Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es gibt einfach Momente, in denen man froh ist, dass die Redezeit beendet ist. Herr Kollege Papke, das gilt für Ihren Wortbeitrag ganz eindeutig.
Ich greife das gleich im Rahmen meiner Rede gerne noch einmal auf. Ich will Ihnen klar machen: Sie können es auch in wirklich keinem Redebeitrag in diesem Parlament sein lassen, die Frage eines Kopftuchverbotes mit der Frage von Ehrenmorden zu verbinden. Es gibt keine Kopftuchträgerinnen, die Ehrenmorde begangen haben. Vielleicht geht das auch einmal in Ihren Kopf hinein.
(Beifall von SPD und GRÜNEN – Manfred Kuhmichel [CDU]: Das hat er doch gar nicht gesagt! Sie haben ihm nicht zugehört!)
Das ist der unverschämte Versuch, Symbole miteinander zu verbinden, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben.
Sie können sich so sehr echauffieren, wie Sie wollen: Das ändert nichts, denn es ist mein Wortbeitrag.
Die Frage des Kopftuches war nämlich – wie bereits zu Recht gesagt – in den vergangenen Jahren bereits häufig Gegenstand der Debatten im Landtag. In diesem Zusammenhang hat nicht nur unsere Fraktion immer Wert darauf gelegt, dass die Diskussion emotionsfrei und nicht von falschen Begriffen und falschen Begrifflichkeiten besetzt geführt wird.
Es werden nämlich in dieser Diskussion, wie gerade geschehen, alle Begriffe und Symbole der Migration, der Integration, des Beamtentums, des Terrorismus, des Religionsverständnisses und des Schulrechts in einen Topf geworfen und kräftig durchgerührt,
wenn es darum geht, ob eine Lehrerin im Unterricht – nach Ihrem Willen auch Erzieherinnen – ein Kopftuch tragen darf.
Ich betone für die SPD-Landtagsfraktion, dass natürlich auch wir Schwierigkeiten sehen, wenn die Neutralitätspflicht im Rahmen des staatlichen Lehrauftrags verletzt wird. Auch wir akzeptieren es natürlich nicht, wenn die Gefahr besteht, dass unter einem Kopftuch, einer Kippa oder auch unter einem Nonnengewand die in unserem Grundgesetz garantierten Menschen- und Bürgerrechte verletzt werden. Das akzeptieren wir auf keinen Fall.
Nur im Gegensatz zu Ihnen sind wir der Meinung, dass die geltende Rechtslage ausreicht, diesem derzeit nicht vorhandenen Problem zu begegnen.
Herr Papke, Sie betonen zu Recht, dass wir über knapp 20 Lehrerinnen von ca. 116.000 Lehrkräften sprechen. Sie kennen die Zahl: Das sind 0,019 %, über die es bis heute – bis auf einen Bericht in einer anderen Anhörung – überhaupt keine Beschwerden derjenigen gibt, die sie unterrichten. Warum wollen Sie also ohne Not und ohne Gefahr ein ganzes Gesetz ändern, obwohl Sie es gar nicht nötig haben? Denn wie ich gerade betont habe, findet die Religionsfreiheit einer Kopftuchträgerin, eines Kippaträgers oder einer Nonne ihre Grenzen dort, wo die Grundrechte Dritter betroffen sind.
Ich will es Ihnen nämlich nicht ersparen, die fundierten rechtlichen Stellungnahmen zu zitieren. Der staatliche Erziehungsauftrag nach Art. 7, das elterliche Erziehungsrecht nach Art. 6 Abs. 2 und die negative Glaubensfreiheit der Schulkinder nach Art. 4 des Grundgesetzes sind bei Weitem
ausreichend, dem jeweiligen Dienstherrn die Möglichkeit zu eröffnen, solche Konflikte zu lösen, notfalls auch gerichtlich zu lösen, denn eine Einzelfallprüfung ist immer möglich. Einer eigenen Gesetzesformulierung bedarf es dazu nicht.
Wenn Sie sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2004 berufen, ist Ihnen doch bekannt, dass dies keine Legitimation Ihres Gesetzentwurfs darstellt. Wenn nämlich – wie es sich derzeit in NRW abzeichnet – gegen Ihren Gesetzentwurf geklagt wird, wird das höchste deutsche Gericht, das Bundesverfassungsgericht, urteilen. Im Gegensatz zum Bundesverwaltungsgericht legt es Art. 4 wesentlich großzügiger aus und wird das auch wieder bestätigen.
Deshalb wundere ich mich, dass Sie – ich meine, es war Herr Papke – sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezogen haben und behaupten, das Kopftuch sei ein fundamentalistisches Symbol. Sie haben selber zitiert: Es kann eines sein, es muss aber keines sein. Das Bundesverfassungsgericht wird, wenn es diese Angelegenheit zur Überprüfung bekommt, sicherlich nicht mit zweierlei Maß messen, sondern unter Berücksichtigung von Art. 33 das sagen, was es bereits im Jahr 2003 gesagt hat:
Das Gebot verschiedener Glaubensrichtungen sei zu beachten. Es führt weiter aus und schreibt dem Gesetzgeber – und damit auch uns – ins Stammbuch, der Staat dürfe sich nicht durch von ihm ausgehende Maßnahmen mit einem bestimmten Glauben identifizieren. – Sehen Sie uns nach: Mit Ihrem Gesetzentwurf tun Sie genau das.
Ich frage mich, wie Sie aus dieser Nummer im Verhältnis zu den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts wieder herauskommen wollen. Da aber wir von der SPD-Fraktion nicht ernsthaft erwartet haben, dass Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ernst nehmen, geschweige denn vielleicht auch anwenden, haben wir dafür gesorgt, dass es noch eine Anhörung am 9. März gegeben hat. Ich habe mich natürlich gefreut, Frau Abgeordnete Keller, dass Sie insgesamt zwei der insgesamt 18 Experten zitiert haben. Einer davon ist Ihr Experte, der Ihren Gesetzentwurf mit geschrieben hat. Was haben Sie von dem erwartet, was er zu Ihrem Gesetzentwurf sagt? Außerdem zitieren Sie einen Schulpraktiker.
Wie war es aber bei der Anhörung? – Von 18 Sachverständigen haben nur sechs gesagt, sie seien für ein Verbot. Von denen haben aber nur vier gesagt,
sie seien für ein Gesetz. Alle Beteiligten befürchten das, was wir immer formuliert haben, dass nämlich Ihr Gesetz dazu führt, dass alle religiösen Symbole in Nordrhein-Westfalen verboten werden. Dann haben Sie etwas, wie es auch die Kirchen ausgeführt haben, was Sie doch gar nicht haben wollen.
Herr Papke hat gerade noch betont, die Koalition sei eine Koalition der Erneuerung. Wenn ich mir anschaue, wie die Anhörungen im Landtag zu den verschiedenen politischen Themen verlaufen, habe ich mehr den Eindruck, dass sie eine Koalition der Beratungsresistenz sind.
Die Experten können Ihnen in den Anhörungen sagen, was sie wollen, es nutzt nichts. Egal, was ist, Sie sagen am Schluss gegenüber der Presse: Wir fühlen uns bestätigt.
Ich frage mich dann immer, in welcher Anhörung ich gesessen habe. Es handelt sich wohl eher um eine Koalition des Realitätsverlustes.
Ich an Ihrer Stelle hätte bei den Anhörungen schon körperliche Schmerzen, im Übrigen auch bei der zu diesem Thema, wenn Sie nämlich, wie im Ruhrgebiet gesagt wird, immer die Hucke voll kriegen, schaut man sich einmal an, was die Experten gesagt haben, wenn man nicht nur zwei bestimmte zitiert.
Prof. Mahrenholz sagt, Sie nähmen in Ihrem Gesetzentwurf nicht die Abwägung vor, die das Bundesverfassungsgericht 2003 vorgeschlagen habe. Er lobt im Übrigen ausdrücklich die Praxis, die wir in NRW hatten.
Der Kirchenrechtler Muckel hat es Ihnen ganz einfach und unjuristisch erklärt: Entweder es ist alles verboten, oder es ist alles erlaubt. – Das ist eine ganz einfache Regelung.
Selbst Ihr Prof. Huber, den Sie hier zitieren, sagt in seinen Ausführungen, er sehe die Gefahr, dass auch christliche Symbole unter das Neutralitätsgebot fielen und dementsprechend ein Schritt in den Laizismus gemacht werde. Schauen Sie ins Protokoll, da können Sie es lesen.
Auch die Kirchen haben dies formuliert. Neben diesen Formulierungen erlauben Sie mit viel Spaß noch zu zitieren, dass neben den juristischen Unzulänglichkeiten in Ihrem Gesetzentwurf, dem mangelnden Verfassungsverständnis und auch
Denn wie ist die Formulierung? Ich zitiere: „Sprachlich auf dem Niveau eines Kartoffeldrucks“, sagt Herr Prof. Thüsing,
im Übrigen Mitglied der Konrad-Adenauer-Stiftung – er ist also in eine gute Schule gegangen –, „wo ein bisschen was zusammengestempelt wurde, ohne dass es zusammenpasst.“ Wenn das nicht „DieHucke-voll-Kriegen“ ist, dann weiß ich es nicht. Sie sollten einfach einmal ernst nehmen, was dort gesagt worden ist.
Das Ergebnis der Anhörung ist gerade, dass das Kopftuch von sich aus kein religiöses Symbol darstellt. Es ist auch nicht festzustellen, dass Trägerinnen eines Kopftuches grundsätzlich die Werte des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates ablehnen. Das muss man zur Kenntnis nehmen.
Das muss man aber nicht, so, wie Sie es tun. Denn Sie machen trotz der Anhörung weiter wie bisher: Mehrheit ist Mehrheit. Das mag vielleicht bei Themen wie Wohnungswesen oder Studiengebühren gehen, aber bei diesem Thema spielen Sie mit dem Feuer. Sie spielen mit dem Feuer auf dem Weg zu einem laizistischen Staat.
In dem Zusammenhang erinnert mich Ihr Verhalten an „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch. Ein Lehrstück ohne Lehre, heißt es dort. Und dem Brandstiftungswillen des Hausierers Josef Schmitz-Witzel und seines Bekannten Willi Eisenring-Papke kann sich Gottlieb BiedermannRüttgers nicht widersetzen, muss am Ende die Zerstörung hinnehmen.