Protocol of the Session on May 4, 2006

(Beifall von den GRÜNEN)

Alle Praktikerinnen und Praktiker – sogar das Deutsche Jugendinstitut – sagen, dass wir mehr Ressourcen für die Kindertagesstätten brauchen, um diesen zukünftigen Aufbau der Familienzentren auch leisten zu können.

Bei der Familienbildung geht es weiter. Auch sie soll ein Baustein der Familienzentren werden. Auch hier wird gekürzt. Lebenslanges Lernen – Fehlanzeige! Bessere Erreichbarkeit für bildungsferne Schichten – Fehlanzeige! Es ist sogar so, dass immer weniger Familien in der Lage sind, die Angebote wahrzunehmen. Die armen Familien können sie sich nämlich überhaupt nicht mehr leisten, da die Beiträge ständig steigen, damit die Angebote überhaupt aufrechterhalten werden können.

Kommen wir zum dritten Bereich: der Familienberatung. Sie soll niedrigschwelliger werden. Mehr Familien sollen erreicht werden. Immerhin hat der Herr Minister in den Ausschussberatungen verstanden und zugegeben, dass dann selbstverständlich auch die Fallzahlen steigen und man mehr Personal braucht.

(Zuruf von Michael Solf [CDU])

Herr Solf, schauen Sie sich einfach die Wartelisten an – Sie kennen das –, die wir in den Familienberatungsstellen jetzt schon haben. Das heißt, sie müssen nicht nur die Kürzungen verkraften, die ihnen durch die Landespolitik zugemutet werden, sondern auch diejenigen, die sie durch die kommunale Finanzierung schon jahrelang zu erleiden haben. Herr Lindner, auch deswegen haben Sie vorgestern auf dem Podium Buhrufe geerntet, als Sie vorgeschlagen haben, die Kommunen mögen jetzt, da die Finanzierung vonseiten des Landes ausbleibt, einsteigen und mehr für die Familienberatungsstellen drauflegen. Das ist realitätsfern, und das wissen Sie genau.

Herr Minister Laschet, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen: Wenn Sie wollen, dass die Familienzentren nicht zu Rohrkrepierern, sondern wirklich zu einem Erfolg werden, sorgen Sie dafür, dass alle Bereiche – Betreuung, Kindertagesstätten, Familienbildung und Familienberatung – finanziell gut ausgestattet werden. Nehmen Sie Ihre Kürzungen in vollem Umfang zurück. Sonst machen Sie die gute Idee der Familienzentren kaputt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es gibt weitere Ankündigungen der Landesregierung, auf deren Umsetzung wir vergeblich warten. Das ist schon angesprochen worden: Es handelt sich um die Betreuungsplätze, um die Infrastruktur für die unter Dreijährigen, also für die Kleinen. Wir wissen genau – auch der Herr Minister weiß es genau, weil er es von hier aus bei verschiedenen Gelegenheiten formuliert hat –, dass den Familien hier der Schuh am meisten drückt.

Das ist notwendig. Wir führen bundesweit eine Diskussion über das Elterngeld. Wir wissen aber genau, dass die Eltern den Bedarf bei der Betreuung haben. Sie wollen wissen, wo sie ihre Kinder betreuen lassen, wenn sie nach einem Jahr Pause wieder ihrer Berufstätigkeit nachgehen. In dem jetzigen System haben wir eine Lücke, die zwei Jahre umfasst. Dort muss nachgebessert werden. Wir brauchen einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz, und wir brauchen auch eine gute Ausstattung, damit die Kommunen und die Kindertagesstätten hier mehr Plätze ausbauen und schaffen können. Das können sie jedoch nicht, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht.

Trotz aller Beteuerungen haben Sie von den Mehrheitsfraktionen die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Oder, was noch schlimmer ist: Sie streichen wider besseres Wissen bei den Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft. Diese Zukunftsaufgabe heißt, bessere Bedingungen für Kinder und Familien zu schaffen. Sie sägen mit Ihrer Politik den Ast ab, auf dem wir alle sitzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch die geringen Summen – diese Trostpflästerchen –, mit denen jetzt nachgebessert wird, und alles Schönreden nützen nichts. Das, was Sie da machen, ist reine Kosmetik.

Nehmen wir uns einmal diese 40 Millionen € vor. Dass das Sonderprogramm, das mit 23 Millionen € ausgestattet ist, überhaupt nicht abgerufen werden kann, weil es nur ein halbes Jahr zur Verfügung steht, ist schon vermehrt gesagt worden.

(Christian Lindner [FDP]: Können Sie einmal die Förderrichtlinien erläutern?)

Herr Lindner, Sie haben 40 Millionen € zusätzlich zur Verfügung gestellt. 10 Millionen € gehen in diese genannte Bugwelle. Das heißt, das sind Altlasten. Die hätte der Herr Minister, wenn er den Haushalt auf seriöse Weise aufgestellt hätte, im Grunde schon berücksichtigen müssen. Die können wir also schon einmal abschreiben. Dann ist Ihnen ein bisschen zu spät aufgefallen, dass das Kindergartenjahr einen Monat länger dauert. Auch das ist ein grober handwerklicher Fehler.

Es bleiben also 23 Millionen € für das Sonderprogramm übrig, von dem hier alle wissen, dass es niemals abgerufen wird. Ich kann Ihnen sagen, dass ich meine Kleine Anfrage jetzt schon vorbereite und wir am Ende des Jahres sehen werden, wie viel von diesem Geld den Trägern tatsächlich zugute kommt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Kollegin Asch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lindner?

Ja, gern, Herr Lindner.

Vielen Dank, Frau Asch. – Da Sie hier infrage gestellt haben, dass das 23Millionen-€-Sonderprogramm verausgabt werden könnte, möchte ich Sie fragen, ob Sie dem Parlament die Förderrichtlinien dieses Sonderprogramms erläutern könnten, damit wir alle nachvollziehen können, wie Sie zu dieser Meinung kommen.

Herr Lindner, Sie sind ja eigentlich ein alter Hase in dem Geschäft. Das Interessante ist: Die Richtlinien müssen jetzt Sie machen. Wir haben nachgefragt, nach welchen Kriterien das vergeben wird. Da kam überhaupt nichts. Offenbar müssen Sie das erst stricken.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich habe das Sonderprogramm nicht gemacht, Herr Lindner, sondern, mit Verlaub, Sie haben das gemacht. Ich hätte, wenn ich etwas dazu getan hätte, das mit einem Gesamtansatz ausgestattet und nicht mit irgendwelchen dubiosen Sonderprogrammen, von denen Sie genau wissen, dass sie niemals dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Das zu Ihrer Frage.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Perfide an diesem Sonderprogramm ist, dass Sie hinterher wieder genauso argumentieren werden, wie der Minister es eben beim Jugendförderplan gemacht hat: Die Gelder werden nicht gebraucht; sie sind ja gar nicht abgerufen worden. – Damit schaffen Sie aus Ihrer Machtposition heraus eine Realität, die diejenigen, die die Arbeit vor Ort machen, dann ausbaden müssen.

Sie bemühen immer wieder – das ist vorhin ja auch wieder von Frau Doppmeier und Frau Kastner gemacht worden – das stereotype Argument, Sie müssten den Haushalt für die nachfolgenden Generationen sanieren.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Ich muss Ihnen sagen: Als Grüne wird mir, wenn ich das aus Ihrem Mund, vor allem aus dem Mund der FDP höre, speiübel. Das ist ein Grundsatz, der von uns Grünen immer wieder formuliert wird. Der verkommt bei Ihnen zur reinen Rhetorik und wird von Ihnen instrumentalisiert für Ihre falsche Politik der Kürzungen.

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch bei CDU und FDP)

Wenn Sie sich um die Zukunft sorgen würden, dann würden Sie tatsächlich auch mit den Folgekosten Ihrer Politik rechnen. Denn Sie wissen genau, dass Sie mit diesen Kürzungen zukünftige Haushalte und damit genau diese Zukunft belasten. Ich lese Ihnen dazu etwas vor, was Herr Rüttgers gesagt hat, als er noch Oppositionspolitiker hier im Hause war. Er hat das nämlich genauso gesehen. Er hat im Jahre 2004 gesagt:

Wer heute bei Kindern und Jugendlichen kürzt, muss morgen in Heimerziehung und Gefängnisse investieren.

Genau das ist die Wahrheit. Recht hatte er, der Mann.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber wie schon beim Landesjugendplan gilt das für die gesamte Politik der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen: Sie erheben quasi den Wortbruch zur sportlichen Disziplin, und Sie haben gute Chancen, sich dabei um den Weltmeistertitel zu bewerben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Rüttgers aus dem Jahre 2004:

„Wer bei Kindern und Jugendlichen kürzt, spart konzeptionslos, weil er an der Zukunft des Landes spart.“

Meine Damen und Herren, Jürgen Rüttgers’ Aussage gilt auch heute noch. Er hat sich damit sein eigenes Urteil ausgestellt: Sie agieren hier konzeptionslos. Sie wollen Nordrhein Westfalen zum kinderfreundlichsten Land in der Bundesrepublik machen. Ich fordere Sie auf, Herr Rüttgers und Herr Laschet: Fangen Sie doch endlich damit an! Das erste Jahr Ihrer Regierungstätigkeit war in dieser Hinsicht ein Fehlstart auf der ganzen Linie.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Als nächster Redner hat für

die Fraktion der FDP der Kollege Lindner das Wort.

(Hannelore Kraft [SPD]: Jetzt räumen Sie doch mal ein, dass Sie mehr wollten, Herr Lindner!)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich habe ja Verständnis für eine sportliche Auseinandersetzung hier im Plenum. Ich habe auch Verständnis dafür, dass Sie kritisieren, dass die Regierungsfraktionen einen strategischen Perspektivwechsel von der Jugendhilfe hin zur Schulpolitik vollzogen haben und dass wir deshalb etwa im Bereich des Landesjugendplans nicht die Gelder bereitstellen können, die wir vor der Landtagswahl als Jugendhilfepolitiker für sinnvoll und erforderlich gehalten hätten.

Dafür habe ich volles Verständnis. Aber Sie überziehen so stark, auch in dieser Haushaltsberatung, dass Sie nicht einmal mehr im Ansatz fachlich argumentieren.

(Beifall von der CDU)

Ich will Ihnen das am Beispiel des Landesjugendplans einmal belegen. Sie fallen hinter Ihren eigenen Kenntnisstand zurück. Sie hatten als Regierungsfraktionen immer auf den Zusammenhang von Schule und Jugendhilfe hingewiesen. Jetzt in der Opposition betrachten Sie beide Bereiche, die beide Kindern und Jugendlichen zu Gute kommen, völlig isoliert.

(Britta Altenkamp [SPD]: Nein!)

Das, was im Bereich der Schule an Mehrausgaben geleistet wird, lassen Sie unerwähnt, wenn es jetzt um Konsolidierungsbeiträge im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik geht.

(Beifall von FDP und CDU – Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Das ist nicht seriös. Man kann das ja bis in die Entwicklung des Landesjugendplans hinein verfolgen. Sie haben 96 Millionen € versprochen. Ob sie in den Haushalt eingesetzt worden wären, weiß heute niemand. Aber Sie haben 96 Millionen Euro versprochen.