Protocol of the Session on May 3, 2006

Ich möchte noch auf zwei andere Bereiche eingehen. Bei der Altenpflegeausbildung haben wir wieder den Standard, der sich quer durch den Haushalt zieht: „versprochen – gebrochen“. Das machen Sie überall. Hier haben Sie 1.000 zusätzliche Altenpflegeausbildungsplätze versprochen. Die Altenpflegeausbildungsplätze gibt es in dieser Form nicht, weil es die Praktikumsplätze nicht gibt.

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Das wussten Sie vorher; deswegen konnte man solche Versprechen machen. Jetzt setzen Sie noch eins obendrauf und gehen mit der Summe der Finanzierung pro Platz herunter. Es ist schon

heute klar, dass deswegen Fachseminare schließen müssen,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Schließen!)

weil sie mit dieser Finanzierung keine adäquate qualifizierte Ausbildung vollziehen können. Es sind gute Seminare, die schließen werden. Damit werden wir einen noch größeren Fachkräftemangel in Nordrhein-Westfalen haben. Gerade die CDU-Fraktion hat früher immer den Fachkräftemangel im Altenpflegebereich gegeißelt. Jetzt potenzieren Sie ihn im Vergleich zu dem, was wir in der Vergangenheit hatten.

Noch ein Beispiel, worüber in der Vergangenheit geredet und zu dem den Menschen das Blaue vom Himmel versprochen worden ist. Jetzt machen Sie eine Politik, bei der die Leute verdammt hart aufschlagen: Das sind neue Wohnformen im Alter und Wohnberatung.

Wir hatten eine Enquetekommission und übereinstimmend Ergebnisse – ein Buch, das überall in der Bundesrepublik gelobt wird. Statt diese Inhalte umzusetzen, steuert die Landesregierung in eine andere Richtung und sagt: Das soll irgendwer anderes machen.

Ein letzter Punkt, der mich am Ende Ihrer Rede heftig irritiert hat: Müssen wir denn alles finanzieren, was wünschenswert ist? Muss denn wirklich alles finanziert werden, oder kann das nicht vielleicht auch ehrenamtlich passieren?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja!)

Die Menschen in diesem Land leisten außerordentlich viel ehrenamtlich. Bei ihnen wird im Haushalt sowieso an allen Stellen gekürzt, weil das Ehrenamt Ihnen keinen Euro wert ist. Nun darüber zu reden, ob nicht noch mehr ehrenamtlich geleistet werden kann, finde ich zynisch.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist eine Frechheit!)

Ich möchte zum Schluss noch einen Satz des geschätzten Kollegen Henke, eine Bewertung des letzten Haushaltes zitieren. Herr Henke sagte damals, der Haushalt sei ein haushaltspolitisches Desaster für die Sozialpolitik in NRW. Ich kann nur sagen: Das haben Sie jetzt um ein Vielfaches übertroffen, Herr Henke. Das hier ist mehr als ein sozialpolitisches Desaster. „Viel versprochen – viel gebrochen“ ist Ihre Sozialpolitik in NordrheinWestfalen. Ich hoffe, dass die Menschen das nicht allzu lange mitmachen müssen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächster Redner hat Kollege Dr. Romberg für die Fraktion der FDP das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kollegen! Herr Schmelzer, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sollte höchstes politisches Ziel sein. In der Hinsicht sind wir völlig d'accord. Die Frage ist nur, ob wir hier in Nordrhein-Westfalen solitär Arbeitsmarktpolitik machen können, um Menschen in Arbeit zu bringen? Oder sind wir auf Voraussetzungen aus Berlin angewiesen?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Auch!)

Wenn man die Arbeitsmarktsituation in NordrheinWestfalen beurteilt, wäre es schon wichtig, beide Faktoren zu berücksichtigen. Ich denke, bei den Berliner Faktoren kommt erschwerend hinzu, dass sich der Arbeitsmarkt noch nicht ausreichend mit Leben erfüllt hat. Wenn man bedenkt, dass das Problem der ineffizienten Arbeitsvermittlung noch nicht angepackt worden ist, dass Millionen Euro vergeudet werden, ohne das Menschen in Arbeit kommen, dass andere Strukturen wie die private Arbeitsvermittlung immer noch ein Schattendasein führen, dass Leiharbeitsfirmen verteufelt werden, obwohl sie einen guten Weg darstellen, um Menschen wieder in Arbeit zu bringen, muss man zu dem Schluss kommen, dass all das mit beurteilt werden sollte, wenn wir über Arbeitsmarktpolitik sprechen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das muss man auch beurteilen, wenn man vollmundig etwas anderes ankündigt!)

Es stimmt nicht, dass ich hier vollmundig irgendetwas anderes angekündigt habe, Herr Kollege Schmeltzer.

Sie haben von einer Phase der Wirtschaft gesprochen, die hoffnungsvoll stimmt. Wenn das Wirtschaftswachstum, das die Bundesregierung jetzt auf 1,6 % schätzt, wirklich die Hoffnung ist, die wir in den Arbeitsmarkt setzen, dann ist das zu wenig ehrgeizig. Wenn man bedenkt, dass im europäischen Umland ein Wirtschaftswachstum von 3 %, in den Vereinigten Staaten von über 5 % zu verzeichnen ist, dann wird deutlich, dass der negative Abstand, den wir haben, immer weiter zunimmt. Dieses Problem haben wir und auch das Problem, dass Millionen Menschen hier nicht in Arbeit kommen. Das muss sich ändern. Wir müssen den Arbeitsmarkt in Düsseldorf fit machen,

genauso in Berlin. Dafür tragen Sie auch Mitverantwortung.

Jetzt ist eine Mehrwertsteuererhöhung geplant, die auch Sozialdemokraten vehement einfordern. Herr Steinbrück, der in Nordrhein-Westfalen einmal ein hoher Würdenträger war – das ist noch gar nicht so lange her –, setzt sich jetzt vehement für die Mehrwertsteuererhöhung ein. Glauben Sie ja nicht, dass das eine soziale Politik ist.

(Beifall von der FDP)

Die Mehrwertsteuererhöhung trifft Menschen, die wenig Einkommen haben und die sich bestimmte Luxusgüter nicht mehr leisten können, wenn zusätzlich 3 % erhoben werden.

(Zuruf von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Ich würde in diesem Zusammenhang gerne deutlicher die Stimme der nordrhein-westfälischen SPD hören. Befürworten Sie diese Mehrwertsteuererhöhung auch so vehement, wie es Herr Steinbrück tut? Oder sind Sie da gespalten?

Wir haben das Problem, dass die Menschen für den Arbeitsmarkt zu wenig qualifiziert sind. Das Problem, dass die Bildungsabschlüsse nicht das notwendige Niveau und viele Menschen keinen Abschluss haben, ist über Jahre entstanden. Auch da setzt der neue Haushalt andere Schwerpunkte. Es wird vermehrt in Bildung investiert; neue Lehrer sind eingestellt worden. Man muss frühzeitig anfangen, statt nachher zu reparieren, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Es ist unkluge Politik, immer nur den Schaden zu begrenzen.

Man muss den Menschen die Möglichkeit geben, sich zu bilden und zu qualifizieren, um dann eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Das werden wir anders machen. Es dauert natürlich eine gewisse Zeit, bis wieder ein vernünftiges Bildungsniveau an nordrhein-westfälischen Schulen erreicht wird. Auch das ist Sozialpolitik. Hoher Bildungsstand ist wichtig, um nachher in der Gesellschaft seinen Platz zu finden. Da sind wir, wie ich denke, völlig d’accord.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Deswegen wird das neue Bildungssystem von allen so defini- tiv bekämpft: Lehrerverbänden, Schülerver- bänden, Elternverbänden!)

Veränderungen werden immer bekämpft. Hier wurde vieles immer auf demselben Stand gehalten. „Da könnte ja jeder kommen“, war das Argument. Es wurde gesagt: Das hatten wir immer schon, deswegen ist das gut.

Neue Wege brauchen Mut, Bewegung und Flexibilität. Da sollte man auch Zeit und Geduld haben, die Ergebnisse abzuwarten. Ich bin sicher, dass die Ergebnisse gut sind.

Frau Kollegin Steffens, die Grünen haben in den letzten zehn Jahren mitregiert. In Ihrer Rede hatte ich den Eindruck, als würde das ausgeblendet, als wäre die Situation in diesem Land von den Grünen überhaupt nicht mit zu verantworten.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Dieser Haushalt ist der erste, für den wir Verantwortung tragen. Die Erblast von 111 Milliarden € hat uns Rot-Grün übergeben.

(Beifall von der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Da war er wieder, der Redebaustein!)

Wenn ein Arbeits- und Sozialhaushalt auf Landesebene aufgestellt wird, ist entscheidend, wie viele Mittel man zur Verfügung hat. Das gänzlich auszublenden und zu sagen, jetzt würden die Prioritäten falsch gesetzt, ist nicht nachvollziehbar.

Hinsichtlich der 2 Millionen € übrigens, die im Nachtrag von den Koalitionsfraktionen aus der Arbeitsmarktpolitik umgeschichtet worden sind, haben wir die Prioritäten anders gesetzt. Wir haben argumentiert: Dieses Geld ist im Bereich Kinder wichtiger als in der Arbeitsmarktpolitik. – Dazu stehe ich auch; das vertrete ich offensiv. Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Diese Priorität setzen wir aber so.

(Zurufe von der SPD)

Es ist gut, dass Minister Laumann in der Arbeitsmarktpolitik bei den Arbeitsmarktinstrumenten, die die Landesregierung eingesetzt hat, versucht, auch außerhalb des Landeshaushaltes nach Geldquellen zu schauen. Dass EU-Mittel eingeflossen sind, ist wichtig; sonst wären viele Programme nicht mehr finanzierbar gewesen.

Das Werkstattjahr zum Beispiel ist ein jetzt anlaufendes Instrument, das gerade jungen Menschen, die bisher keine Chance hatten, eine Chance gibt. Das ist ein wichtiges Instrument, das leider nur mithilfe von EU-Mitteln möglich ist.

Dasselbe gilt für ältere Menschen mit Behinderungen, die integriert werden müssen. Auch das ist heute nur noch mit EU-Mitteln möglich. Es ist gut, dass die Landesregierung auf diese Mittel zurückgreift.

Weiteres Beispiel sind die Bildungsschecks. Wir haben eben gesagt: Qualifizierung und Bildung sind wichtig. Auch die Weiterbildung, insbesondere die berufliche Weiterbildung ist ein Instrument,

um das Bildungsniveau zu steigern, um die Chancen von Arbeitnehmern auf ihrem weiteren Berufsweg möglichst gehaltvoll zu unterstützen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wie sieht es denn mit der Kofinanzierung aus?)

Es ist auch nicht so, dass im Bereich der Pflege jetzt alles kaputt gespart oder der Sozialstaat getötet würde. Das sind Vokabeln, die zurzeit zu hören sind.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Die sind hier gar nicht gefallen!)

Im Landeshaushalt werden nach wie vor viele wichtige Projekte gefördert, die das Sozialgefüge mit erhalten, beispielsweise die Weiterentwicklung von ambulanten Hilfen für Menschen mit eingeschränkten Alltagskompetenzen. Diese werden unverändert fortgeführt. Im Bereich Wohnen bleiben die Wohnberatungsstellen, Frau Steffens, voll erhalten. Auch in diesem Zusammenhang haben Sie gerade behauptet, da werde etwas kaputt gemacht; das ist so nicht richtig.

Auch die Förderung bei der Qualitätssicherung in der Pflege wird fortgesetzt. Programme zur Unterstützung pflegender Angehöriger, Bewegungsangebote für Hochaltrige, Wohnprojekte – all das wird fortgesetzt. Von daher können Sie nicht behaupten: Dieses Land ist unsozial geworden.

All das sind Dinge, die fortgesetzt werden, bei denen wir nicht sagen können: Dieses Land ist damit unsozial geworden. – Dieses Land wird sozialer, weil die vorhandenen Mittel effizienter eingesetzt werden, weil wir von der Neuverschuldung herunterkommen wollen, weil wir soziale Infrastruktur auch noch in 20 Jahren erhalten wollen.