Protocol of the Session on May 17, 2006

Bitte sehr, Herr Dr. Horstmann.

Herr Kollege Priggen, nachdem Sie zutreffend vorgetragen haben, wie lange beispielsweise das Gaskraftwerk in Hürth dieses Haus schon beschäftigt hat – Sie haben von sechs Jahren gesprochen –, und Sie stets zu denen gehörten, die ein widerspenstiges Energieministerium in Nordrhein-Westfalen dafür verantwortlich machten, dass es immer noch gebaut ist, frage ich: Wie erklären Sie nach diesen sechs Jahren, dass dieses Kraftwerk nun immer noch errichtet ist? Sie werden das doch nicht ernsthaft auf die Diskussion über den nationalen Allokationsplan II im Jahr 2006 zurückführen wollen.

Sie sind falsch informiert, Herr Kollege Horstmann. Das Kraftwerk ist im Bau. Ministerpräsident Dr. Rüttgers hat das Grußwort zur Grundsteinlegung gehalten. Ich war als Gast der Norweger bei der Veranstaltung. Die Baustelle läuft. Es handelt sich um ein Kraftwerk mit einer Siemens-Turbine. Es ist also im Bau. – Das ist das Erste.

Das Zweite ist: Wir beide wissen ganz genau, der Kollege Adamowitsch, damals Chef der Staatskanzlei und jetzt in Berlin wieder an der gleichen unseligen Stelle tätig, war derjenige, der damals die Engländer aus der Staatskanzlei hinausgewor

fen hat. Sie sind in den Landtag gekommen und haben gesagt: Hört einmal, wir bringen 500 Millionen € mit und wollen diese investieren. Nicht ein Euro Zuschuss ist nötig. Warum werft ihr uns hinaus? Warum lasst ihr uns hier nicht tätig werden? – Adamowitsch hat denen sehr klar gesagt: Wir wollen euch hier nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist Braunkohlengebiet. Hier kommt ihr nicht zum Zuge.

Zum Glück ist es letztendlich so gekommen, dass die Norweger es übernommen haben und es jetzt gebaut wird. Aber genau die gleiche Diskussion wie in diesen sechs Jahren kommt jetzt durch die Hintertür wieder in der Stundenzuteilung zum Tragen. Herr Kollege Fehring, deshalb ist es eine Enttäuschung, dass Sie das Geschäft mitmachen.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Nein, ich unterstelle Herrn Fehring nicht, dass er für Herrn Adamowitsch tätig ist. Aber anstatt Wettbewerb zuzulassen und neue Firmen in den Markt zu holen, macht man das Geschäft der Wettbewerber. Das bedauere ich. Das ist kein positives Ergebnis für das Land. Diese vier Firmen sind hinausgegangen, haben sich dazu geäußert und gesagt: Uns wird die Basis entzogen, wir können nicht weiter investieren, wenn so vorgegangen wird.

Warum machen Sie es? – Mir leuchtet es nicht ein. Ich bitte Sie, die Position noch einmal zu überdenken. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Als nächster Redner hat Kollege Brockes für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist von dem CO2 -Zertifikatehandel stärker betroffen als jedes andere Bundesland. NRW ist nicht nur der bedeutendste Kraftwerkstandort innerhalb der Bundesrepublik, sondern beheimatet zugleich den größten Teil der energieintensiven Bereiche der deutschen Wirtschaft.

Darüber hinaus ist man im rheinischen Braunkohlenrevier in der Lage, durch einen Rückgriff auf den einzigen subventionsfreien heimischen Energieträger einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit im gesamten Bundesgebiet zu leisten. Deshalb muss es im ureigenen Interesse unseres Landes sein, dass sich zum einen die

Rahmenbedingungen für anstehende Investitionen in hocheffiziente Kraftwerke am Standort Nordrhein-Westfalen durch den EU-weiten Zertifikatehandel nicht verschlechtern und zum anderen Arbeitsplätze in den energieintensiven Betrieben nicht gefährdet werden.

Aus Sicht der Landtagsfraktion der FDP wird der Entwurf des NAP II diesen Erfordernissen nicht zuletzt dank des Einsatzes der Wirtschaftsministerin gerecht.

Herr Kollege Römer, Sie haben es eben auch angesprochen. Ich bin sehr zufrieden, dass wir diesen Antrag heute mit dieser breiten Mehrheit verabschieden werden. Sie können sicher sein, dass wir seitens der FDP- und der CDU-Fraktion auch zukünftig gerne bereit sind, gemeinsame Positionen zu verfestigen, wo wir diese haben. Ich möchte nicht so verfahren, wie es in der Vergangenheit, die ich in der Opposition mitgemacht habe, leider häufig der Fall war, als alles, was von der Opposition kam, direkt als schlecht abgewiesen wurde.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das stimmt gar nicht, Herr Brockes! – Dr. Axel Horstmann [SPD]: Es kommt ein bisschen auf die Quali- tät an!)

Wir werden uns auch zukünftig die Mühe machen, bei den einvernehmlichen Punkten gemeinsame Positionen zu beziehen.

Meine Damen und Herren, die Behauptung der Grünen, moderne Gaskraftwerke würden durch diesen Entwurf benachteiligt und somit Wettbewerb in der Energieerzeugung verhindern, erfordert meines Erachtens eine differenzierte Betrachtung. Zum einen gilt es festzustellen, dass es sich auf der Stufe der internationalen Gaslieferanten um ein enges Oligopol handelt. Als Konsequenz aus dieser Angebotskonstellation folgt, dass es sich um einen Verkäufermarkt handelt, Herr Kollege Priggen. Hieraus ergibt sich folglich eine Marktsituation, bei der die Marktmacht auf der Seite der Verkäufer liegt. Somit diktiert der Verkäufer den Preis und die Konditionen.

Herr Kollege Priggen, nun denken wir einmal nach vorne. Was würde in einem solchen Markt passieren, wenn wir Ihrer Forderung nachkommen würden? Die Betreiber von Gaskraftwerken würden auf der Basis von 7.000 Betriebsstunden Zertifikate erhalten. Werden die Gaskraftwerke unterhalb dieser Grenze betrieben, erhalten die Betreiber Windfall Profits. Unabhängig hiervon verbessert sich die Wirtschaftlichkeit der gasbasierten Stromerzeugung.

Den großen internationalen Gaslieferanten wie etwa der staatlichen Statoil oder Gasprom wird dabei nicht entgehen, dass ihr Gas frei Kraftwerkstandort in dieser Situation mehr wert ist.

Herr Kollege Brockes, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Priggen?

Ich möchte gerne die Argumentationslinie zu Ende fahren. Wenn dann noch Zeit ist, gerne.

Also werden sie ihre Marktmacht ausspielen und ihren Abnehmern im Bereich der Verstromung in Nachverhandlungen größere Grenzübergangspreise abringen.

Wir halten fest: Eine großzügigere Ausstattung mit Zertifikaten würde um keinen Jota die Angebots- und Wettbewerbssituation der Betreiber von Gaskraftwerken verbessern. Nutznießer wären stattdessen der norwegische und der russische Staat, also Anteilseigner der großen Gaslieferanten, deren Staatskassen auf Kosten der deutschen Stromverbraucher überquellen würden.

Herr Kollege Priggen, ich möchte Sie an dieser Stelle an den Arbeitsauftrag unserer Enquetekommission erinnern. Hierbei ist es meines Erachtens Ihr Anliegen, den Auswirkungen stark steigender Öl- und Gaspreise nachzugehen. Ich habe Sie bislang immer so verstanden, dass Sie für die Zukunft ein solches Szenario erwarten. Darum, Herr Kollege Priggen, sollten Sie selbst einmal die Frage stellen, ob unter diesen Voraussetzungen Investitionen in Gaskraftwerke überhaupt verantwortlich wären.

Habe ich noch Redezeit?

Ihre Redezeit ist bereits beendet, Herr Brockes.

Dann komme ich zum Schluss, Frau Präsidentin.

Ich bedanke mich dafür, dass wir in Zusammenarbeit von drei Fraktionen eine gemeinsame Position gefunden haben, die aus meiner Sicht gut für dieses Land ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes.

Bevor ich für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort gebe, möchte ich einen Hinweis aus aktuellem Anlass geben: Wenn hier im Ple

narsaal Mobiltelefone beigeführt werden – das ist kein Problem –, dann würde ich darum bitten, diese auf lautlos zu schalten, weil auch der Eingang von Kurzmitteilungen sonst für alle Kolleginnen und Kollegen leicht nachvollziehbar ist. – Vielen Dank.

Frau Ministerin Thoben, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Landesregierung bekennt sich ausdrücklich zum Industrieland Nordrhein-Westfalen und nimmt die Belange der heimischen Industrie wie auch den Umweltschutz sehr ernst. Diese Eindeutigkeit gab es nicht immer. Der gemeinsame Antrag von CDU, SPD und FDP ist Ausdruck dafür, dass zwischen den wichtigsten Fraktionen Einigkeit besteht.

Bereits das NRW-Positionspapier, das seit Mitte Dezember in Berlin vorliegt, hat sich voll in unserem Sinne auf die Aufstellung des NAP II ausgewirkt. Für die Aufstellung des Nationalen Allokationsplans II wurden in dieser Landesposition zahlreiche Anforderungen gestellt, eben in Wahrnehmung unserer industrie- und beschäftigungspolitischen Verantwortung plus Klimaschutz. Über dieses Positionspapier habe ich berichtet; es wurde dem Parlament zur Verfügung gestellt. Ich nenne die von mir vorgeschlagene De-Minimis-Regelung, die kleine Anlagen mit unter 25.000 t CO2 jährlich vom Emissionshandel befreien soll. Diese Regelung ist auf nationaler Ebene durch die wegfallende Minderungsverpflichtung für Kleinanlagen leider nur teilweise umgesetzt. Große Bürokratieteile wie Zertifizierung und Monitoring bleiben vorerst bestehen. Hier müssen wir auf weitere Vereinfachungen drängen. Die notwendige Änderung der EU-Richtlinie konnte in der Kürze der Zeit nicht durchgesetzt und verwirklicht werden. Daran arbeiten wir aber weiter. In Gesprächen mit der Kommission konnte eine Änderung im Sinne einer vollen Entlassung der Kleinanlagen aus dem Emissionshandel für 2009 in Aussicht genommen werden.

Der wichtige Vorschlag Nordrhein-Westfalens für Ersatzkraftwerke sieht darüber hinaus eine Übertragung der Emissionsberechtigungen des Altkraftwerks für zunächst vier Jahre und dann eine 14-jährige Vollausstattung des neuen Kraftwerks mit Emissionsberechtigungen vor. Hier wurden im Entwurf des NAP II vier und zehn Jahre erreicht.

Das NRW-Positionspapier trägt das Wort „wachstumsorientiert“ im Titel. Das bedeutet eine Vorhaltung einer Wachstumsreserve an Emissionszerti

fikaten. Das betrifft die Kalk- und Zementindustrie, die bei den Bestandsanlagen noch Produktionsreserven haben, Mehrkosten aus dem Kauf zusätzlicher Zertifikate jedoch nicht weitergeben können. Es würde Arbeitsplätze kosten, wenn wir auf ein solches Problem nicht eingehen würden.

Historische Zahlen als Bemessungsgrundlage, wie im NAP I geschehen, werden im NAP II nicht mehr benutzt. Dort wird sehr stark von Standardbenutzungsdauern geredet, die aber, Herr Priggen, im Gegensatz zu dem, was Sie vortragen, noch nicht quantifiziert sind. Die Landesregierung wird zusammen mit dem Bund bis Ende Mai eine Verständigung darüber suchen. Wir bleiben mit unseren Ideen, Vorstellungen und Wünschen also am Ball.

Der gemeinsame Antrag der Landtagsfraktionen ist Bestätigung und Ansporn für uns, auf diesem Weg weiterzugehen. Namens der Landesregierung danke ich für die Unterstützung durch das Parlament.

Zum Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Der neue Entwurf des Nationalen Allokationsplans II setzt in Abkehr vom bisherigen Verfahren der „Expost-Korrektur“ Standardbenutzungsstunden für Kraftwerke an. Dies ist erforderlich, weil die EU-Kommission nachträgliche Anpassungen ablehnt, um den Zuteilungsmarkt in der zweiten Handelsperiode besser zu entwickeln. Sie nennen in Ihrem Antrag willkürlich Stundenzahlen, die angeblich von Berlin festgelegt seien. Das ist nachweislich bisher nicht erfolgt. Dies wird erst nach Schluss der Anhörungsfrist geschehen. Diese läuft bis zum 30. Mai. In Brüssel hat uns im persönlichen Gespräch die Kommission zugesichert, dass jeder Stundenwert von der Kommission, wenn er wohl begründet ist, akzeptiert wird.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Michael Vesper)

Der Entschließungsantrag enthält keinen einzigen Gesichtspunkt, den wir nicht bei Ihren Überlegungen zur Festsetzung der Standardbenutzungsstunden berücksichtigen werden. Zahlreiche Gespräche mit unterschiedlichen Fachleuten in Brüssel, Berlin und Düsseldorf sind dazu geführt worden und werden noch geführt.

Meine Damen und Herren, gestern hat eine mündliche Anhörung der Länder stattgefunden. Es gibt bisher die Festlegungen, von denen Sie gesprochen haben, nicht. Wir werden sehr wohl darauf achten, dass das, was wir an Kraftwerkserneuerungsprogrammen hier im Land erwarten, nicht durch eine unzulängliche Zuteilung von

Standardbenutzungsstunden konterkariert wird. Die Gespräche dazu führen wir.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe deswegen die Beratungen.