Protocol of the Session on April 6, 2006

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

NRW als Noch-Energieland Nummer eins hat seit dem 22. Mai 2005 klimaschutztechnisch die Strategie: Wir warten, was von Berlin auf uns herunterfällt; so lange machen wir erst einmal gar nichts. – Es ist aber nicht nur kein Konzept vorhanden, man weigert sich auch, eines aufzustellen. Liebe Landesregierung, wir wissen, was Sie

nicht wollen: Windräder wollen Sie nicht. Aber was Sie wollen, das wissen wir alle nicht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir haben Anträge gestellt: zur Gebäudesanierung, zum Emissionshandel und heute aktuell zum Energiegipfel der Bundesregierung. Sie aber lehnen alles einfach ab. Wenn Sie unsere alten Konzepte und aktuellen Anträge für falsch halten, dann machen Sie es doch besser,

(Zuruf von der CDU: Das machen wir doch!)

Hauptsache, Sie machen etwas und verweigern nicht weiterhin die politische Debatte.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist Arbeitsverweige- rung!)

Gestern habe ich mich einmal auf der aktuellen Internetseite des zuständigen Ministeriums umgeschaut. Und siehe da: Unsere Konzepte scheinen weiterhin gültig, richtig und aktuell zu sein. Alles, was man auf dieser Seite zum Thema Klimaschutz finden kann, reicht bis in das Jahr 2001 zurück,

(Zuruf von den GRÜNEN: Gute Zeiten!)

verbunden mit Grußworten von Herrn Schwanhold, der übrigens seit 2002 gar nicht mehr Minister ist. Kann man daraus schließen, dass Sie unsere Klimaschutzpolitik fortsetzen wollen? Oder drängt die kleine FDP Sie wieder einmal in eine Wirtschaftspolitik wie vor 20 Jahren, als man Umweltschutz und Arbeitsplätze gegeneinander ausgespielt hat?

Wenn man die aktuellen Protokolle der entsprechenden Ausschusssitzungen liest, könnte man meinen, dass es für die CDU überhaupt keine Klimaproblematik gäbe. Ich frage mich, warum dann große Versicherungen wie zum Beispiel die Münchener Rück bereits eine eigene Abteilung dafür eingerichtet haben. Aktuell hoffen die Menschen an der Elbe auf Entlastung – Entlastung von dem Jahrhunderthochwasser, das mittlerweile in Abständen von zwei bis vier Jahren kommt.

Der Landtag wartet nun auf die Antworten der Landesregierung zu folgenden Fragen, Herr Linssen: Hält die Landesregierung Klimaschutz überhaupt für ein Thema, mit dem sie sich beschäftigen muss? Anscheinend nicht. Wird die Landesregierung den Klimaschutzbericht oder den Umsetzungsbericht fortführen? Aussagen zum Klimaschutz will die Landesregierung zu gegebener Zeit machen. Wann ist nach Ansicht der Landesregierung dieser Zeitpunkt gekommen?

Für uns als SPD sind die Antworten klar: aktive und vorausschauende Anstrengungen im Klimaschutz sind eine Daueraufgabe, der sich eine Landesregierung zu stellen hat. Die weitere Umsetzung unseres Klimaschutzkonzeptes darf nicht weiter vernebelt und verzögert werden. Stellen Sie sich der Debatte um die richtigen Konzepte! Legen Sie endlich Ihr Klimaschutzkonzept auf den Tisch!

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD])

Wir brauchen für den Klimaschutz heute neue, innovative Energienutzungsformen und nicht den Rückfall in gescheiterte Konzepte. Deshalb löst auch die Atomenergie die Klimaprobleme nicht. Hören Sie mit diesen Phantomdebatten auf!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sagen Sie den Menschen in Nordrhein-Westfalen klar und deutlich, wenn Ihr Klimaschutzkonzept ausschließlich aus der Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken oder gar aus dem Bau von neuen Atomkraftwerken besteht.

Eine vernünftige Klimaschutzpolitik geht von einer Begrenzung globaler Temperatursteigerung von maximal 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Stand aus.

Dass Klimaschutz Kosten produziert, ist uns klar – entweder beim vorbeugenden Klimaschutz oder bei der Bekämpfung des Klimawandels, zum Beispiel im Rahmen von Hochwasserschutz und Versicherungsschäden. Aber schon am Beispiel Energiemix zeigt sich, dass so etwas nicht allein dem Klimaschutz dient, sondern auch einen Beitrag zur Verringerung steigender Belastung von Unternehmen und Verbrauchern zum Beispiel aufgrund von Preiserhöhungen bei Energie und Rohstoffen leisten kann.

Für uns als SPD-Landtagsfraktion müssen deshalb die Energie- und Ressourceneffizienz vor allem, aber nicht nur aus Klimaschutzgründen verbessert und der Ausbau von erneuerbaren Energien und nachwachsenden Rohstoffen vorangetrieben werden. Wir waren hier in NRW eigentlich schon weiter und haben bereits viele Weichen im Bereich der Zukunftsenergie und der erneuerbaren Energien gestellt. Wir lassen nicht zu, dass Klimaschutz auf den Handel mit Emissionszertifikaten reduziert wird. Für uns müssen in der Klimaschutzdebatte auch Themen wie Verkehr, Gebäude, private Haushalte, Land- und Forstwirtschaft und vieles mehr diskutiert werden.

Sie haben sich der Klimaschutzdebatte in den letzten sechs Monaten komplett verweigert. Wir werden dieses wichtige Thema aber nicht auf sich

beruhen lassen und Sie immer an Ihre Verantwortung erinnern. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Wiegand. – Nun spricht Herr Ellerbrock von der FDP.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Wiegand, Sie wissen es besser. Sie wissen es wirklich besser!

(Lachen von der SPD)

Ihre Ausbildung als Geologin befähigt Sie dazu, mit dem Begriff „natürliche Variabilität“ umzugehen. Sie wissen, dass sich das Klima wandelt, ob wir etwas dagegen tun oder nicht; wir haben täglich einen Klimawandel. Und dann wollen Sie ein Invest gegen den Klimawandel machen! Frau Kollegin, das finde ich nicht gut.

(Frank Sichau [SPD]: Sie wissen, was damit gemeint ist!)

Sie haben einen Punkt angesprochen, den ich sofort nachvollziehen kann. Sie fragen: Was ist Ihre Klimaschutzpolitik? Wie sieht Ihre Energiepolitik aus? Wir haben in der letzten Legislaturperiode, aber auch hier laufend gesagt: Wir werden sicherlich nicht im Mikrokosmos denken, sondern im Makrokosmos. Wir haben immer gesagt, wir fordern im Bereich von Emission-Trading die marktwirtschaftlichen Konzepte, die Kyoto anbietet: Joint-Implementation und Clean Development Mechanism. All das wollen wir haben. Das sind wesentlich effektivere Maßnahmen, als wenn wir hier bei uns an den Stellschrauben drehen.

Ich kann verstehen, Frau Kollegin, dass Sie die Fraktionslinie nur langsam drehen können.

(Svenja Schulze [SPD]: Wir brauchen sie nicht zu drehen! – Sylvia Löhrmann [GRÜ- NE]: Sie Wendehals!)

Aber das werden wir sicherlich noch eingehend besprechen können.

Meine Damen und Herren, zu dem Abteilungsleiter, den Sie eben nannten.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das hat der CDU-Staatssekretär kommentiert!)

Ich bin immer vorsichtig, Namen zu nennen, Herr Kollege Remmel. In der Ausschusssitzung am 11. Januar hat der von Ihnen benannte Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium, der diese Aufgaben zu bewältigen hat, gesagt: Leute, seid vorsichtig, wir können die Wirkungen der Maß

nahmen, die wir hier eingeleitet haben und einleiten werden, überhaupt nicht nachvollziehen. Wir können sie nicht quantifizieren und belegen. Wir bewegen uns im Bereich der theoretischen Erkenntnisse. Deswegen: Vorsicht an der Bahnsteigkante!

Sie selbst haben für Ihren Koalitionsvertrag 2000 groß den Klimaschutz angekündigt – drei Sätze haben Sie darauf verwandt. Wenn man sieht, was herausgekommen ist, lassen sich die Effekte, die Sie da umsetzen wollten, tatsächlich überhaupt nicht nachvollziehen. Was sollen wir hier in Nordrhein-Westfalen tun? Ich finde es richtig, dass wir möglichst für eine europäische Konzeption, dann für eine Bundeskonzeption und darin eingebettet für das Industrie- und Energieherz der Bundesrepublik Deutschland Überlegungen anstellen, was wir selbst machen.

Wir haben deutlich ausgeführt: Wenn wir Emission-Trading haben, wenn wir Ja zum Emissionshandel sagen, dann müssen wir im Instrumentenkasten aufräumen. Alle Wissenschaftler bestätigen Ihnen, dass der Begriff Ökosteuer in diesem Zusammenhang wegfallen muss. Das ist obsolet, das ist systemwidrig. Wir müssen das Erneuerbare-Energien-Gesetz grundlegend ändern. Das sagt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, nicht von uns, sondern von Ihren eigenen Leuten besetzt! Das „Handelsblatt“ macht große Ausführungen dazu.

Also, Frau Wiegand, Sie wissen es besser. In dem Fall – es tut mir Leid, das zu sagen – gilt wirklich: Si tacuisses, philosophus mansisses! Lassen Sie uns darüber auf fachlicher Ebene reden. Bei einem guten Glas Wein kommen wir beide mit Sicherheit auf einen vernünftigen Nenner.

(Zuruf von Ministerin Barbara Sommer)

Natürlich, Frau Sommer, werde ich mich mit einer Fachkollegin gut unterhalten können. Auch der kleinste gemeinsame Nenner ist ein gemeinsamer Nenner.

Frau Wiegand, wir laden Frau Sommer dazu ein. Sie kann unsere Erkenntnisse dann direkt in die Schulpädagogik umsetzen. So haben wir mehr erreicht, als wenn wir hier eine Stunde diskutieren würden. – Danke schön, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Ellerbrock. Jetzt wird es hier noch richtig österlich. – Herr Minister Linssen hat jetzt das Wort für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie im November 2005 zugesagt, hat die Wirtschaftsministerin mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 einen zusammenfassenden Bericht zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt,

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das war eine Nullnummer!)

dessen Widergabe ich uns mit Blick auf die Zeit ersparen möchte.

Erstens. Klimaschutzpolitik in Deutschland, damit indirekt auch für Nordrhein-Westfalen, basiert auf internationalen Verpflichtungen, vor allem dem Kyoto-Protokoll. Die Europäische Union hat die von ihr übernommenen Kyoto-Verpflichtungen durch EU-weit geltende Regeln umgesetzt.

Zweitens. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Rahmen der EU-Lastenverteilung bis 2008/2012 auf eine Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen um 21 % gegenüber dem Basisjahr 1990 verpflichtet. Die Emissionsdaten von 2002 weisen eine Reduktion von ca. 19 % auf, sodass eine Zieleinhaltung erreichbar erscheint.

Drittens. Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe, die viele Politikbereiche wie die Energie-, Verkehrs-, Wirtschafts-, Wohnungsbau-, Umwelt- und Forschungspolitik umfasst. Klimaschutzpolitik ist deshalb integraler Bestandteil des politischen Gesamtkonzepts der Landesregierung, durchgeführt von allen Ressorts. Sie ist vom Prinzip der Nachhaltigkeit geleitet. Ein Halt oder eine Unterbrechung in der Klimapolitik ist nicht gegeben.