Protocol of the Session on May 3, 2006

Beide haben die Bewerbung zu ihrer ganz persönlichen Sache gemacht. Ich möchte auch erwähnen, dass die Kolleginnen und Kollegen Kulturdezernenten, sieben an der Zahl, bereits 2001 die Bewerbung initiiert, nicht lockergelassen und auch in ihren eigenen Kommunen manchmal gegen Widerstände die Bewerbung auf den Weg gebracht haben. Unser Dank gilt aber auch den vielen Sponsoren für ihre großzügige und vorbildliche Unterstützung sowie ihr Engagement für dieses wunderbare Vorhaben. Ich glaube, in positivem Sinne darf man heute die RAG ruhig einmal nennen.

(Beifall von der SPD)

Wir können nur hoffen, dass die derzeitige Landesregierung den Enthusiasmus der Menschen an Rhein und Ruhr gebührend würdigt und alles daran setzen wird, dass das Jahr 2010 für das Ruhrgebiet ein voller Erfolg wird. Dies wird sich für das gesamte Land Nordrhein-Westfalen positiv niederschlagen.

Denn der Titel beinhaltet als Begriffe auch „Kulturhauptstadt“ – Essen und das Ruhrgebiet – sowie „Europa“. Wir Nordrhein-Westfalen sind mittendrin in Europa. Wir wollen und müssen zeigen, dass wir bei allen Bürgern Europas Interesse für dieses anspruchsvolle Konzept mit seinem innovativen Charakter wecken und erfüllen können. So könnte das Ruhrgebiet – wie es die Jury auch schreibt – zu einem Symbol des Wandels für viele andere Ballungszentren in Europa werden.

Meine Damen und Herren, wir als Land sollten für Essen und das Ruhrgebiet Hilfe und Unterstützung anbieten. Wir sollten – das will ich ein bisschen einschränkend sagen – uns davor auch hüten, dem Ruhrgebiet das Zepter aus der Hand zu nehmen.

(Beifall von Thomas Eiskirch [SPD])

Die Ehre der Präsentation und des Titels „Kulturhauptstadt Europas“ gebührt Essen und dem Ruhrgebiet – bei aller Hilfe, die wir anbieten können.

Meine Damen und Herren, unser Fazit: Der Himmel über der Ruhr ist wieder blau. – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Nell-Paul. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Kuhmichel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war ja einmal eine

gute Nachricht aus Brüssel in Sachen Europa; das ist nicht immer der Fall. Es ist nicht immer berauschend und prickelnd, was von dort kommt. Diesmal gab es eine große Ausnahme. Es war am Dienstag, den 11. April, Schlag 11:45 Uhr, als die erlösende Botschaft kam – Sie wissen, welche. Dazu hat sich der Ministerpräsident eben erklärt.

Ich war dabei, als das Ganze live über eine Großbildleinwand übertragen wurde. Ich stand neben dem Oberbürgermeister und habe gemerkt, wie sich die Anspannung löste und wie sich die vielen Hundert Menschen, die im Foyer des Rathauses in Essen waren, freuten und auch etwas laut wurden. Es war nicht so wie bei einem UEFA-CupSieg, aber man konnte deutlich merken: Wir sind das Ruhrgebiet!

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, diese Entscheidung aus Brüssel ist in dreifacher Hinsicht gut und richtig:

Zunächst einmal ist sie gut für Essen. Nehmen Sie mir das nicht übel. Essen ist seit 57 Jahren meine Heimatstadt. Ich habe mich über die vielen Jahre hinweg daran gewöhnt, mit Klischees zu leben, gelegentlich Mitleid zu empfangen, wenn man sagt, dass man aus Essen kommt. Aber diese Zeiten, das wissen wir alle, sind längst vorbei. Die Trümmer sind lange weggeräumt. Es ist gut, dass Essen diesen Zuschlag für das Ruhrgebiet bekommen hat.

Deswegen sage ich zweitens: Diese Entscheidung ist für das Ruhrgebiet natürlich gut. Essen ist nur als Bannerträger ins Rennen gegangen. Diese Entscheidung ist für eine Stadt wie zum Beispiel Castrop-Rauxel gut, meine Geburtstadt. Manche sagen, das sei die lateinische Übersetzung von Wanne-Eickel. Es ist so: Sie ist gut für Castrop-Rauxel.

Sie ist gut für Bottrop; dort ist meine Frau geboren.

(Zuruf von der SPD: Das hatte aber keinen Einfluss auf die Entscheidung!)

Diese Entscheidung ist gut für alle Kommunen zwischen Duisburg und Dortmund, zwischen Recklinghausen und Hattingen. Sie ist gut für 5,3 Millionen Menschen aus 140 Nationen, wie wir eben schon hören konnten.

(Beifall von der CDU)

Diese Entscheidung ist last but not least sehr gut für das ganze Land Nordrhein-Westfalen. Wer daran Zweifel hat, meine Damen und Herren – ge

legentlich hört man das –, der hat, wie man im Ruhrgebiet sagt, „den Schuss noch nicht gehört“.

Wir werden doch zuhauf internationale Gäste ins Ruhrgebiet bekommen. Wir leben in einer mobilen Gesellschaft, in der man in einer guten ICEStunde alle Kommunen im Land erreichen kann – große Kommunen wie Münster, Köln, Düsseldorf und Aachen, um nur diese vier zu nennen. Diese auch kulturreichen Regionen sind für die Gäste, die das Ruhrgebiet besuchen, schnellstens zu erreichen. Auch dort werden neue Kontakte geknüpft werden und ein neues kulturelles Leben wird beginnen.

Meine Damen und Herren, natürlich wird die Entscheidung diejenigen, die sich auch beworben hatten und nicht zum Zuge gekommen sind, etwas betrüben. Aber nehmen wir es doch einfach sportlich: Nordrhein-Westfalen hat den Zuschlag bekommen; die Bewerber aus Görlitz mögen es mir nachsehen.

Es wird viel darüber gesprochen, dass das Ruhrgebiet eine hohe Integrationskraft hat. Das ist wahr. Es wird von Integrationsfaktoren gesprochen. Dabei werden Kultur im Allgemeinen, Musik – das mit den Instrumenten ist ein sehr guter Vorschlag, Herr Ministerpräsident –, Theater und Kunst herangezogen; all das ist richtig. Aber es gibt einen Integrationsfaktor im Ruhrgebiet, der schon sehr lange besteht: Das ist der Sport und besonders der Fußball – das in Zeiten der Fußball-WM.

Es kommt nicht von ungefähr, dass der Chef der Brüsseler Jury im Rahmen der Begründung für die Empfehlung, Essen für das Ruhrgebiet vorzuschlagen, eine Äußerung des Essener Oberbürgermeisters ansprach, der sagte, dass er früher, als er als kleiner Steppke, mit sechst, sieben, acht Jahren – genauso wie ich; wir sind fast gleich alt –, Fußball spielte, total zugesaut war, dass er schwarz war wie ein Bergmann. So war das tatsächlich.

Diese Zeiten sind längst vorbei. Der Staub im wörtlichen Sinne ist weg. Aber diese Bewerbung, die vier Jahre lang operativ vorbereitet wird und die im Jahre 2010 mit einem Höhepunkt gekrönt wird, bietet die Möglichkeit, auch im übertragenen Sinne den letzten Staub zu beseitigen.

Meine Damen und Herren, deshalb danke ich stellvertretend für alle, die mitgemacht haben, für die Menschen aus der Wirtschaft, für die Kulturschaffenden, für viele Initiativen, für viele Sponsoren, dem Oberbürgermeister, Wolfgang Reiniger, und dem Kulturdezernenten, Dr. Oliver Scheytt, auch noch einmal im Namen der CDU-Fraktion für

die wahrhaft glänzende Präsentation der Bewerbung Essens für das Ruhrgebiet.

(Beifall von der CDU)

Das waren überzeugende Auftritte, die dazu geführt haben, dass sich die Brüsseler Jury so entschieden hat. Von nichts kommt nichts. Das war wirklich professionell.

Ich darf mich auch bei dem Ministerpräsidenten für die Unterrichtung bedanken. Das Land wird weiterhin ein verlässlicher Partner sein. Natürlich wissen wir, dass die Bewerbung von der Vorgängerregierung initiiert worden ist. Aber diese Landesregierung ist in der Verpflichtung, weiter am Ball zu bleiben und dem Motto zu folgen, dass das, was für das Ruhrgebiet gut ist, auch für das Land gut ist. Ich freue mich über den Konsens, der in diesem Hohen Haus über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg darüber besteht, dass die Bewerbung von allen mitgetragen werden soll.

Meine Damen und Herren, auch von mir eine kleine Bemerkung in Richtung Finanzen: Der Ministerpräsident hat eben deutlich gemacht, in welcher Größenordnung sich das Ganze bisher darstellt. Ich kann verstehen, dass es vor dem Hintergrund eines desaströsen Haushalts natürlich Sorgen gibt, dass das Ruhrgebiet mehr bekommen könnte, als gegenüber anderen Regionen vertretbar oder verträglich ist. Aber für Albträume besteht keine Veranlassung: Der Rahmen ist gesetzt.

Denken Sie immer daran: Im Ruhrgebiet ist über die vielen Jahrzehnte so viel Kohle gefördert worden, dass es gelingen wird, die Kohle, die wir noch brauchen, um die Bewerbung zu einem guten Abschluss zu bringen, auch noch zu fördern.

(Allgemeine Heiterkeit)

Wie die Landtagspräsidentin lade auch ich Sie sehr herzlich ein – wir haben die Einladung jetzt alle bekommen –: Am 17.05., übernächste Woche Mittwoch, findet der Regionalabend Ruhrgebiet statt. Das trifft sich hervorragend. Wie die Landtagspräsidentin bitte auch ich Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Nehmen Sie diese Veranstaltung wahr! Freuen Sie sich mit den Menschen aus dem Ruhrgebiet über diese erfolgreiche Bewerbung.

Ob Sie schwarz, gelb, grün oder rot sind: Lassen Sie sich von der Freude anstecken! In diesem Sinne, meine Damen und Herren, ein herzliches Glückauf!

(Beifall von CDU, FDP und Sylvia Löhrmann [Grüne])

Danke schön, Herr Kuhmichel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Löhrmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch mir ist das eine oder andere aus der Kindheit eingefallen. Wenn meine Mutter die Wäsche vom Trocknen wieder reinholte, dann war sie manchmal dreckiger als vorher. Das ist eine Erinnerung an das Essen, in dem ich geboren wurde und aufgewachsen bin – Essen-Bergeborbeck, als die Zinkhütte noch lebte, das Essen, von dem mein Großvater mir so viel erzählt hat: So sah es hier nach dem Krieg aus, jetzt steht hier in Holsterhausen das größte Hochhaus weit und breit, erklärte er mir Ende der 60er-Jahre stolz. Ich war ein Teenie und beeindruckt von dem Hochhaus, das heute natürlich nur noch ein Zwerg ist.

Doch damals war manches, was heute möglich ist, schlicht undenkbar und unvorstellbar. Wenn mir damals jemand prophezeit hätte, Essen werde einmal Kulturhauptstadt, dann hätte ich gesagt: Du spinnst! Noch dazu zusammen mit der ganzen Region drum herum: Undenkbar, unvorstellbar! – Jetzt wird es so kommen. Darüber freue ich mich riesig.

Wir Grünen gratulieren neben Essen und dem Ruhrgebiet auch ganz Nordrhein-Westfalen und auch Europa.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Essen und dem Ruhrgebiet zu dieser erfolgreichen Bewerbung und dem spannenden Projekt. Nordrhein-Westfalen, weil die Kulturhauptstadt gewaltige Impulse für unser ganzes Land bringen wird, die weit über das Jahr 2010 hinausreichen werden. Und Europa, weil Essen mit dem Ruhrgebiet einen neuen, modernen Typ von Kulturhauptstadt verkörpert und Analysen und Lösungen für die Probleme urbaner Räume im Europa des 21. Jahrhunderts bietet. Europa hat sich mit dieser Bewerbung selbst einen Gefallen getan.

Doch das ist nicht vom Himmel gefallen, meine Damen und Herren, das hat sehr viel mit kommunaler und regionaler Zusammenarbeit und mit der guten Kommunikation zu tun. Daher auch mein ausdrücklicher Dank und ein großes Kompliment an die Akteure und Unterstützer und Sponsoren dieser Bewerbung vor Ort,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

stellvertretend an Sie, Herr Oberbürgermeister Dr. Reiniger, und an Sie, Dr. Oliver Scheytt. Das war erstklassig: Weiter so!

Das hat aber auch viel – ich bedauere, dass Sie nicht die Größe gehabt haben, das zu sagen – mit der erfolgreichen Arbeit roter und grüner Landespolitik zu tun.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die IBA hat seinerzeit dafür gesorgt, die Stätten der Industrie überhaupt zu erhalten. Die Triennale füllte und füllt diese industriellen Stätten heute mit neuem Leben. Stellvertretend seien hier die Zeche Zollverein und die Jahrhunderthalle in Bochum genannt. Und das – dies an die Kolleginnen und Kollegen aus dem Hauptausschuss gerichtet – sind gut investierte Ziel-2-Mittel in Nordrhein-Westfalen.