit sich selbst vorgenommen. Davon wollen die sogenannten Liberalen nun nichts mehr wissen.

Viele Abgeordnete der gleichen FDP, die noch vor gut einem Jahr verfassungsrechtlich begründet gegen ein Kopftuchverbot gestimmt haben, sind nun dafür. – Das verstehe, wer will. In dubio pro libertate – das war einmal!

Sicher, die Koalitionsräson fordert ihren Preis. Aber die Papke-FDP will auch an den Stammtischen punkten. Das ist auch heute wieder deutlich geworden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wie sonst ist es zu erklären, dass Herr Papke kopftuchtragende Frauen in einem Atemzug mit Zwangsverheiratungen und Ehrenmorden nennt?