Protocol of the Session on April 5, 2006

Ich bin auf die weiteren Diskussionen gespannt. Ich bin auf weitere Anhörungen gespannt – diese werden wir durchführen –, und ich bin gespannt darauf, wie Sie im weiteren Verfahren auf Beschlüsse Ihrer Kommunalfraktionen reagieren werden, die sich gegen die Aufhebung der Grundschulbezirke aussprechen und mehr Freiheit einfordern. Dann könnten Sie Ihre Versprechen, die Sie hinsichtlich der Freiheit gegeben haben, einlösen, aber Sie wollen ihnen vorgeben, sodass sie es machen müssen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich verstehe nicht, wieso Sie nicht merken, wie sehr Sie sich an solchen Stellen widersprechen. Sie sind bestimmten Positionen der FDP auf den Leim gegangen. Denn noch im Wahlkampf haben Sie zu dieser Frage etwas ganz anderes vertreten. Ich appelliere also noch einmal …

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Doch, Sie haben das gewollt, und die CDU hat sich dagegen ausgesprochen. Ich weiß es ganz genau und kann die Personen namentlich nennen: Herr Solf und Frau Kastner haben sich dagegen ausgesprochen. Sie haben es in der vergangenen Legislatur mit uns gemeinsam mit großer Mehrheit abgelehnt. Jetzt haben Sie von der CDU es mitgemacht. Kommen Sie doch wenigstens von diesem Punkt wieder runter. Denn wir wollen doch keine Gettoisierung. Wir wollen keine Gettoschulen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

An dem Punkt könnten Sie ein Zeichen dahin gehend setzen, dass Sie die Fachleute und Ihre Experten auch ernst nehmen. Wir machen uns deren Anliegen zu Eigen, weil wir sie für richtig halten. Natürlich werden wir versuchen, noch etwas daran zu verbessern. Aber so, wie das Gesetz heute ist und beraten wird, bedeutet es eine extrem falsche Weichenstellung für die Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Löhrmann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP deren Fraktionsvorsitzender Dr. Papke das Wort.

Frau Präsidentin! Frau Kollegin Löhrmann, Lautstärke ersetzt keine Ar

gumente. Das haben Sie mit Ihrem Redebeitrag wieder einmal unter Beweis gestellt.

(Horst Becker [GRÜNE]: Weil Sie es nicht verstanden haben!)

Ebenso muss man am Ende dieser wichtigen Debatte Folgendes resümieren: Das, was die Opposition hier zum Thema Erneuerung unseres Schulwesens abgeliefert hat, war durch die Bank erbärmlich. Sie haben keinerlei Alternativen aufgezeigt, und das gilt gerade für die Sozialdemokraten.

Frau Kollegin Löhrmann, Sie legen hier dar, was Sie intern auf Ihren Bundesparteitagen schulpolitisch diskutieren. Danach kräht in diesem Land doch sehr zu Recht kein Hahn mehr. Das interessiert doch niemanden mehr. Sie sind überall aus der Verantwortung heraus abgewählt worden, und das hängt auch

(Beifall von FDP und CDU)

mit der erbärmlichen Bildungspolitik zusammen, die Sie als Grüne in den Ländern, in denen Sie Verantwortung trugen, mit durch die Bank ähnlichen Bildungsergebnissen wie hier in NordrheinWestfalen gemacht haben. Deshalb sind Sie abgewählt worden.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Da wäre ich an Ihrer Stelle etwas vorsichtiger! – Ute Schäfer [SPD]: Und Sie?)

Aber der Ministerpräsident hat Recht: Bei Ihnen, Frau Löhrmann, weiß man wenigstens, woran man ist. Sie wollen die Einheitsschule. Sie wollen Ihre Politik der bildungspolitischen Gleichmacherei, der Nivellierung unterschiedlicher Begabungen fortsetzen. Sie haben wenigstens eine Position.

Die Sozialdemokraten, meine Kolleginnen und Kollegen, haben – auch das ist ein Ergebnis unserer Debatte heute – keine Position. Sie haben überhaupt keine Position,

(Beifall von FDP und CDU)

und da ist es schon bemerkenswert, Frau Kollegin Kraft, dass Sie nach vorne gehen und sagen – auch deshalb habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet –, es treffe Sie in Ihrem Herzen als Sozialdemokratin, zu sehen, welche Schulpolitik diese Koalition der Erneuerung

(Hannelore Kraft [SPD]: Der Durchlässig- keit!)

jetzt machen wolle. Es hätte Sie in Ihrem Herzen als Sozialdemokratin treffen müssen, als Sie mit ansehen mussten, was Sie den Kindern in diesem

Land mit Ihrer verfehlten Schul- und Bildungspolitik angetan haben, Frau Kollegin Kraft.

(Beifall von FDP und CDU)

Der Ministerpräsident und andere Redner der Koalition haben doch noch einmal herausgearbeitet, dass am Ende Ihrer 39-jährigen Regierungszeit die Kinder in Nordrhein-Westfalen so schlechte Bildungsergebnisse wie in kaum einem anderen Bundesland mit auf den Weg in ihr späteres Berufsleben bekommen haben. Es gab kein anderes Bundesland, in dem die Bildungschancen so stark von der sozialen Herkunft abhingen.

Und ich sage Ihnen noch einmal in aller Klarheit: Es gibt für eine Politik, die sich sozialdemokratisch nennt, keine schlimmere Bankrotterklärung als eine solche Abhängigkeit zwischen dem Portmonee des Elternhauses und den Bildungschancen der Kinder. Sie haben für diese Politik die Verantwortung zu tragen, und deshalb sollten Sie sich schämen, hier so frech aufzutreten und dem Schulgesetz der Koalition der Erneuerung mangelnde soziale Sensibilität vorzuwerfen. Es ist ein Stück aus dem Tollhaus, was Sie hier wieder einmal geboten haben.

(Beifall von FDP und CDU – Zuruf von Han- nelore Kraft [SPD])

Wir sind sehr gespannt, ob Sie die Kraft finden werden, Frau Kollegin Kraft – Herr Dieckmann hat die Langfristigkeit dieses Prozesses angekündigt –, wenigstens in der Schulpolitik erkennbare Alternativen vorzulegen. Bisher sehen wir diese nicht einmal im Ansatz.

(Hannelore Kraft [SPD]: Warum sollten wir? Wir reden über Ihr Schulgesetz! Sie regie- ren!)

Sie geißeln die Politik der Erneuerung, und Herr Kollege Dieckmann sagt, bis 2010 werde die SPD eine neue Schulpolitik vorgelegt haben.

Die Schulpolitik, die die Koalition der Erneuerung einschlägt – das ist in der Debatte heute deutlich geworden –, ist klar orientiert. Wir sorgen für mehr Lehrer, für mehr Verantwortung an den Schulen, für mehr Verantwortung bei den Lehrern. Wir sorgen für mehr individuelle Förderung, und zwar für Kinder aller Begabungsstufen, meine sehr verehrten Damen und Herren, also sowohl für diejenigen, die eher praktisch veranlagt sind, als auch für die Hochbegabten.

Das ist eine Politik des Förderns und des Forderns, und dies unterscheidet unsere Schulpolitik in der Tat fundamental von dem, was Sie hier in 39 Jahren verbrochen haben. Und die letzten

zehn Jahre, Frau Kollegin Löhrmann, waren – das ist an den Pisa-Ergebnissen unschwer abzulesen – besonders schlimm. Und wer eine solche Bilanz vorgelegt hat, der sollte hier etwas zurückhaltender auftreten

(Beifall von der FDP)

und darüber nachdenken, ob er nicht etwas selbstkritischer an das herangehen müsse, was zu dieser Bilanz geführt hat. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Papke. – Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt der Kollegin Hendricks das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Sie, Herr Ministerpräsident Rüttgers, haben dieses Schulgesetz in diesem Hohen Hause gerade als den großen Wurf dargestellt. Dabei blenden Sie allerdings gesellschaftliche Entwicklungen schlicht und einfach aus. Auch wenn Sie die OECD-Studie hier zitieren, zitieren Sie nur Teile daraus und nicht das, was in der OECD-Studie auch noch gesagt wird. Die Tatsache, dass wir so viel Geld mit so wenig Erfolg ausgeben, erklärt sich unter anderem damit, dass wir so wahnsinnig viel Geld in die Personalkosten hineinstecken. Das kann man auch alles bei der OECD nachlesen.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Das war Herr Steinbrück und nicht die OECD!)

Sie haben versucht, aus der OECD-Studie zu zitieren.

Des Weiteren, Herr Ministerpräsident, haben Sie verdeutlicht, dass es um die Kinder und die Jugendlichen in diesem Land geht. – Darum geht es uns auch, Herr Rüttgers. Natürlich geht es um die Kinder und Jugendlichen. Es geht uns darum, dass alle Kinder und Jugendlichen in diesem Land die bestmöglichen Chancen haben, eine gute Ausbildung zu bekommen, die sie anschließend nutzen können.

Dieses Gesetz ist aber nicht die Basis dafür, dass diese Kinder das bekommen. Wenn Sie uns zu einer Diskussion einladen, Herr Ministerpräsident, dann kann ich nur feststellen: Diese Diskussion findet für meine Begriffe weder im Ausschuss noch sonst irgendwo statt, weil es gar nicht um eine Diskussion geht; es geht ausschließlich dar

um, die Positionen abzustecken und die eigene Position durchzusetzen.

(Beifall von der SPD)

Das kann man auch feststellen, wenn es um die Meinung von Experten und Praktikern geht. Die Anhörungen in diesem Hohen Hause sind im Grunde genommen für die Katz gewesen. Alle, die hier gesessen haben, wussten, dass mit der Basta!-Politik, mit Ihrer Schulgesetzpolitik die Weichen gestellt werden. Ihnen geht es gar nicht darum, irgendwelche Erkenntnisse zu gewinnen. Sie wollen nur, dass dieses Gesetzgebungsverfahren durchläuft.

(Beifall von der SPD)

Herr Stahl, Ihre gerade vorgetragene Äußerung zum Thema Eltern und Lehrer kann ich als ehemalige Elternvertreterin nur als absolute Diskreditierung empfinden. Ich finde es, gelinde formuliert, eine Unverschämtheit, wie Sie mit den Spitzen der kommunalen Familie umgegangen sind, die übrigens zum großen Teil Ihr Parteibuch tragen und die Ihnen in den Anhörungen zu den Grundschulbezirken deutlich gesagt haben, dass die Regelung, wie sie jetzt im Entwurf des Schulgesetzes steht, für sie nicht akzeptabel ist. – Warum sind Sie eigentlich so beratungsresistent?

(Beifall von der SPD)

Sehr geehrte Frau Ministerin Sommer, Sie verkünden völlig zu Recht, dass die Zukunftsfähigkeit dieses Landes von der Qualität der Schulbildung unserer Kinder abhängt. – Da sind Sie mit uns völlig d’accord. Aber, Frau Ministerin Sommer, die OECD führt uns schon seit längerem vor Augen, dass die Qualität der Bildung über den Wirtschaftsstandort Deutschland entscheidet. Sie negieren die Empfehlungen der OECD schlicht und einfach mit dem vorliegenden Schulgesetzentwurf.

Wenn die „WAZ“ am 30. März in einem Artikel titelt „Der schwere Weg nach oben“, dann beschreibt es das, was dieses Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen im Grunde genommen einleitet: den schweren Weg nach oben.