Protocol of the Session on April 5, 2006

Vielen Dank, Herr Kollege Kuschke. – Damit das mit der Gunst richtig im Protokoll festgehalten wird oder zumindest zwischen uns klar ist: Die Landesregierung hat 48 Sekunden überzogen, der Kollege Kuschke eine Minute und 34 Sekunden.

(Ministerin Christa Thoben: Dann habe ich ja noch eine Minute!)

Insofern sollte niemand Rückschlüsse auf Gunst oder Sonstiges ziehen. – Nun gebe ich Frau Ministerin Thoben für die Landesregierung das Wort.

(Ministerin Christa Thoben: Ich möchte zum Schluss sprechen!)

Okay. – Dann hat zunächst Herr Kollege Hovenjürgen für die Fraktion der CDU das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Kuschke, zu Ihrer Analyse insbesondere der Redebeiträge des Kollegen Brakelmann und des Kollegen Romberg: Ich habe bisher bei allen Rednern wahrnehmen können, dass man bereit ist, über diese Problemstellung zu reden. Insofern, glaube ich, ist es bisher eine sehr gute Debatte gewesen.

Wir sind uns hier im Hause wohl auch einig, dass Menschen, die arbeiten, einen gerechten Lohn erhalten müssen. Was allerdings gerecht ist, dazu müssen wir eine Einigung finden. Aus unserer Sicht – ich meine, das heute von allen Kolleginnen und Kollegen gehört zu haben – ist es gerecht, dass derjenige, der arbeitet, mehr Geld bekommt als derjenige, der von Transferleistungen lebt. Das müssen wir sicherstellen.

Insofern ist es natürlich nachdenkenswert, dass da, wo Gewerkschaften über Tarifverträge nicht für einen Interessenausgleich sorgen können, der Staat den Versuch unternimmt, sicherzustellen, dass keine sittenwidrigen Löhne gezahlt werden.

Es bleibt festzuhalten, dass es schon innerhalb der Bundesrepublik erhebliche Lohnunterschiede auf gleichen Tätigkeitsfeldern gibt. Noch größer werden die Differenzen, wenn wir uns auf dem Arbeitsmarkt im osteuropäischen Ausland umschauen.

Im Zuge dieser Diskussion darf eines nicht passieren: Wir dürfen die Arbeit nicht so verteuern, dass sie das Land verlässt und der billigeren Lohnsituation hinterherwandert. Das müssen wir verhindern. Aber das führt natürlich dazu, dass wir uns auch um Regelungen innerhalb unseres eigenen Landes bemühen müssen, um regionale Unterschiede ausgleichen zu können.

Ich verweise hier auf den Bundesfinanzminister, Herrn Steinbrück, der Ihnen ja besonders gut bekannt ist, der darauf hinweist, dass neue Arbeit nur dann entstehen kann, wenn die Kosten niedriger sind als der Ertrag, der aus dieser Arbeit für das Unternehmen entsteht. – Das ist aus meiner Sicht eine richtige Erkenntnis. Ich hoffe, meine Damen und Herren seitens der Sozialdemokratie, Sie verinnerlichen diese Erkenntnis auch. Denn genau diese Problemstellung liegt vor uns; das ist der Problemknoten, den wir gemeinsam durchschlagen müssen.

Ob man nun über Mindestlohn oder Kombilohn redet: Wir werden dafür sorgen müssen, dass es

im Bereich der Beschäftigung mit zum Beispiel geringer Qualifikation auskömmliche Löhne gibt.

Aber eines ist auf jeden Fall zu verhindern – wir kennen das aus dem Bereich der Vorruhestandsregelung –: dass Mitnahmeeffekte entstehen, die letztendlich zu ganz anderen Entwicklungen führen, als wir das gemeinsam gedacht haben, nämlich nicht zu neuer Arbeit, sondern zur Entlastung der Unternehmen auf Kosten der Steuerzahler. Diese Mitnahmeeffekte dürfen nicht eintreten.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das ist wahr!)

Lassen Sie uns also gemeinsam hier im Hause nach Lösungen suchen, die es möglich machen, dass im Land neue Arbeit entsteht, dass die Unternehmen, von denen wir neue Arbeit erwarten, in die Lage versetzt werden, neue Arbeit zu schaffen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, von denen wir erwarten, dass sie die Arbeit annehmen, ihrerseits weiter die Motivation aufbringen, sich um Arbeit zu bemühen, und dass die Unternehmerinnen und Unternehmer bei entsprechenden Rahmenbedingungen die Bereitschaft zeigen, neue Wege zu neuer Arbeit zu unterstützen.

Die Politik ist gefordert, sich im Alltagsgeschäft nicht an Begrifflichkeiten festzuhalten. Ob wir nun sagen Kombilohn, ob wir nun sagen Mindestlohn: Wichtig ist, dass für die Menschen in NordrheinWestfalen eine bessere Lösung als jetzt herauskommt.

Wir hoffen, dass wir alle gemeinsam – ich freue mich auf die Ausschussberatungen – diesen Weg gehen können. Ich habe in der heutigen Debatte Gemeinsamkeiten erkannt. Wenn wir das in dem Stile, wie wir es heute gemacht haben, fortführen, kann für die Menschen in unserem Land und in der Bundesrepublik etwas Positives herauskommen. Lassen Sie uns auf dem Weg weitermachen! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Jetzt liegt mir nur noch seitens der Landesregierung die Wortmeldung von Ministerin Thoben vor. Dann gebe ich ihr das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.

Herr Kuschke, ich will nur auf einen Punkt eingehen. Ich weiß nicht, wieso

Sie bei uns die generelle Ablehnung von Mindestlöhnen als Leitlinie erkennen wollen.

(Wolfram Kuschke [SPD] zeigt auf die Koali- tionsfraktionen.)

Nein, nein, nein!

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Deutlich bei der FDP!)

Es geht darum, bei den Menschen nicht generell den Eindruck zu erwecken, wir als Gesetzgeber wüssten, wie hoch die Löhne sein müssten, damit alle Beschäftigung finden. Das behauptet der ein oder andere und vertritt das vehement.

Uns geht es um etwas anderes. Wenn wir Kombilöhne für eine genau zu definierende Gruppe zulassen wollten, weil wir uns damit ein auskömmliches Einkommen für Arbeitnehmergruppen vorstellen könnten, die, wenn man sie ganz nach ihrer Produktivität bezahlen würde, von dem Geld nicht leben könnten – ich will es einmal so beschreiben –, dann wäre unser Arbeitsminister bereit, eng definiert für eine Gruppe von Arbeitslosen zu sagen: Das wollen wir ausprobieren.

Ich will aber keine totalen Mitnahmeeffekte organisieren. Wir wissen doch, wie sich Menschen verhalten, wenn man ihnen anbietet: Der Dritte zahlt. – Ich muss keine Beispiele nennen, um zu zeigen, wo die Kosten dann landen. Wenn ich die Offenheit will, die der Arbeitsminister vertritt, dann stellt sich also die Frage: Wie verhindere ich die Verlagerung von 90 oder 100 % der Lohnkosten auf die öffentliche Hand? Das ist der Hintergrund für eine vernünftige Regelung des Mindestlohns. Das wollte ich nur noch einmal darstellen.

(Beifall von der CDU)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein.

Damit hat die Landesregierung ihre Redezeit um knapp zwei Minuten und 30 Sekunden überzogen. Wenn es also den Wunsch gibt … Ich ahnte das. Dann hat Herr Kollege Schmeltzer für die Fraktion der SPD das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Thoben, irgendwie scheinen Sie da etwas – natürlich nur rein akustisch – falsch verstanden zu haben; denn weder Kollege Kuschke noch ich noch unser

Antrag spricht von einer gesetzlichen Festlegung von Mindestlöhnen.

(Beifall von Barbara Steffens [GRÜNE])

Der Antrag besagt ausdrücklich, dass wir die Landesregierung auffordern, sich in Berlin aktiv an der Entwicklung von Mindestlöhnen zu beteiligen. – Das ist der wesentliche Unterschied. Minister Laumann und ich habe beide deutlich gemacht, dass wir offen sind. Aber wir haben auch beide deutlich gemacht, dass wir das bevölkerungsreichste Land in der Bundesrepublik Deutschland sind und dass wir uns aus dieser Diskussion nicht heraushalten dürfen.

Die Zustimmung des Kollegen der CDU eben, dass das eine gute Diskussion in eine richtige Richtung wird, nehme ich gerne entgegen.

Frau Ministerin, ich würde Sie gerne gemeinsam mit Ihrem Arbeitsminister zu den Beratungen des Ausschusses einladen. Dann wird es mit Sicherheit noch ein bisschen spannender.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. Nach Verrechnung auch mit der Redezeit des Kollegen Kuschke haben sich die Redezeiten insgesamt angeglichen.

Ich habe jetzt noch eine Wortmeldung des Kollegen Henke für die Fraktion der CDU. Bitte schön, Herr Henke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmeltzer, warum um alles in der Welt schreiben Sie denn in den Titel Ihres Antrags vom 28. März „Gesetzliche Mindestlöhne: NordrheinWestfalen unterstützt nationale Regelung“? Das verstehe ich dann nicht.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn es so ist, dass Sie sagen: Gesetzliche Mindestlöhne ist gar nicht das Thema, um das es uns geht, sondern wir wollen irgendeine Regelung haben, dann kann ich das alles nachvollziehen. Hier steht aber nun einmal eindeutig – das ist das, was Sie uns auf den Tisch legen –: gesetzliche Mindestlöhne.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Was beschließen wir denn: Überschriften oder Anträge?)

Damit sind die ganzen Einwände, die vorgetragen worden sind, auch vom Kollegen Brakelmann – bei dem ich übrigens glaube, dass er persönlich in seiner individuellen Positionierung vielleicht auch

relativ nah an der Notwendigkeit von Mindestlöhnen dran ist – genauso wie die Fragen von Herrn Kollegen Romberg oder die Fragen, die Herr Hovenjürgen gestellt hat, absolut berechtigt.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Nein! Der nicht! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Den Kollegen Romberg lesen Sie noch einmal nach!)

Ich finde, es ist gerade der Nutzen einer solchen Debatte, dass wir die jetzt nicht im ideologischen Schlagabtausch führen.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Wir waren schon viel weiter! – Wolfram Kuschke [SPD]: Sie haben vorhin nicht aufgepasst, Herr Henke!)

Vielen Dank, Herr Kollege Henke. – Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung zu Tagesordnungspunkt 7 sind und zur Abstimmung über die Empfehlung des Ältestenrates kommen können.