Protocol of the Session on May 31, 2006

Die alte rot-grüne Bundesregierung, meine Damen und Herren, hat sieben Jahre lang immer wieder vollmundig eine Neuregelung im Fluglärmgesetz angekündigt; eingehalten hat sie diese Versprechungen allerdings nicht. Für die Betroffenen hat dies gravierende Folgen: Die Anwohner in den Einflugschneisen müssen schon viel zu lange darauf warten, dass die gesetzliche Lage an die aktuellen Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung angeglichen wird und sie damit einen modernen und effektiven Lärmschutz erhalten.

Die Flughafenbetreiber müssen schon viel zu lange darauf warten, dass ihnen der Gesetzgeber Wettbewerbsgleichheit sowie Rechts- und Planungssicherheit gibt und sie nicht auf die Urteile der Gerichte im Ausbaufall angewiesen sind.

Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass die neue Bundesregierung jetzt endlich einen Entwurf zur Neuregelung des völlig veralteten Gesetzes in den Bundestag eingebracht hat.

(Beifall von Bodo Wißen [SPD])

Meine Damen und Herren, bemerkenswert ist allerdings, dass der Entwurf 1:1 dem rot-grünen Ressortentwurf aus dem Jahre 2005 entspricht. Damit ist die schwarz-rote Bundesregierung zwar vom Verfahren her ein Stück weiter gekommen als Rot-Grün. Inhaltlich hingegen wiederholt sie den Fehler der Vorgängerregierung.

Der schwarz-rote Entwurf für ein Fluglärmgesetz ist nicht geeignet, einen fairen, angemessenen Ausgleich zwischen den Interessenten- und Eigentumsrechten der betroffenen Anwohner und den Nutzern des Flugverkehrs, den Luftfahrtgesellschaften und den Flughafenbetreibern zu schaffen. Aus Sicht der FDP ist es nicht akzeptabel, dass durch unterschiedliche Grenzwerte Anwohner erster, zweiter und dritter Klasse beim Lärmschutz geschaffen werden sollen.

Anwohner an Militärflughäfen sollen erst bei Grenzwerten geschützt werden, die die Lärmwirkungsforschung einhellig als gesundheitsgefährdend ablehnt. Der Grund liegt offensichtlich wohl darin, dass hier der Bund als Eigentümer den Schallschutz selbst zahlen muss.

Dagegen sind an neuen und auszubauenden Flughäfen die Grenzwerte, ab denen Schallschutzmaßnahmen vorgesehen sind, niedriger als an Bestandsflughäfen. Dabei gehört eine solche Regelung gar nicht in das Fluglärmgesetz. Besondere Vorschriften beim Neu- und Ausbau von Flughäfen sind im Luftverkehrsrecht zu treffen, da sie vorrangig dem Interessensausgleich im Planungsrecht dienen.

Für die Gesundheit der Anwohner ist es am Ende egal, wer den Lärm verursacht: Zivil- oder Militärflughäfen, Bestands- oder Ausbauflughäfen. Wenn es tatsächlich um den Gesundheitsschutz der Menschen geht, müssen gleiche Grenzwerte für alle gelten. Alle Anwohner haben den gleichen Anspruch auf Schutz vor Gesundheitsgefahren.

Was den Antrag der Grünen betrifft, Herr Becker, so werden Sie nun wieder Regelungen ins Spiel bringen, die aus dem früheren Referentenentwurf aus dem Hause Trittin kommen. Diese sind während der siebenjährigen Regierungsbeteiligung der Grünen im Bund ausführlich diskutiert und dann nach unserer Auffassung aus gutem Grund verworfen worden. Das gilt zum Beispiel für die sogenannte 100:100-Regelung als fiktive Berech

nungsgrundlage für die Belastung durch Fluglärm. Solche und andere grüne Vorstellungen dienen nicht einem fairen und angemessenen Interessensausgleich zwischen den Betroffenen und haben deshalb im neuen Fluglärmgesetz nichts zu suchen.

Wie so oft – das wurde auch im Redebeitrag von Herrn Becker deutlich – setzen sich die Grünen für einseitige Interessen ein. Wir dagegen streben einen fairen Ausgleich aller Interessen an. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Wittke das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In einem sind wir uns sicherlich einig: Das aus dem Jahre 1971 stammende und nahezu unverändert gebliebene Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm ist in der Tat novellierungsbedürftig. Es entspricht nicht mehr heutigen Anforderungen an einen angemessenen Lärmschutz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen, Ihre Forderungen aber beinhalten nicht nur fachlich umstrittene Regelungen und Grenzwertsetzungen, sondern sehen auch über das Fluglärmgesetz hinausgehende gesetzliche Regelungen und Verordnungen vor. Diese Anforderungen sind bereits im Entstehungsprozess des vorliegenden Gesetzentwurfes diskutiert und verworfen worden. Eine erneute Diskussion würde lediglich zu vermeidbaren Verzögerungen führen.

Im Hinblick auf die rasche Schaffung von Planungs- und Rechtssicherheit sowie Beschleunigung von Planungsvorhaben darf der Gesetzentwurf in seiner weiteren parlamentarischen Beratung aber nicht unnötig überfrachtet werden. Der Antrag geht dagegen in die gegenteilige Richtung und kann deshalb auch von diesem Parlament nur abgelehnt werden.

Aus Sicht der Landesregierung besteht Klärungsbedarf bei anderen Punkten:

Erstens. Für den Vollzug des Gesetzes sollen künftig die Länder zuständig sein. Das Bundesverkehrsministerium, das Bundesumweltministerium und das bislang mit Vollzugsaufgaben betraute Bundesumweltamt ziehen sich aus der bisherigen Aufgabenverteilung zurück.

Die Bundesländer hatten bisher weder geeignetes Personal vorzuhalten noch die Mittel für die Vollzugsaufgaben in ihre Haushalte einzuplanen. Das fachlich und personell entsprechend ausgestattete Umweltbundesamt gewährleistet einen sachgerechten Vollzug des Fluglärmgesetzes in der Vergangenheit und wird das, wie ich denke, auch in der Zukunft tun müssen. Von daher spricht alles dafür, die Zuständigkeit beim Bund zu belassen.

Zweitens. Die Festlegung der Grenzwerte zur Bestimmung der Schutzzonen für neue oder baulich wesentlich erweiterte Flugplätze. Bei den Schutzzonen für bestehende zivile Flugplätze sollen die anerkannten Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung gelten. Das soll jedoch nicht für neue Flugplätze oder baulich wesentlich erweiterte Flugplätze der Fall sein. Hier wird pauschal ein Abzug von 5 dB(A) bei den Dauerschallpegeln vorgenommen. Das stellt eine klare Benachteiligung von Neu- und Ausbaumaßnahmen dar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Kritik an dem Novellierungsentwurf ist von mir bereits im März 2006 an die in Nordrhein-Westfalen beheimateten Abgeordneten des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages herangetragen worden. Damit, so denke ich, haben wir sichergestellt, dass sie schon im Beratungsverfahren im Bundestag berücksichtigt werden kann. Ich bin zuversichtlich, dass die weiteren Beratungen im Bundestag rasch Planungs- und Rechtssicherheit erbringen werden. Das ist in der Tat dringend notwendig. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Wittke. – Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Antrag nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind.

Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt, sodass wir unmittelbar zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 14/1993 kommen können. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wir kommen damit zu:

9 Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung haben herausragende Bedeutung

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/1941

Ich weise auf den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hin, Ihnen vorgelegt mit der Drucksache 14/2017, und eröffne die Beratung. Als erster Redner ist für die antragstellende Fraktion der CDU der Kollege Solf vorgesehen und hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In der Politik lasse sich nichts bewegen, lautet ein durch manch traurige Erfahrung gestütztes Vorurteil. Die Bretter sind unglaublich dick, die Bohrer dünn, und gerne brechen sie ab. Da ist etwas dran, insbesondere gegen Ende eines langen Sitzungstages. Und doch: Es gibt Gegenbeispiele, ja, es gibt Erfolgsgeschichten. Diese können sogar – schöpfen Sie Hoffnung, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von Rot und Grün – in der Opposition ihren Ausgangspunkt nehmen. Die vorschulische Sprachförderung ist solch ein Beispiel.

Ich kann mich noch gut daran erinnern – es war im letzten Jahrtausend –, dass wir von der CDU immer wieder von den Schulen gesagt bekommen haben, man beobachte eine immer dramatischer werdende Sprachlosigkeit bei den eingeschulten Kindern, und zwar mit und ohne Migrationshintergrund. Die Schule allein sei nicht mehr in der Lage, dieses Problems Herr zu werden; wir sollten uns kümmern.

Das haben wir getan. Dabei mussten wir zunächst lernen, dass der bei uns verbreitete Glaube an das Allheilmittel Familie vielfach zu optimistisch war. Wir haben es gelernt, auch wenn es nicht leicht fiel. Aber dann haben wir Prügel bekommen, Prügel von Rot und Grün. Unsere Warnungen und Anregungen wollten Sie nicht hören. Erst als das Pisa-Debakel nicht mehr länger zu verheimlichen war, kam ein wenig Bewegung in die Sache.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das stimmt nicht!)

Frau Behler – Sie erinnern sich noch – wollte uns entgegenkommen und wurde von ihren eigenen Leuten niedergemacht. Aber immerhin: Es hatte sich etwas bewegt. Im Nachtragshaushalt 2001 gab es, nachdem unsere Anträge jahrelang abgewimmelt worden waren, endlich auch ein kleines,

ein schüchternes finanzielles Zeichen: 610.000 € stellten Rot und Grün für einige wenige Sprachkurse zur Verfügung. Das waren je Kommune 1.500 €. Im Haushalt 2006, den wir zu verantworten haben, haben wir diesen Betrag verdreißigfacht auf 17,65 Millionen €. Wer will jetzt immer noch mäkeln und nörgeln?

Beim Thema der Notwendigkeit, die vorschulische Spracherziehung grundlegend zu verbessern, gibt es heute kaum noch einen Unterschied in den Fraktionen. Selbst die Grünen im Bundestag forderten gestern Sprachtests für alle Vierjährigen. Ich kann nur sagen: Willkommen in der Wirklichkeit!

(Beifall von der CDU)

Im Plenum im letzten November hatten die hiesigen Grünen wesentliche Elemente unseres Koalitionsvertrages aufgenommen. Deshalb habe ich Ihnen gesagt: Das war ein fachlich guter Antrag. Ebenso gefällt mir auch Ihr heutiger Entschließungsantrag. Sogar die SPD ist inzwischen mit im Boot. Zwar ist ein bisschen Spuren -Verwischen dabei, kosmetische Chirurgie an dem leidvollen Versagen in Ihrer Vergangenheit; aber Sie machen mit. Und doch sage ich erneut: Wie viel Tausenden Migrantenkindern hätten wir das Trauma schulischen Scheiterns ersparen können, wenn Rot und Grün eher auf CDU und FDP gehört hätten? Wie viele verlorene Jahre?

(Beifall von CDU und FDP)

Ohne altersgemäße Beherrschung der deutschen Sprache gibt es keine Chancengleichheit. Darum haben wir uns zu kümmern. Es gibt bereits etliche alltagstaugliche Instrumente für die Ermittlung des Sprachstandes bei Vorschulkindern und bei der Einschulung. Auch die Wissenschaft hilft mit ihrer intensiv geführten Diskussion mit, welche Form von Sprachkompetenz im Vorschulalter mit welchen Mitteln angestrebt werden soll.

Erfreulicherweise ist vor wenigen Tagen, wie ich doch hoffe, Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden über das Verfahren der Sprachstandsfeststellungen erzielt worden, und es gibt Vorstellungen, wie die Curricula der Kindertagesstätten und der Grundschulen sinnvoll verzahnt werden können. Demnächst werden wir also zwei Jahre Zeit haben, den Kindern zu helfen, und nicht mehr nur wenige Monate vor der Einschulung.

Ich bin jedenfalls voller Hoffnung, dass das, was vor fünf Jahren als unverbindliche Crashkurse in einigen wenigen Einrichtungen begonnen hat, bald ein flächendeckendes und pädagogisch

nachhaltiges System sein wird. Die Mittel sind bereitgestellt. Es wartet noch Arbeit, aber die ist in ihrem Umfang überschaubar und vor allem sinnvoll, sinnvoll für die Kindertagesstätten, sinnvoll für die Schulen, sinnvoll für die Familien und ganz besonders sinnvoll für die Kinder. Lassen Sie uns bitte den Weg gemeinsam gehen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Solf. – Als nächster Redner hat für die antragstellende Fraktion der FDP der Kollege Lindner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! In Berlin ist vor einiger Zeit eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt worden, die auch veröffentlicht worden ist. Dieser Studie ist zu entnehmen, dass 20 % der Erstklässler, egal, ob sie über Migrationshintergrund verfügen oder nicht, selbst einfachste sprachliche Anweisungen wie „Leg das Buch auf den Tisch!“ oder anderes nicht mehr in Handeln übersetzen können. Die Autoren der Studie der Uni Bielefeld machen dafür die zunehmende Sprachlosigkeit in den Familien verantwortlich, weil mit Kindern eben nicht mehr Austausch gepflegt wird, sondern in Dreiwortsätzen kommuniziert wird. „Iss auf!“ Das sind sogar nur zwei Worte. „Geh ins Bett!“ „Mach das Fernsehen aus!“ Das sind dann einmal vier Worte. So können sich keine sprachlichen Strukturen entwickeln.

Nun wissen wir auf der anderen Seite aber auch, dass es zunehmend Familien mit Zuwanderungsgeschichte in unserem Land gibt; Familien, in denen zudem immer seltener Deutsch gesprochen wird. Aber dort gibt es die gleichen Probleme wie in deutschen Familien, nur eben dann mit Türkisch als Muttersprache. Das potenziert die Sprachentwicklungsdefizite gerade dieser Kinder, und das reduziert die Möglichkeiten dieser Kinder, Anschluss an den Schulunterricht zu finden.

Deshalb hat diese Koalition – der Kollege Solf hat darauf hingewiesen – entschieden, dass zukünftig im vierten Lebensjahr der Sprachstand von deutschen Kindern und von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte untersucht werden soll. Wir wollen anschließend verbindliche Sprachfördermaßnahmen.

Wir sind in der Verlegenheit, dass wir zunächst nur Programme der Vorgängerregierung fortsetzen konnten, nämlich die sogenannten Crashkurse. Der zuständige Fachminister hat sehr treffend darauf hingewiesen, dass man mit Crashkursen

vielleicht Manager in der Sprachentwicklung schulen kann, dass das bei Kindern aber ein am Ende des Tages nicht erfolgreiches Unterfangen ist.

Deshalb hat die Koalition von Union und FDP entschieden und angekündigt, dass wir in der Zukunft die Sprachförderung in die Regelförderung des neuen Kindergartengesetzes überführen wollen. Wir wollen es nicht mehr abhängig machen von Größen von Kindergartengruppen, sondern wollen es beschreiben als eine der Standardaufgaben, der sich jede Kindertageseinrichtung und jedes Familienzentrum stellen soll.