In den letzten Tagen erreichte uns eine Nachricht aus Großbritannien: Dort ist der Mindestlohn nach seiner Einführung im Jahre 1999 zum siebten Mal um mittlerweile 40 % erhöht worden. Seitdem gibt es im Königreich einen Rückgang der Arbeitslosigkeit um rund 25 %.
Wenn diese Erkenntnis auch bei der FDP greift, habe ich die Hoffnung, dass sich auch die Partei, die hier jetzt leider nicht so stark vertreten ist und deren Wählerinnen und Wähler nicht von Mindestlöhnen betroffen sind, für Mindestlöhne einsetzt. Wir werden es tun, und ich beziehe hierbei Herrn Laumann ausdrücklich ein.
Sie, Herr Laumann, als CDA-Vorsitzender und als CDU-Mitglied in Verantwortung, ich als Arbeitnehmervertreter in meiner Partei, Ihre und unsere Gremien sollen und müssen intensiv diskutieren und uns dann über Berlin in der Sache näher kommen. Nicht aus der Hüfte schießen lautet das Motto. Denn Sie wissen: Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Vielmehr müssen wir zielführend für ein ordentliches Ergebnis im Herbst vorgehen.
Ein gesetzlicher Mindestlohn schützt nicht nur Arbeitnehmer vor Sozialdumping. Auch ehrliche Unternehmer werden belohnt. Der Mindestlohn garantiert fairen Wettbewerb.
Herr Minister, ich habe gelesen, Sie entspannen gerne bei der Gartenarbeit. Lassen Sie uns gemeinsam entspannt den Lohnboden roden, dann einsäen und im Herbst ernten, und die Ernte er
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer den Mindestlohn einführen will, der muss sich auch mit den Konsequenzen für den Arbeitsmarkt auseinander setzen. Ist der gesetzliche Mindestlohn das geeignete Mittel, das beschäftigungsfördernd wirkt und ein existenzsicherndes Einkommen gewährt, oder werden Hunderttausende Jobs mit niedrigem Lohnniveau einfach wegrationialisiert?
In der Beantwortung dieser Frage scheiden sich selbst in Ihrer Partei, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die Geister erheblich. Sie fordern in Ihrem Antrag die Landesregierung auf, sich in Berlin aktiv an der Entwicklung von Mindestlöhnen zu beteiligen. Damit liegen Sie ganz auf der Linie Ihres Parteivorsitzenden Platzeck und der von Bundesarbeitsminister Franz Müntefering.
Aber Ihr ehemaliger Ministerpräsident und derzeitiger Bundesfinanzminister Peer Steinbrück vertritt offenbar eine ganz andere Auffassung. Zwar hat er sich nicht in aller Öffentlichkeit laut gegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ausgesprochen, aber in seinem Ministerium gibt es offenbar ein Positionspapier, in dem die Argumente gegen den Mindestlohn zusammengefasst sind.
Laut einem Bericht des „Spiegels“ befürchtet der Minister – ich zitiere mit der Erlaubnis des Präsidenten –: „Ein großer Teil der Beschäftigungsverhältnisse unterhalb des Mindestlohns könnte entfallen.“
Übrigens: Herr Steinbrück hat sich auch als Ministerpräsident dieses Landes am 17. April des vergangenen Jahres in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gegen einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, mich verwundert allerdings eines: Warum haben Sie in Ihrer Regierungszeit bis Mai des letzten Jahres oder auch in Berlin bis September 2005 antragsmäßig nichts in dieser Sache auf den Weg gebracht? – Da muss man sich schon wundern.
Da sage ich Ihnen nichts Neues. Bei den Anträgen aus den letzten Monaten – ich bin ja relativ neu in diesem Hause – habe ich mich oft genug gefragt, warum Sie eigentlich Anträge bringen, die Sie in 39 Jahren Regierungszeit eigentlich hätten umsetzen können. Insofern wundere ich mich nicht mehr darüber.
Warum wird derzeit eigentlich über gesetzliche Mindestlöhne diskutiert? – Weil es in den vergangenen Jahren nicht zuletzt auch durch Hartz IV und die Ein-Euro-Jobs einen starken Druck auf das Lohngefüge gegeben hat. Hinzu kommen die verschärften Zumutbarkeitsregeln, nach denen jeder Arbeitslose jede Arbeit zu fast jedem Lohn annehmen muss. Arbeitslose müssen zu Löhnen arbeiten, die bis zu 30 % unter den ortsüblichen Tarifen liegen. Außerdem erleben wir seit dem Beitritt von zehn neuen Ländern zur EU einen massiven Verdrängungswettbewerb von Arbeitnehmern aus diesen Ländern zulasten der heimischen Beschäftigen.
Über 2 Millionen Beschäftigte in Deutschland beziehen sogenannte Armutslöhne. Das heißt, sie erhalten für ihre Arbeit weniger als 50 % des durchschnittlichen Bruttoeinkommens.
Diese Löhne sind zu niedrig, um Existenz nachhaltig zu sichern. Sie sind sogar zu niedrig, um privat etwas zur Rentenversicherung beitragen zu können. Das wird ein Problem sein, das uns in den nächsten Jahren sicherlich auch beschäftigt. Denn wenn man sehr wenig verdient und kaum Beiträge in die Rentenversicherung einzahlt, kommt es zum nächsten Problem, nämlich der Altersarmut. Mit diesem Thema werden wir uns sicherlich auch noch beschäftigen müssen.
Ich möchte Ihnen einmal das Beispiel eines Frisörs schildern. Hier wird ein Stundenlohn von etwas mehr als 4 € gezahlt. Netto bleiben etwa 600 € im Monat zum Leben übrig. Das ist ein Armutslohn. Miete und Nebenkosten können in der Regel davon bezahlt werden. Aber was ist mit dem Rest?
Frisöre bekommen von ihren Kunden meist ein mehr oder weniger gutes Trinkgeld. Das ist in diesem Berufszweig aber immer schon so gewesen. Jeder, der diesen Beruf erlernt hat, weiß, dass es mit dem Lohn nicht so rosig aussieht, dass aber die Trinkgelder dies oft wettmachen. Allerdings ist das auch konjunkturabhängig. Wer weniger verdient, gibt auch weniger Trinkgeld.
Die Frisörinnen und Frisöre würden sich – da bin ich mir sicher – über einen Mindestlohn freuen. Aber ihr Chef sieht das sicherlich anders. Sein kleines Frisörgeschäft erwirtschaft nicht so viel, um seinen Angestellten einen höheren Lohn zahlen zu können. Er muss Leute entlassen oder die Preise erhöhen und die Mehrkosten auf seine Kunden abwälzen. Die wiederum kommen deswegen seltener zum Waschen, Schneiden, Fönen. Die Einnahmen sinken. Der Frisörmeister muss letztendlich doch einen Teil seiner Angestellten entlassen.
Das ist genau das, was nicht passieren darf. Und das ist auch das, was man im Bundesfinanzministerium bei Herrn Steinbrück befürchtet. – Dieses Beispiel kann man auch auf andere Branchen wie zum Beispiel die Gastronomie übertragen.
Im Gegensatz zum Finanzminister tritt Ihr Parteivorsitzender, meine Damen und Herren von der SPD, genau wie Bundesarbeitsminister Müntefering für den gesetzlichen Mindestlohn ein. Bevor Sie sich aber nicht innerhalb Ihrer eigenen Partei einig darüber sind, wie Sie es mit dem Mindestlohn halten wollen, sollten Sie solche Anträge wie den, über den wir heute debattieren, nicht einbringen,
zumal die Debatte nicht hier in Düsseldorf geführt wird, sondern in Berlin; das wissen Sie. In Berlin wird diskutiert, und da sollte auch entschieden werden. Wir haben hier keine Möglichkeiten.
Ich sage Ihnen noch einen Satz dazu, Herr Schmeltzer und Herr Kuschke, da Sie gerade so eifrig debattieren: Sie hatten bis September des letzten Jahres eine Mehrheit im Deutschen Bundestag in Berlin, haben aber nichts auf den Weg gebracht. Und jetzt kommt hier so ein Antrag.
Ziel muss es sein – ob nun mit Mindestlohn oder mit Kombilohn, der ebenfalls in der Diskussion ist –, die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen und vernünftige sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen zu schaffen.
Es darf auf gar keinen Fall dazu kommen, dass der Arbeitsmarkt durch den Mindestlohn auf ein Niveau gebracht wird, auf dem Tausende von Arbeitsplätzen mit geringerem Lohn abgebaut werden. Eine Niedriglohnstrategie lehnen wir ab.
Die Diskussion muss branchenspezifisch geführt werden. Genauso wenig dürfen die Löhne auf ein sittenwidriges Niveau fallen – auf ein Niveau, das den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern noch nicht einmal einen angemessenen Lebensstandard sichert.
Außerdem ist es die Aufgabe der Tarifpartner, einen Mindestlohn – wenn es denn einen geben sollte – festzulegen; ich sage das hier als Gewerkschafter. Die Politik sollte sich in keinem Fall in die Tarifautonomie einmischen. Wir sind in Deutschland in der Vergangenheit damit immer sehr gut gefahren.
Die Gewerkschaften sind allerdings ebenfalls uneins darüber, ob sie einem gesetzlichen Mindestlohn zustimmen sollen oder nicht. Die IG Metall beispielsweise spricht sich für einen Mindestlohn aus, die IG BCE ist dagegen. Der DGB spricht sich dafür aus, dass in das Arbeitnehmerentsendegesetz neben der Bauwirtschaft weitere Branchen aufgenommen werden. Dadurch würden auch die osteuropäischen Billigdienstleister gezwungen, tarifliche Mindeststandards einzuhalten.
Die Diskussion über die Fleischzerleger oder Fliesenleger aus Polen, die als Ein-Mann-Betriebe der heimischen Wirtschaft Arbeitsplätze entzogen haben, ist allseits bekannt. In Brüssel ist jetzt etwas auf den Weg gebracht worden: eine gute Sache, keine Frage, Herr Schmeltzer. Das halte ich für richtig, und das halten wir für richtig.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist selbstverständlich, dass derjenige, der arbeitet, mehr Geld im Portemonnaie haben muss als derjenige, der Arbeitslosengeld vom Staat erhält. Wenn das nicht von selbst funktioniert, dann sollte man darüber nachdenken, ob der Staat eingreifen muss, damit die Löhne nicht, wie bereits oben erwähnt, auf ein sittenwidriges Niveau fallen.
Ob da nun Mindestlohn, Kombilohn oder Entsendegesetz zur Anwendung kommen: Oberstes Ziel muss es sein, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in diesem Land zu schaffen, von denen die Menschen vernünftig leben können. Die Politik kann sicherlich keine Arbeitsplätze schaffen; aber sie kann die Rahmenbedingungen dafür gestalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Leben am Rande des Existenzminimums trotz Vollzeitjobs ist mittlerweile in Deutschland für jede zehnte Arbeitnehmerin und jeden zehnten Arbeitnehmer Realität. Am Existenzminimum trotz einer Vollzeittätigkeit – das muss man sich einmal klarmachen, wenn Anmerkungen kommen wie: Wenn das Ganze zu niedrig ist, wenn die Löhne sittenwidrig werden, dann muss man darüber reden.
In 130 Berufen wird inzwischen mit Tariflöhnen, die unter 6 € liegen, vergütet. Etliche Bereiche, gerade neue Branchen haben heute überhaupt keine Tarifbindung. Stundenlöhne von 4,20 € sind Lebensrealität in unserem Land. Wenn man dann berücksichtigt, dass 18 von 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union gesetzliche Mindestlöhne haben, dann stellt man sich schon die Frage, ob man diese Regelungen nicht auch für die Bundesrepublik braucht und ob man damit nicht sehr viel besser fahren würde.
Warum machen die sieben Länder das nicht, in denen es keinen Mindestlohn gibt? Da der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den Ländern mit Mindestlohn 90 % beträgt, hat das dort eine andere Wirkung als bei uns. Dort wird auch durch rechtliche Regulierung den Tarifverträgen zu einer flächendeckenden Wirkung verholfen; deshalb ist auch das nicht mit Deutschland vergleichbar. Das heißt, wir haben riesige Lücken im Tarifvertrag und keinen Mindestlohn und somit im Vergleich zu den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine lückenhafte und ungeregelte Situation.
Von den Dumpinggehältern, den Niedrigstlöhnen, von dem sich verfestigenden Niedriglohnsektor sind überwiegend Frauen betroffen. Mit fast 60 % sind Frauen in diesen Bereichen in Vollzeit tätig, gerade auch Frauen, die als Alleinerziehende versuchen, ihre Familie und ihre Kinder zu ernähren.